Kassenschlager
Der Song erscheint vertraut, das Umfeld allerdings irritiert: Was hat "Layla" im Werbespot von Opel verloren, was "Eternal Flame" bei Ford? Die Antwort ist denkbar einfach: Die PR-Strategen haben die Zugkraft von Popsongs entdeckt. Und die Plattenindustrie lauscht dem Klingeln der Kassen. ME/Sounds-Mitarbeiter Bernd Lechler nahm die seltsame Symbiose unter die Lupe.
Should I Go oder so. Das neue Lied aus der Levi’s-Reklame. Die Platte hält ich gern.“ So oder ähnlich dürfte es wohl in den letzten Wochen in deutschen Plattengeschäften geklungen haben, und alte Punk-Fans mußten die eitle Hoffnung aufgeben, ihre geheiligten Rabauken würden in alle Ewigkeit der Kultbesitz einer kleinen Insidergemeinde bleiben. Pustekuchen: Im März schossen The Clash mit „Should I Stay Or Should I Go“ aus dem neuesten LeviVSpot auf Platz Eins der britischen Charts — eine Band, die zuvor noch nie eine Single in den Top Ten hatte. Dann zogen die deutschen Käufer nach: Punk scheint salonfähig geworden zu sein — es brauchte nur die richtige Hose dazu.
Der Erfolg des alten Clash-Songs (Jahrgang 1982) durch die Levi’s-Werbung ist der vorläufige Höhepunkt einer Welle von Pop-Einsätzen in Werbespots. Vor allem in England und Amerika können Musikfans ihre Plattensammlungen bald nach Produktnamen ordnen. Da wirbt Tina Turners „The Best“ für Perfect Pizza. Dions „The Wanderer“ für Andrex-Klopapier, „Don’t Stand So Close To Me“ (naheliegenderweise) für Mum-Deo, und „Relax“ von Frankie Goes To Hollywood für Ambre Solaire-Sonnencreme.
Und auch im nicht eben für progressive Reklame berühmten Deutschland wühlen die Agenturen inzwischen mit beiden Händen im Fundus der Popgeschichte: Opel ließ mit Louis Armstrongs „What A Wonderful World“ ein Katalysatormodell ganz besonders umweltfreundlich erscheinen (worauf der Song auch wieder in die Charts schoß) und schmückt sich neuerdings mit der Energie von Eric Claptons „Layla“-Gitarrenriff. Im Hause Ford setzt man eher auf den Traum vom entspannten Fahren und unterlegte einen Spot mit „Eternal Flame“‚ von den Bangles. Beck’s Bier verspricht sich Durststimulanz durch die Bee Gees („You Win Again“). James Browns lebenslustiges „I Feel Good“ gilt inzwischen keinem Mädel mehr, sondern der verdauungsfördernden Körnerkost von Schneekoppe.“.Born To Be Wild“ untermalt statt tuckernder Chopper nun einen Puma, der für die gleichnamigen Turnschuhe trabt — und C&A kriegte für seine Young Collection nicht nur Gary Moores „Walking By Myseif“ als Musik, sondern rückte gleich den ganzen Moore mitsamt Klampfe zu den Kaufhaus-Strickbündchen ins Bild.
Ganz und gar neu ist das alles nicht. Man erinnere sich an „Good Day Sunshine“ von den Beatles, mit dem uns seinerzeit Langnese ans Honigregal lockte — oder an David Dundas mit Jeans On“, eines der ersten Beispiele für einen Sonn, der eigentlich nur als Dreißig-Sekunden-Jingle gedacht war. aber beim Publikum so gut ankam, daß man sich entschloß, eine Drei-Minuten-Single daraus zu machen, die sich auch prompt ordentlich verkaufte.
Doch war das die Ausnahme: Die Konsumkreativen dachten in jenen Zeiten noch anders. Zwar wollten sie uns damals schon die rechte Margarine als Garanten für eine gutgelaunte Familie am Frühstückstisch einreden, aber am liebsten argumentierten sie rational: Dash wäscht am weißesten, der Käfer läuft und läuft und läuft am längsten. Persil ist am zuverlässigsten, „da weiß man, was man heil, Rillen Abend.“
Inzwischen packen sie uns lieber am Selbstgefühl — wie will man auch erklären, welches von 20 Brausewässerchen das beste ist? Der Pepsi-Test wirkt inzwischen etwas altbacken. Also heißt es nicht mehr: Kauf das. es ist das Beste, sondern: Kauf das. es paßt zu dir! Es entspricht deinem Stil!
