Kampf gegen den Spector-Malus


E s ist nicht eben leicht, den Sänger zu verstehen. Rein akustisch. Wenn er nicht singt, sondern einfach nur spricht, dann spricht er sehr, sehr leise. Über flüchtigen Ruhm, bleibenden Pop und das neue, dritte Album seiner Band Starsailor… „Tseid“. Wie bitte? „On The Outside“, wiederholt James Walsh milde den Titel der Platte: „Wirßjhlen uns wirklich, als wären wir irgendwie… raus. Undesfiihltsichgutan, oder?“ Di kann Ben Byrne nur beipflichten. Der Schlagzeuger und Mitgründer der Band, ein paar Jahre älter als sein 24jähriger Sänger, nickt und fugt schulterzuckend hinzu: „Ich bin sowieso nie auf der Straße erkannt worden.“ Es scheint fast, als wären die beiden froh, in letzter Sekunde einer tödlichen Falle entronnen zu sein. Tatsächlich sind sie nur der strahlenden Karriere entgangen, die ihnen vor fast fünf Jahren allgemein prophezeit worden war.

Im Jahr 2000 war das, als ein britischer Musikjournalist so euphorisch über ein Konzert der Newcomer im Londoner Heavenly Social Club berichtete, daß sich die Plattenfirmen überboten, um Starsailor unter Vertrag nehmen zu können. „Damalsging’s der Branche noch halbwegs gut“, flüstert Walsh und lächelt versonnen. Auf der Suche nach „the next Oasis“ waren die Scouts damals scharenweise ausgeschwärmt. Was sie fanden, waren Acts wie Coldplay, Elbow, Travis. Und Starsailor, bestehend aus Walsh, Byrne, Bassist James Stelfox und Keyboarder Barry Westhead. Von der EM I wurden die Hoffnungsträger 2001 in ein Studio geschickt, das sie mit der Single „Fever“ wieder verließen – die es prompt in die britischen Top 20 schaffte und der Gruppe auch den Ruf eintrug, Englands beste neue Band zu sein, noch bevor überhaupt ein ganzes Album vorlag. Dafür wurden Starsailor in die Rockfield-Studios geschickt, wo schon Oasis ihr Debüt eingespielt hatten. Der Aberglaube fruchtete, LOVE IS here erreichte Platz zwei der UK-Charts. „Wir hatten einen echten Blitzstart“, erklärt Byrne, „anders als befreundete Bands wie Elbow oder Turin Brakes. „Und dann? „Dann haben wir ein wenig das Tempo herausgenommen“, grinst Walsh und spielt damit auf das „schwierige zweite Album“ an. Das hieß silenc e is easy, wurde in Los Angeles aufgenommen und – das war die Sensation – von Phil Spector produziert. Allein der Umstand, daß sich diese Legende ausgerechnet für ein paar englische Musiker vom Altenteil wieder ins Studio bequemte, sorgte 2003 für enormes Aufsehen, dicke Vorschußlorbeeren – und ging fürchterlich nach hinten los.

„Er hat für uns einige der Songs auf dem Album produziert, schön, ja“, erinnert sich Walsh: „Aber als die Platte rauskam, saßerschon wegen Mordverdachts im Knast. Und das war…“, sinniert Walsh und verliert den Faden, doch Byrne nimmt ihn sofort auf: „Das war ein dummer Zufall, weil vor dieser Nachricht die Qualität unserer Musik ein wenig verblasste“. Deutlich gesagt, wurden vor allem die Spector-Nummern als schlimmer Schwulst bezeichnet. Es war, als schien Silence Is Easy bei den Rezensenten ebenfalls unter Mordverdacht zu stehen. Auch wenn sie wieder Platz zwei der Charts erreichte, wurde die Platte gleichsam in der dünnen Luft zerrissen, in der sie entstanden war. „Der Wind hatte sich eben gedreht“, kommentiert Byrne, und nun blies er den Wunderkindern mitten ins Gesicht. Die zuvor begeisterte Presse schüttete kübelweise Spott über Starsailor aus. Die Krise gipfelte auf dem schottischen „T In The Park“-Festival in einer Rangelei zwischen James Walsh und den streitlustigen Oasis-Brüdern, weil Noel Gallagher ihn öffentlich einen „Schwanz“ geschimpft hatte. „Meine Nerven lagen ein wenig blank“, murmelt Walsh.

Ein kleines Wunder, daß der Zusammenhalt in der Gruppe unter dem Druck noch wuchs, anstatt zu zerbröseln. „On The Outside“ ist das direkte Ergebnis dieser schwierigen Phase“, sagt Walsh. „Im April kamen wir mit 50 Songskizzen in Los Angeles an, im Mai war das Album dann im Kasten.“ Byrne: „Diesmal wollten wir es möglichst reduziert im Klang, ohne viel Schnickschnack. Eine Gitarre sollte klingen wie eine Gitarre, wie bei The Who, einfach rauh und echt. “ Für den Sound wurde deshalb Rob Schnapf engagiert, der schon bei The Vines und Elliott Smith an den Reglern saß. Byrne und Walsh jedenfalls sind vom Ergebnis begeistert. Walsh freut sich über die musikalische Annäherung an Vorbilder wie Neil Young, Tim Buckley oder auch Van Morrison: „Wir haben uns… konsolidiert? Sagt man das so?“ „Es gab aber auch andere Einflüsse“, grinst Byrne: „Im Studio nebenan arbeiteten die Queens Of The Stone Age…“, sagt er, bevor ihn sein Handy mit einem plättenden Klingelton unterbricht: „Cold As Ice“ von Foreigner. Byrne geht nicht ran. www.starsailor.net