Kino


Muttertag

Mama

Von Andrés Muschietti, USA 2012 mit Jessica Chastain, Nikolaj Coster-Waldau

Schwarz wie die Nacht von „Zero Dark Thirty“: Jessica Chastain bringt den Horror.

„Mommy, can I go out … and kill tonight“, hieß eine der unwiderstehlich eingängigen Hymnen der Misfits. Nicht, dass „Mama“ auch nur im Entferntesten etwas mit dem C-Exploitationmovie-Ethos von Glenn Danzigs Gruselpunkband zu tun haben würde. Eher ist es ein subversiver In-Joke, wenn Jessica Chastain hier als Bassistin einer Rockband nicht nur eine schwarze Joan-Jett-Perücke, sondern eben auch ein Misfits-T-Shirt trägt. Ein Vorbote. Ein Hinweis darauf, dass der Fan einer Band, die von der letzten Umarmung des süßen Todes singt, vermutlich einen Tick härter im Nehmen sein wird als die gängigen Scream Queens, die es im Kino sonst mit besessenen Geistern zu tun bekommen. Die Inhaltsangabe allein lässt keine Rückschlüsse auf die Qualität des Films zu: Zwei verschollene Mädchen kehren nach fünf Jahren in einer einsamen Waldhütte in die Zivilisation zu ihrem Onkel und seiner Freundin, einer Rockmusikerin, zurück, die sie bei sich aufnehmen. Merkwürdige Dinge geschehen in der Anwesenheit der beiden Wolfskinder, zunehmend verdichtet sich die Befürchtung, dass sie nicht allein aus der Wildnis gekommen sein könnten, sondern eine Erscheinung mitgebracht haben, deren grenzenlose Eifersucht sich gut macht in der Ahnengalerie der berühmten überprotektiven Löwenmamas der Popkultur – Mrs. Bates in „Misery“, Roger Waters‘ Mutterglucke aus „The Wall“, die Stiefmütter aus dem Grimm-Fundus: Die Hölle kann nicht wüten wie eine verschmähte Mutter. Es sind die kleinen Feinheiten, die das Regiedebüt von Andrés Muschietti aus dem Meer vergleichbarer Filme herausragen lassen. Und der clevere Kontext, in dem der Grusel verankert ist: Ursprung des Horrors ist die Finanzkrise 2008, die den Vater der beiden Mädchen den Verstand verlieren lässt. Der Terror erreicht die beiden Hauptfiguren als Gottesstrafe dafür, dass sie ihr einstiges alternatives Leben gegen Bequemlichkeit und Komfort eingetauscht haben, und als Mahnmal dafür, dass Annabel am liebsten niemals Mutter geworden wäre – und sich nun mit einer Macht konfrontiert sieht, die nichts anderes und nur das sein will. Das lässt viel Raum für die Schauspieler, allen voran Jessica Chastain, auf deren Riecher man nach „The Tree Of Life“, „Take Shelter“ und „Zero Dark Thirty“ vertrauen kann. Wie der ebenfalls großartige „Das Waisenhaus“ vor ein paar Jahren ist auch „Mama“ produziert von Guillermo Del Toro. Ein weiterer Garant dafür, dass der Grusel stimmt. Und doch noch mehr dahintersteckt.

***** Start: 18. April

Charlies Welt

Von Roman Coppola, USA 2012 mit Charlie Sheen, Katheryn Winnick, Jason Schwartzman

Sea of Heartbreak: ein Film, der so verrückt ist wie Charlie Sheen.

Wie das oft so ist bei Filmen, die ihren Machern eine Herzensangelegenheit sind, wäre es ein Leichtes, „Charlies Welt“ in die Pfanne zu hauen. Weil es ein Leichtes ist, Charlie Sheen nicht mehr ernst zu nehmen. Schon gar nicht, wenn er einen unverbesserlichen Playboy spielt, der durch eine Welt tapst, die er einfach nur so sehen will, wie er sie sehen will. Weil Regisseur Roman Coppola, Sohn von Francis Ford und Autor von „Moonrise Kingdom“, gnadenlos über die Stränge schlägt bei dieser Fantasy, die doch nur ein Lovesong über den Schmerz einer Trennung ist. Aber gerade das Zügellose und Undisziplinierte, das Aufeinandertürmen persönlicher Einflüsse macht den Film auch so sympathisch und liebenswert: eine Spinnerei, die Los Angeles, Siebzigerjahre-Design und den durchgeknallten Kindskopf Charlie Sheen hochleben lässt.

