Knack
Von Get The Knack bis Nuke The Knack war kein weiter Weg. Als Doug Fieger & Co. mit ihren perfekten Pop-Kompositionen in bester Beatles-Tradition aus der kalifornischen Asche aufstiegen, kannte die Euphorie keine Grenzen. Die einsetzende Hype-Kampagne ging aber einigen Leuten aus der progressiven Ecke bald so stark auf den Geist, daß sie symbolisch zum Atomkrieg gegen das Quartett aufrief. Mit ihrer zweiten LP, …BUT THE LITTLE GIRLS UNDERSTAND, drehten sich die Knack dann selber einen Strick, indem sie sich hingebungsvoll plagiierten.
Das Knack-Phänomen hat I2inen gehörigen Knacks bekommen. Ober-Knack Doug Fieger war nach seinem Europa-Trip wahrscheinlich reif für den Psychiater. Zu Zeiten von „My Sharona“ und „Good Girls Don’t“ von der Debut-LP GET THE KNACK rannten sie überall offene Türen ein. Der phänomenale Erfolg dieser Band reichte aus, um in LA die Superstar-Maschine zu ölen. Die vier Musiker waren ab sofort für normale Sterbliche nicht mehr available. Sie hatten es nicht mehr nötig.
Wie sehr sie es eben doch nötig gehabt hätten, zeigte dann der Erfolg ihrer Tourneeplanung in Deutschland. Der Kartenvorverkauf lief so mies, daß die Auftritte in Ludwigshafen und ^Düsseldorf abgesagt wurden. In München, Hamburg und Offenbach entsprachen die Zuschauerzahlen auch nicht gerade dem Selbstverständnis einer Band, die sich noch immer einer begeisterten Fanschar sicher ist. Unsern Freund Doug hat diese frustrierende Nachricht bei seiner Ankunft in Germany dann auch buchstäblich auf die Matte geworfen.
The Knack sind die perfekte Eintagsfliege. Die Substanz dieser Gruppe, genauer gesagt: die ihres Songlieferanten und Sängers Doug Fieger schien exakt für ein Album ausreichend. LP Nummer 2, (vergl. ME 4/80), perfekt wieder live in diesmal nur 38 Stunden eingespielt, liegt ein fast identisches Raster zugrunde. Aber Doug: „Auf der zweiten LP gibt es eine R & B-Melodie, ein Stück mit Piano und Streichern, ein Stück mit dominierendem Schlagzeug, es ist ein Kinks-Song drauf und ein Tribut an Phil Spector. Es ist ein völlig anderes Album. Jeder, der sagt, daß es sich nicht vom ersten unterscheidet, hat das Album nicht gehört.“
Ich bleibe höflich und wechsele das Thema. Wir sitzen im Restaurant des Hotels und es ist nicht der Platz, um etwa einen Streit anzufangen, wie es Roy Carr vom New Musical Express tat. Der hatte harte Bandagen angelegt und alles dran gesetzt, Doug Fieger als Schwätzer und die Band Knack als alberne Beatles-Imitatoren zu entlarven. Ich habe auch gar nicht die Absicht, mich zu streiten, frage ihn nur interessiert, ob bei dieser kleinen Widmung an Phil Spector („The Feeling I Get“) nicht zufällig eine ziemlich konkrete Vorlage, nämlich „Then I Kissed Her/Him“, Pate gestanden habe. „Nun, wir haben da an
keinen bestimmten Song gedacht, sondern nur an seine Art zu produzieren,“ geht Doug routiniert, fast britisch, über einen derartigen Vorwurf hinweg. Und da wir gerade dabei sind: Der letzte Song auf der zweiten Seite, „How Can Love Hurt So Much“, erinnert mich stark an den Bobby Helms-Oldie ,,My Special Angel“. „Ja“, formuliert Doug vornehm, „es sind Elemente darin enthalten, das stimmt“. Er hat eine elegant höfliche Art, jede deiner Fragen ausführlich genug zu beantworten, ohne tiefzuschürfen. Dabei liefert er innerhalb von 20 Minuten den Stoff, den du brauchst, um Knacks Position zu orten.
