King’s X: Wut und Wahrheit
„Journalisten aus aller Welt stehen Schlange“, jubelt ihre Plattenfirma, Interviews mit King’s X werden hoch gehandelt. Das vierte Album des texanischen Rock-Trios hat ein ideales Tuning. KING’S X. so sein Titel, ist engagiert und handgemacht — mithin genau der Stoff, der in diesen Zeiten des globalen Nirvanas Millionenumsätze erzielen kann. Doch Doug Pinnick, der singende Baßmann, hat Höheres im Sinn: „Einige Leute trennen ihre echten Gefühle von der Kunst, um Kohle zu machen. Andere versuchen herauszufinden, was sie wirklich über Liebe, Freundschaft und das Leben fihlen“, läßt er keinen Zweifel aufkommen, seine Band zur zweiten Fraktion zu zählen.
Die Hippies mit Hirn nehmen sich die Freiheit, rigoros gegen alle Regeln der Rock ’n‘ Rollinnung zu verstoßen. Drogen kommen ihnen nicht in die Tüte, Sex würdigen sie keines Wortes und ihren christlichen Glauben verhehlen sie genausowenig wie ihre ätzende Kritik an geldgierigen Kirchenfürsten. Ty Tabor (git, voc), Jerry Gaskill (dr, voc) und Doug Pinnick, der Mann mit der Irokesen-Frisur, würden sich wohl heute noch in US-Clubs die Finger blutig spielen — wäre nicht MTV hellhörig geworden. Drei Songs ihres letzten Albums FAITH HOPE LOVE avancierten via Glotze zu Hits. Der Erfolg liegt zum einen in der musikalischen Mischung aus schwerem Riff-er-ama, vitalen Rhythmen und inbrünstigen Gesängen. Zum anderen ist es ihre unbeirrbare Ehrlichkeit. Sie reden Tacheles. In Zeiten durchhängender Konjunktur haben viele amerikanische Kids platte Macho-Sprüche von Rockern wie Politikern gleichermaßen satt. Doug: „Die starken Vereinfachungen haben die sozialen Konflikte nur noch verschärft. Für uns ist es daher eminent wichtig, die Kunst des Redens wieder zu erlernen.“