Und für dergleichen emotionale Botschaften ist Musik ein ideales Vehikel. …So ein Song kann auch eine inhaltliche Idee ersetzen“, meint Heinrich Hoffmann von der Frankfurter Agentur Löwe. Lurzer, die den Opel-Clapton-Spot verantwortet, und daß man sich dabei so gerne erfolgreicher Oldies bedient, leuchtet ein: Anders als eigens geschriebene Werbe-Songs oder -Instrumentals besitzen alte Hits einen großen und rasch greifenden Wiedererkennungswert. Und die Beliebtheit von Song und Sänger überträgt sich im Idealfall gleich aufs Produkt.
Trotzdem würden die Werbeagenturen (und auf der anderen Seite die Plattenfirmen und Verlage) vielleicht heute noch schlafen, hätte nicht Levi’s 1986 beschlossen, das lang vergessene Modell 501 neu aufzulegen. Die Londoner Top-Agentur Bartle, Bogle. Hegarty schneiderte der Hose eine wortlose Kampagne auf den Baumwollpopo. in der die Musik die Hauptrolle übernehmen sollte. Für die ersten beiden Spots wählten die Strategen ein Ambiente aus den Fünfzigern, und zwar ganz gezielt: „Es war die Ära. in der Jeans eine Uniform der Rebellion waren“, erklart Assistant Managing Director Tim Lindsay. „Und darum sollte es in den Anzeigen gehen: Sex und Rebellion. „
Im einen Spot legte sich ein junger Mann mitsamt der Jeans in die Badewanne, im anderen zog sich der damals noch unbekannte Nick Kamen das blaue Teil im Waschsalon aufs laszivste aus. Marvin Gayes“.I Heard It Through The Grapevine“ und Sam Cookes „Wonderful World“ illustrierten die Szenen akustisch — und danach war die Pop- und Werbewelt
nicht mehr die gleiche: Nicht nur erreichte das Jeansmodell auf Anhieb 20 Prozent Marktanteil, sondern es kletterten auch die beiden Oldies wieder in die Charts.
Die Industrie leckte Blut. Denn selbst wenn ein Song durch Werbe-Einsätze nicht zu Hit-Ehren kommt, so wirft er doch auf alle Fälle etwas ab. Schließlich kann ein Bierbrauer nicht einfach ins Plattengeschäft gehen, sich eine Single der Bee Gees zulegen und einen Spot daraus basteln. Erst mal muß er sich zweierlei Rechte besorgen — und bezahlen: zum einen die Urheberrechte des Songs, die in der Regel bei einem Verlag liegen, und zum anderen — wenn er die Originalversion verwenden will — die sogenannten mechanischen Rechte, die die Plattenfirma besitzt. Wie tief der Griff in den Budgetbeutel ausfällt, hängt vom Verhandlungsgeschick der beauftragten Werbeagentur ab. außerdem von der angestrebten Verwendung (Kino, Fernsehen oder Radio: weltweit oder europaweit; für ein Jahr oder länger, etc.) und natürlich von der Klasse des Songs selbst: Für die weltweiten Rechte von James Browns Klassiker „It’s A Man’s World“ etwa verlangt Browns Management eine runde Million Mark. Darf’s noch etwas legendärer sein? Bitteschön: Snickers empfand“.Satisfaction“ von den Rolling Stones als ultimativen Schokoschrei — und löhnte vier Millionen Dollar.
Auch bei weniger klassischen Songs kommen ein paar hunderttausend Mark für die Rechte schnell zusammen, was die Agenturen (in deren Auftragsbudget die Musik ja nur ein Posten unter vielen ist) auch zu Sparmaßnahmen zwingt. Es ist zum Beispiel üblich, sich nur die Verlagsrechte an einem Song zu besorgen, und die mechanischen Rechte zu umgehen, indem man den Song neu einspielen läßt. Das „Layla“-Riff zupft in der Opel-Reklame nicht etwa Meister Clapton selbst, vielmehr nahm eine englische Studioband den gewählten Songausschnitt (im Werbejargon „Take-shot“) neu auf. Und selbst bei Levi’s hörten wir seinerzeit nicht Marvin Gaye selbst, sondern einen namenlosen Sessionsänger. der übrigens bei den Aufnahmen gehörig ins Schwitzen kam: Der selige Marvin singt auf der Platte stellenweise etwas out-of-tune, und nun mußte das arme Double genauso falsch nachsingen. Kein leichter Job. aber die Imitation gelang so perfekt, daß das Original, siehe oben, zum posthumen Hit für Gaye wurde.
