Kanzler Udo – nein danke!


Dies ist ein Rückblick. Auf einen Film, von dem es (aus gutem Grunde?) keine vorgezogene Vorführung für die Medien gab. Udo Lindenbergs „Panische Zeiten“ lief am 18. April an, die Zeitungen waren voll davon, das Fernsehen war eingestiegen. Sollen wir jetzt in der Juni-Ausgabe des MUSIK EXPRESS auch noch einmal darauf eingehen? Ich finde schon, daß es nötig ist. Pünktlich zum Start erschienen in den Prestige-Objekten „Stern“ und „Spiegel“ nämlich Artikel über „Panische Zeiten“, die dem gewohnt kritischen Anspruch des einen aber auch der anspruchsvoll kommerziellen Linie des anderen Blattes kaum zu Gesicht standen. Die Vermutung lag nahe, daß beide allenfalls aus Gründen der Aktualität eine Arbeitskopie ansahen. Vermutlich wäre beiden Schreibern nachträglich der Kragen geplatzt, hätten sie das fertige Produkt angesehen.

„Panische Zeiten“ soll Udos Beitrag zum Wahljahr ’80 sein. In diesem Film setzt sich fort, was mir schon an Udos vorletzter LP, DER DETEKTIV, so unangenehm aufgefallen war. Ich will Udo nicht den guten Willen absprechen, seine Gefolgschaft zum kritischen Denken zu motivieren. Nur mit den Phrasen holt er niemanden hinter dem Micky Maus-Heft vor. Oder seine Fans sind mittlerweile unter den Achtjährigen zu suchen, aber die dürfen ja den Film noch nicht sehen.

Udo gefällt sich in der Rolle des staatsgefährdenden Sprücheklopfers. So läßt er sich im Film denn auch von Strohmännern der Machthaber kidnappen, die ihn und seine Überzeugungskraft gern für ihre Zwecke beanspruchen würden. Natürlich ist einer der Regierungsbeamten (Hark Böhm) klischeegerecht pervers und geht regelmäßig zum Auspeitschen. (Müßig, den Inhalt noch einmal aufzuwärmen. In einer zweiten Rolle verkörpert Udo als Detektiv eine Humphrey Bogart-Imitation, die den Rockstar befreit.) Was für die Fans eine Gaudi und für engste Kenner der Hamburger Szene das eine oder andere Aha-Erlebnis bedeutet: Udo engagierte seinen Clan und andere Typen aus jenen Kreisen, für winzige Nebenrollen. Allein sein Veranstalter Fritz Rau poltert durch den kompletten Streifen, bis Bundeskanzler Udo ihn schließlich auch mit einem Ministerposten ehrt.

Für einen Spaß war der Film zu schlecht. Den Charme des Dilettantismus hat der Münchener Regisseur Klaus Lemke besser im Griff. Als politische Anmache kann man den Streifen beim besten Willen nicht bezeichnen. Mit aneinandergereihten und auswendig gelernten Sprüchen wie „Es gibt jetzt immer mehr junge Typen, die sich nicht verarschen lassen und denen in Bonn den Tango geigen“, ,3onner Schlafanstalt“ u.a. kann man einer unkritischen Gefolgschaft natürlich imponieren. Soviel WortgekJingel versperrt leicht den Blick auf den eigentlichen (schwachen) Kern solcher verbalen Selbstdarstellungen. Die Fans werden fleißig nachplappern, ohne das Geringste gelernt zu haben. Udo formuliert in jedem Interview seine „Nach Bonn reiten „-Theorie wortwörtlich aufs Neue, wie einstudiert. Sein „Fachchinesisch“ ist nicht weniger unangenehm als das, mit dem die Politiker – und da hat er recht – die Bevölkerung narkotisieren.

Ich denke schon die ganze Zeit darüber nach, welche politische Botschaft (und dazu gehören ja wohl ernstzunehmende Alternativen) Udo uns vermitteln wollte. Daß ich die Opposition möglichst nicht wählen soll, weiß ich selbst. Und wer das vorhatte, tut’s auch noch nach dem Film. Und die Indifferenten? Werden weiterhin mitlaufen und nachplappern. Auch Kanzler Udo. Schlimm genug!