Kaiser Chiefs: Wer nicht mitmacht, bekommt was ab!
Die Kaiser Chiefs spielten in den letzten Bruchbuden und wurden mit Steinen beworfen. Jetzt füllen sie die größten Hallen.
Der Weckruf erreicht Ricky Wilson zur Mittagszeit, trotzdem gähnt der Sänger der Kaiser Chiefs herzhaft in die Hörmuschel. In seinem Glasgower Hotelzimmer ist er noch mit den körperlichen Folgen des sonntäglichen „Ruhetags“ der Band beschäftigt: Radiointerviews, Auftritte in Großplattenläden, ausgiebige Feier an der Hotelbar. „Ich will mich aber überhaupt nicht beklagen. Für uns läuft es momentan blendend, das war ja nicht immer so“, murmelt Wilson. Das kann er ruhig laut sagen.
Vor vier Jahren nannten er und seine vier Mitstreiter bei den Kaiser Chiefs sich noch Parva. Es erschien eine Single („Heavy“) bei Mantra Recordings, doch die Indie-Plattenfirma war ob der zerstörerischen Energie der Band rasch eingeschüchtert. Wilsons Welt schien seinerzeit einzig und allein von Gedanken an Aufruhr, Selbstzerstörung und Panikattacken bestimmt. „Unser Problem war, daß wir uns zu lange an dem orientierten, was gerade angesagt war. Erst imitierten wir Primal Scream, dann Nirvana, dann Radiohead. Schließlich kamen wir auf Garagenrock. Das war rückblickend betrachtet schon reichlich albern. Fünf Typen aus Leeds, die sich auffuhren, als kämen sie aus der Lower East Side? Das nimmt dir doch niemand ab.“ Bevor es mit Parva richtig losgehen konnte, war es schon wieder zu Ende.
Wilsons Bande, zu der Keyboarder Nick „Peanut“ Baines, Bassist Simon Rix, Gitarrist Steve „Whitey“ White und Schlagzeuger/Songschreiber Nick Hodgson gehören, zog sich ins stille Kämmerlein zurück und grübelte über die Zukunft.
Erst einmal ging nichts mehr, wie sich herausstellte. Die Band schloß das Parva-Kapitel endgültig ab und entschied sich für einen radikalen Neuanfang. Alle existierenden Songs verschwanden im Mülleimer, neue Ideen entstanden u.a. im nicht sehr facettenreichen Nachtleben von Leeds. „Die meisten Leute bei uns haben am Wochenende nur eines im Sinn: Sie wollen sich betrinken und schnellstmöglich mit einer Frau ins Bett steigen. Wenn diese Typen bis zwei Uhr morgens bei ihrer Freiwildjagd keinen Erfolg haben, werden sie zu Rowdys, die alles zusammenschlagen. Das passiert ständig, man könntees einen institutionalisierten Hang zum Krawall nennen. Jeder, der nicht mitmacht, bekommt etwas ab.“ Aus dieser Beobachtung entwickelte sich der Stoff für „I Predict A Riot“, die letzten November veröffentlichte zweite Single der Kaiser Chiefs. An ihr erkennt man den entscheidenden Unterschied zu dem, was die fünf Musiker vorher probiert haben. Nichts von dem, worüber Wilson heute in den Songs berichtet, wirkt bemüht oder artifiziell. Alles erscheint wie aus dem Leben gegriffen.
Der Erfolg kann sich jetzt schon sehen lassen. Auf der Insel erreicht die Medienhysterie um die Kaiser Chiefs wöchentlich neue Rekordwerte. „Ich finde es unglaublich amüsant, was im Augenblick mit uns passiert. Früher mußten wir in den letzten Bruchbuden spielen, wenn wir einen Gig haben wollten. Jetzt liegen schon Auftritte in der Brixton Academy (mit den Killers und Bloc Party) und der Royal Albert Hall (mit Franz Ferdinand) hinter uns. Dieselben Typen, die uns in Leeds früher mit Steinen beworfen haben, kommen jetzt daher und wollen Autogramme von uns haben.“ Natürlich erkennt Wilson auch die Vorteile des Ganzen. Heute müsse man sich als britische Band generell nicht mehr verstecken. Nicht nur das, man kommt als solche kaum noch zur Ruhe. Das merkt der Sänger nicht zuletzt an seinem Terminplan, den ihm die Plattenfirma vor kurzem überreicht hat. Darin sind für September die ersten fünf freien Tage des Jahres vermerkt – gedacht für Aufnahmen zum zweiten Album. Für Müdigkeit bleibt da kein Platz.
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