Mit angenehmen Konsequenzen für die Werbeagentur, denn nach dem Chart-Erfolg der ersten beiden Jeans-Songs rückten die Plattenfirmen die mechanischen Rechte für Spot Nummer drei (Ben E. Kings“.Stand By Me“) und vier (Percy Sledges „When A Man Loves A Woman“) bereits gratis raus. Und durften sich bald die Hände reiben: Die Sledge-Schnulze kletterte Anfang 1987 auf Platz zwei der britischen Hitparade. Nicht auf Platz eins, denn den blokkierte, jawohl. Ben E. King.
Bei lebenden Sängern müssen die sparsamen Reklame-Cracks mit ihren Imitationen allerdings etwas vorsichtiger sein. Tom Waits und Bette Midier erstritten sich kürzlich nach jahrelangen Prozessen Schadensersatzsummen in Millionenhöhe. Beide hatten sich geweigert. Songs für Werbespots freizugeben, waren gedoubelt worden, und ärgerten sich nun. daß sie vom Publikum womöglich mit bestimmten Produkten in Verbindung gebracht würden.
Denn das gibt es natürlich auch: daß sich Musiker für die Werbung zu schade sind. Neil Young besang das programmatisch in „This Note’s For You“: „Ain’t singing for Pepsi, tün’t singing for Coke“ — eine hämische Botschaft an dick gesponsorte Kollegen wie Tina Turner oder Michael Jackson. Oder Rod Stewart, der sich aber deswegen von niemandem an den Karren fahren lassen will: „Es luufen viele Pseudo-Rebellen mm, so nach dem Motto: Oh, ich will
meine Songs nicht für Werbespots hergeben, sonst ärgern sich meine Fans. Das ist ein Riesenschmichsinn. The Clash! Oh, meine Musik, meine Kunst, meine Fans. Sie werden den Scheck garantiert nicht zurückschikken, so viel ist sicher.“
Bruce Springsteen oder John Mellencamp sehen das anders und lassen prinzipiell nicht mit sich oder ihrer Musik werben, und die Rest-Beatles versuchten, gegen die Verwendung von „Revolution“ in einem Nike-Spol vorzugehen (die Rechte besitzt pikanterweise Michael Jackson), weil sie der Auffassung waren, daß Revolution und Konsumentenwerbung einfach nicht zusammengehen, weil also die Werbung den Song kaputtmache.
Wie groß der Einfluß der Komponisten und Musiker auf die Verwendung ihrer Werke für bestimmte Zwecke ist. richtet sich nach den Verträgen, die sie mit ihren Verlagen haben. Als die Beatles seinerzeit ihre Vereinbarungen mit Northern Songs trafen, dachten sie an solche Probleme nicht, weshalb sie sich spater kaum einmischen konnten, wenn es um anderweitige Verwendung ging — und beim Rückkauf der Rechte war eben Michael Jackson schneller. Und auch die Stones waren ihrem Verlag (Essex) an Cleverness in jungen Jahren nicht gewachsen, so daß Jagger und Richards beim erwähnten Millionendeal mit Snickers nur einen verhältnismäßig geringen Anteil der Kohle einsacken können.
Andere Kunstler machen in puneto Werbung zumindest Einschränkungen, würden zum Beispiel nicht für Alkohol mit sich werben lassen (Phil Collins und Ex-Alkoholiker Eric Clapton haben da keine Berührungsängste), oder sie nehmen Einfluß auf die Inszenierung. Als etwa Gary Moore zustimmte, im C&A-Spot aufzutreten, bestand er darauf, nicht zu häufig zusammen mit dem Klamottenmodel im Bild zu erscheinen, damit zwischen ihm und der Kaufhausmode wenigstens ein bißchen Distanz bestehen blieb.