„Diese Dinge passieren eher unbewußt,“ bezieht er sich auf die beiden bewußten Songs, um zu seiner Basis-Philosophie überzuleiten: „Rock’n’Roll ist doch im Grunde, daß eine Generation wieder entdeckt, was die vorige gemacht hat. Nichts ist wirklich neu. Die Musik in den 60ern war nichts anderes als in die 60er transportierte Musik der 50er. Und die Musik der 70er… ich würde die Musik der 70er lieber vergessen. Weißt du, ich bin nicht gerade ein großer Fan von Disco,“ Doug verschluckt auf nahezu britische Art ein Lachen über ein eigenes Bonmot. Das hat er wirklich drauf. „Ich meine, es gab schon eine Menge Musik, wo sich das Zuhören lohnte. Ich mag Elton, Steely Dan, lOcc, die Pistols
aber im Ganzen betrachtet, habe ich für die Musik der 70er keine besondere Vorliebe. Aber die Musik der 80er…“ Doug ist bei seinem Lieblingsthema… „die Kids entdecken heutzutage, was früher einmal angesagt war. Die 15jährigen von heute waren ja noch nicht mal auf der Welt, als die Beatles und die Stones, die Hollies, die Move, Dylan, die Byrds oder Buffalo Springfield ihre ersten Platten machten. Für sie ist das völlig neu. Diese Generation entdeckt für sich die Art von Feeling, das uns diese Gruppem damals vermittelten – wie Buddy Holly, Little Richard, Elvis Presley, Jerry Lee Lewis oder Chuck Berry es für die 50er Jahre vermochten.“
Es gibt aber eine Menge junger Gruppen, die jetzt, zu Beginn der 80er Jahre, nach völlig neuen Mustern arbeiten
nämlich abseits vom traditionellen Melodie-Schema. „Wir gehören nicht dazu“. Manchmal ist er entwaffnend.
Entwaffnend ist die Band auch, wenn du sie zum erstenmal siehst. Für mich war es das erstemal, ich hatte sie beim früheren Hamburg-Besuch verpaßt. Diesmal gingen die Fans von damals nach ein paar Titeln; ich beschloß, Spaß zu haben. Die Knack sind eine gute Liveband sie spielen zusammen wie eine Eins. Mit ihrer Sammlung von kleinen Ohrwürmern sorgen sie für ein entspanntes, wenn auch unverbindliches Vergnügen. Du hast Freude für einen Abend, verausgabst dich nicht. Früher oder später geht dir das wiederkehrende Muster ihrer Songs vielleicht auf den Geist, aber für einen Abend lang kann man es schon mit ihnen aushalten.
Mit der Musik ist es wie mit dem Inteview. Du erwartest keine Geistesblitze, bist auf easy listening eingestellt. Du bewegst dich in einem Supermarkt und wirst entsprechend bedient. Bei Knack sogar hundertprozentig, falls du nicht plötzlich vergißt, wo du bist und irgendetwas verlangst, was nicht dorthingehört.
Doug Fieger behält exakt in diesem Rahmen seine Souveränität: „Leute, die anfangen, Rock’n’Roll als Kunst zu kritisieren, haben den Anschluß verpaßt. Rock’n’Roll ist für Kids und hat mit Kunst nichts zu tun. Es ist Musik, bei der du dich gut fühlst und Spaß hast. Rock’n’Roll ist nichts besonders Ernsthaftes, er wird die Welt nicht verändern, so wie es Gewehre möglicherweise tun. Rock’n’Roll hat mehr mit Unterhaltung, mit Spaß zu tun. Manche Leute nehmen ihn so furchtbar ernst. Sie kritisieren ihn, sie analysieren ihn… was solls? Entweder du stehst drauf oder nicht!“
Die Band ist bisher anderthalbmal um den Erdball getourt. Doug und seine Freundin Sharona finden das aufregend; er behauptet sogar, dies Leben sei die Erfüllung all seiner Träume. „Bist du in der Zwischenzeit überhaupt einmal zum Nachdenken gekommen?“ frage ich ihn. „Nein!“ kommt es fröhlich knapp. „Ich denke sowieso nicht. Ich versuche es zumindest, auf ein Minimum zu beschränken!“ Kleiner Scherz von Herrn Fieger. Übrigens hat er auch Filmpläne und die Band plant, eine Filmmusik zu schreiben. Und er produziert. Und zwar die „Rubber City Rebeis“. Woher die kommen? Fragt doch mal Rachel Sweet! Gabriele Meierding