****1/2 Start: 14. März

Side Effects

Von Steven Soderbergh, USA 2013 mit Rooney Mara, Jude Law

Wirf zum Abschied leise eine Pille ein: Steven Soderberghs vorletzter Film.

Filmfans müssen jetzt ganz stark sein. Steven Soderbergh setzt an zur Abschiedstournee durch die Kinos: „Side Effects“ ist der vorletzte Film des 51-Jährigen, der noch seinen Liberace-Film „Behind The Candelabra“ nachschieben wird, bezeichnenderweise eine Produktion für den Kabelsender HBO, und sich dann aufs selbst gewählte Altenteil begibt. Ein herber Verlust, auch wenn „Side Effects“ nicht ganz an die große Klasse von „Magic Mike“ heranreichen kann: Tonal und inhaltlich als Bindeglied zwischen „Traffic“ und „Erin Brockovich“ zu begreifen, ist der Psychothriller über eine New Yorkerin, die in die Fänge der Pharmaindustrie gerät, eine gezielte Provokation und Anklage, aber nicht frei von satirischen und ironischen Momenten: Um Nebenwirkungen geht es eben, und das hat nicht nur mit Medikamenten, sondern auch mit dem Erzählen von Geschichten zu tun.

****1/2 Start: 25. April

Iron Man 3

Von Shane Black, USA 2013 mit Robert Downey Jr., Gwyneth Paltrow, Ben Kingsley

Makeover für Marvels Überhelden: Iron Man werden die Flügel gestutzt.

Nach „Iron Man 2“ vor drei Jahren hätte man gerne großzügig auf einen weiteren Film mit dem selbstverliebten Milliardär verzichtet. So wunderbar und unerwartet der erste Film davor noch gewesen war, so überladen und aufgeblasen war die Fortsetzung, mit einem Robert Downey Jr., der fürchterlich überheblich und manieriert wirkte: Teil 3 wäre also kein Muss, wenn man nicht Regisseur Jon Favreau durch Shane Black ersetzt hätte – den legendären Shane Black, der mit seinen Drehbüchern für „Lethal Weapon“ und „Last Boy Scout“ Geschichte schrieb und Downeys Comeback 2005 mit seinem sensationellen Regiedebüt „Kiss Kiss Bang Bang“ ermöglicht hatte: Black zeichnen eine Respektlosigkeit und ein Gespür für das Bedienen niederer Instinkte aus, die einer Hightech-Superheldenverfilmung ausgezeichnet zu Gesicht stehen wird.

NOCH OHNE WERTUNG Start: 1. Mai

Das hält kein Jahr

Von Dan Mazer, Großbritannien 2013 mit Rafe Spall, Rose Byrne

Willkommen im Jahr 2013, britische Komödie – wo warst du?

Das Kino von Judd Apatow ist jetzt auch in Großbritannien angekommen. „Das hält kein Jahr“ sieht nämlich nicht nur so aus, als hätten sich die Macher von „Notting Hill“ und „Tatsächlich … Liebe“ von Filmen wie „Brautalarm“ oder „Jungfrau (männlich), 40, sucht …“ in die Gegenwart beamen lassen, es ist auch so: Der entwaffnend lakonisch-britische Charme, der all die Richard-Curtis-Filme so hinreißend und romantisch gemacht hat, profitiert ganz ungemein von der etwas rüderen Gangart, die man sich in Hollywood abgeschaut hat, und einem Personal, bei dem man jederzeit erwartet, Jason Segel oder Seth Rogen könnten auch noch auf ein Cameo vorbeischauen. Pimp up my comedy! Aber eben auch gut gemacht von Leuten, die selbst mit „Borat“ oder „Der Diktator“ bewiesen haben, dass sich Fassungslosigkeit als Reaktion auf Gags gut mit schallendem Gelächter verträgt.

**** Start: 4. April