Kanye West
Ein kleiner Schritt für Kanye West, ein großer Schritt für den HipHop: Der Hitproduzent greift zum Mikrofon und überrascht mit einem geschmackvollen Debüt.
Wie ein Punk, von denn es niemand für möglich gehalten hätte, dass er sich über die Jahre ganz schleichend in einen angepassten, geldgierigen Kapitalisten verwandeln konnte, hat sich auch der HipHop, ein Kind des Untergrunds, bis hin zum Selbstverrat verbogen, um es sich schließlich mit seinem breiten Gesäß mitten im seichten Mainstream bequem zu machen. „Früher hatte jeder seine eigene Identität, Originalität und Kreativkraft“, klagte Missy Elliott kürzlich. „Heute kannst du den falschen Jay-Z nicht mehr von dem richtigen unterscheiden.“ Und dass der HipHop an sich „zu vorhersehbar“ geworden ist, das diktierte auch Jay-Z selbst einem Reporter der New York Times ins Aufnahmegerät, nachdem er sich 2003 aus eben diesem Grund aus dem Rampenlicht zurückgezogen hatte. Industrie-Marionetten wie Chingy, Usher, Baby Bash, 50 Cent und seine talentfreie G -Unit-Gefolgschaft stürmen inzwischen mit kalkulierten „Erotik ‚-Fantasien auf Bravo-Niveau, Comic-haften Schauergeschichten und hirnlosen Selbstbeweihräucherungen die Charts und rauben präpubertären Plattenkäufern das Taschengeld und einem ganzen Genre dabei auch immer mehr Credibility. Der Mangel an visionären, ernsthaften Künstlern wie Public Enemy und Ice Cube, die Anfang der 90er Jahre durchdachte, hochwertige Alben eingespielt haben, die bis heute tatsächlich als solche am Stück gehört werden können, hat viel Schaden angerichtet. Dass die wenigen grandiosen Vokalisten wie Nelly, Mysnkal, Twista, Cam’ron und Ludacris die Qualität, die ihre Singles haben, auf Albumlänge auch nicht nur annähernd halten können, liegt – bezogen auf die Inhalte – an ihrer Interesselosigkeit und bezogen auf die musikalische Qualität – an dem Preis, den die Meister hinter den Kulissen füT ihren input verlangen. Einer von ihnen, dessen Beats heute so begehrt sind wie die von Timbaland und die der Neptunes vorzwei Jahren, hat sich nun selbst dazu entschlossen, das Mikrophon in die Hand zu nehmen: Kanye West. Der beseelte Musiker aus Chicago kam vor drei Jahren durch die Hintertür ins Geschäft, als eines seiner Tapes auf Umwegen Jay-Z erreichte. Die beiden trafen sich zu einem „Probearbeiten“ in New York und verstanden sich sofort. Nachdem sich Wests Produktionen auf Jay-Zs Meisterwerk the blueprint(„Izzo(H.O.V.A.)“ und „Takeover“) zu Hits entwickelten, stand sein Telefon nicht mehr still. In Zeiten, in denen teure Samples oft zugunsten von Keyboards verworfen werden, suchte West wieder Platten von The Doors, Aretha Franklin, Jackson 5 und vielen anderen ab, um mit Originalzitaten den Beats Tiefe und Seele zurückzugeben. Sein DebütTHE COLLEGE DROPOUT(West beendete das College nach nur einem Jahr ohne Abschluss) hat all das, was seine aktuellen Songs für Alicia Keys („You Don’t Know My Name“), Jay-Z („03 Bonnie & Clyde“) und Ludacris („Stand Up“) so unterhaltsam gemacht hat: Leichtigkeit, Klischeefreiheit, Humorund Gefühl. „Bei Musik drängt dich jeder, Stellung zu beziehen „, sagt er. „Bist du Mainstream oder Underground? Reimst du überschöne Autos oder über U-Bahn-Fahren? Bist du ein Ignorant oder kennst du dich mit Geschichte aus? Aber ich bin ein Mensch, der all das kann. Jeder spricht nur von der Weggabelung aber keiner sieht den Regenbogen in der Mitte. Undaufdem wird man mich finden. Ich bin das Prisma. Meine Musik wird alle Farben tragen.“