Glaubwürdigkeit ist das Stichwort, wenngleich sich die Grenze, ab der die Fans zu zweifeln beginnen, nur schwer ziehen läßt. BAPs Manager Balou berichtet, es hätten sich „nurganz wenige“ Anhanger über die Camel-Collection-Spots beschwert — und findet es selbst erstaunlich:
„Wir hatten gedacht, das wurde viel komplizierter werden, es gibt ja in Deutschland keinen Präzedenzfall dafür. Aber den meisten scheint das völlig egal zu sein. Manche sagen .Muß dat sein?‘, aber wenn man ihnen die Sache erklärt, sehen es eigentlich alle ein. „
„Die Sache“ ist. daß aus der Sicht von BAP die Spots erstmal eine tolle Werbung für die „X für’e U“-Tournee waren und sich Camel-Collection zu etwa einem Fünftel an den Kosten der Tournee beteiligte. Die einleitende Club-Tour wäre sonst nicht machbar gewesen, ohne in die roten Zahlen zu geraten. Und man habe sich schon im Vorfeld einmischen können, betont Balou: Das Ansinnen der Werbekreativen, Niedecken könne doch eine Camel-Jacke tragen und in Großaufnahme ausziehen, erntete sofort entschiedenes Kopfschütteln. Und mit dem Produkt habe man halt keine Probleme gehabt:
„Mit der Deutschen Bank hätten wir das wohl kaum gemacht. “ (Schon bei BAPs kostspieligem China-Abenteuer 1987 hatten die Kölner versucht, einen Deal mit Pepsi zu bekommen, damals allerdings ohne Erfolg.) Alles in allem also: Du wirbst für mich, ich werbe für dich, und so waren etwa auch die Hollies froh, als Miller Lite Bier ihr „He Ain’t Heavy, He’s My Brother auf Platz Eins hievte. Und hauptberufliche Songlieferanten sind es erst recht. „Leute wie Elton John und Paul McCartnev, die immer noch große Interpreten sind und einen Ruf zu verlieren haben, behalten sich die totale Kontrolle über ihre Veröffentlkhungsrechte vor und sind sehr vorsichtig mit der Freigabe ihrer Songs“, sagt John Hall vom Verlag Filmtrax. der jetzt der englischen Plattenfirma EMI angehört. „Aber normalerweise, wenn ein Schreiber das Zeug nur so rausht tut, ist es ihm einfach egal. Er will, daß es venvendet wird und so viel Geld wie möglich dumit verdienen.“ (Es muß nur gut organisiert sein: Als Renault zum Werbespot für das Modell R 25 unbedingt „I Feel Free“ von Cream haben wollte, waren die mechanischen Rechte an dem Song erst mal nicht auffindbar. Weil man es aber eilig hatte — um die Musik kümmern sich die Werbemacher meist zuletzt — bat man Jack Bruce, Ex-Cream. den Song neu einzuspielen. Gesagt, getan, und alle waren froh, bloß die Plattenfirma des Bassisten fluchte: Zu gerne hätte sie zeitgleich zur Werbung eine Single veröffentlicht — aber als sie von der Aktion erfuhr, waren die Spots schon gar nicht mehr geschaltet.) Auch junge Musiker haben meist wenig Skrupel, schließlich können ganze Karrieren mit einem Werbesong gestartet werden — wenngleich diese Karrieren oft so blitzartig wieder zusammenbrechen, wie sie angefangen haben. Das gilt für Robin Beck, die mit dem Coca-Cola-Sone“.The First Time“ ins Showbusiness einstieg, und es gilt für die Münchner Band Dominoe. deren“.Here I Am“ seinerzeit den Renault R 5 zum“.kleinen Freund“ stilisierte. Aus einem Auftragssong wurde eine Hitsingle, die Hitsingle führte zur ersten LP. aber schon mit ihrer zweiten Langrille fielen Dominoe auf die Nase und sind heute vergessen, genauso wie die Band Beagle Music. die mit dem Langneselutschlied „Like Ice In The Sunshine“ in die Charts geriet, und auch bei David Dundas war es nicht anders.
Apropos: Jeans On“ für eine Jeans-Reklame leuchtet ja ein. ebenso wie“.I Feel Good“ zur Schneekoppe-Botschaft paßt und der smarte Ölscheitel Bryan Ferry mit seinem“.Let’s Stick Together“ auf der Yuppie-Party im chipsfrisch-Spot prima rüberkommt. Deswegen wollten die schlauen Kartoffelröster den Song ja auch haben. Aber wo ist der Zusammenhang zwischen“.The Wanderer“ und Toilettenpapier, und was. um alles in der Welt, hat Eric Claptons Geniestreich „Layla“ mit den eher biederen Vierradschüsseln aus Rüsselsheim zu tun?
Erst mal gar nichts, wie Heinrich Hofmann von der zuständigen Werbeagentur erläutert: „Das war Zufall.
Glauben Sie ja nicht, daß in den Agenturen dauernd mit Marktanalysen und Wirkungsforschung gearbeitet wird. Das hat viel mit persönlichem Geschmack zu tun. Es klang halt gut und hatte was Dynamisches. “ Dynamisch, aha. Und sonst? Was will man denn ganz allgemein vermitteln mit einem Sone im Spot?
„Jugendlichkeit will man vermitteln. Und die Werbung richtet sich ja an Zielgntppen. Wenn Sie zu den
Swnes ins Konzert gehen, finden Sie Leute aller Altersklassen. Und natürlich hatten all diese Songs mal Erfolg. Von diesem Erfolg will man in der Werbung gerne profitieren. „
Ob das im Einzelfall tatsächlich hinhaut, wissen die Beteiligten allerdings selbst nicht so genau. Nur beim Beginn von Levi’s 501-Kampagne liegt der Erfolg klar auf der Hand, für die Songs sowieso, und auch für die Hose selbst: 20 Prozent Marktanteil gleich beim Start einer Kampagne sind sensationell. Inzwischen mißt man den Erfolg eher langfristig und aufs Image bezogen: Kein anderes Stück Baumwolle zum Zuknöpfen hat diesen legendären Touch. und dazu haben die Werbeclips mit Sicherheit wesentlich beigetragen.
Im Falle Gary Moore und C&A ist die Kaufhauskette mit ihrer ganzen Young Collection-Kampagne zufrieden, weiß aber nicht, ob nun grade der Moore-Spot besonders viele Käufer in die Umkleidekabinen getrieben hat; man hat noch keinen Kunden mit Gitarrenkoffer gesehen. Und die Plattenfirma? Dirk Hohmeyer, Promotionchef von Virgin: „Man kann einen Chart-Erfolg nicht an einem einzelnen Faktor festmachen. Aber solche Werbeeinsätze fiir ein aktuelles Produkt zu bekommen, war natürlich hammermäßig. Geschadet hat ’s bestimmt nicht.“
Bei Flops ist der Zusammenhang eher offensichtlich, wenn nämlich der Effekt einer Werbeidee weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die US-Sportartikelfirma LA Gear kaufte sich Michael Jackson als Vortänzer, übersah aber die neuesten Erkenntnisse der Turnschuh-Philosophie, daß nämlich die Käufer (selbst wenn sie die flotte Latsche bloß auf dem Schulweg tragen und nicht auf der Aschenbahn) desinteressiert reagieren, wenn man ihnen so einen sportlichen Schuh ganz ohne sportlichen Zusammenhang präsentiert. Michael Jackson bewirkte für LA Gear gerade mal zwei Prozent Umsatzsteigerung — und sieht somit neben dem deutschen Melitta-Mann (bis zu 45 Prozent) ziemlich bad aus. Sein hochdotierter Vertrag mit LA Gear wurde daraufhin nicht mehr verlängert, sondern kurzerhand gekippt.
Und was bedeuten die Werbeeinsätze für die Musik selbst? Leiden die Songs darunter, wenn man sie als bloßes Mittel zum Zweck nutzt? In der Branche sieht man’s meist pragmatisch. Willi‘ Schlösser, Kreativdirektor beim UfA-B MG-Verlag:
„Es kommt immer aufs Produkt selber an. Aber wenn nun etwa durch Levi’s Hits entstehen, die früher keinen interessiert haben, ist das doch völlig okav. Selbst Muddy Waters ist so nochmal zu Ehren gekommen. Wenn so ein Song wieder populär und zugänglich gemacht wird, find ich’s in Ordnung. „
Klar: Es gibt Wiederveröffentlichungen, im Radio tauchen die alten Nummern wieder häufiger auf — die Nebenwirkung könnte allerdings sein, daß man in Zukunft“.Layla“ hört und nicht einfach nur „Layla“ denkt, sondern: „Opel“. Auf lange Sicht ein gräßlicher Gedanke, vor allem, wenn man ihn weiterspinnt: Led Zeppelins“.Kashmir“ für noble Rollkragenpullis. „Won’t Get Fooled Again“ für Haftpflichtversicherungen,“.Get Up Stand Up“ für Hometrainer. Oder gar das unvergessene „Norwegian Wood“ für Ikea. „Should I Stay Or Should I Go“ für… — nein, das hatten wir schon. Wieso hatten wir Nicht-Spezialisten in Sachen Clash den Song eigentlich vergessen? Wieso finden wir ihn jetzt auf einmal alle so toll? Wegen einer Hose mit Knöpfen? Er ist schon ein wundersames Kerlchen, unser Geschmack.
Herr Ober, noch ein Bier. Das mit den Bee Gees.