Josh Homme im Interview: „Ich will High-School-Kids in ihrer Rebellion bestärken und ihr Bösewicht sein“
Er ist einer der letzten unangepassten Vertreter der modernen Rockmusik, kreiert seit drei Jahrzehnten eigenwillige, unkonventionelle Klänge, versucht sich an immer neuen Kooperationen und geht keiner Konfrontation aus dem Weg. Trotzdem ist Josh Homme, was er nie sein wollte: ein Rockstar, der Arenen füllt, hohe Charts-Positionen erreicht, und nun mit seinen Queens Of The Stone Age das siebte Album, VILLAINS, vorlegt.
Wie hast du dich mit deiner Musik über die Jahre verändert?
Ich erinnere mich noch daran, wie wir unser erstes Album veröffentlicht haben, das ein reines Underground-Ding war. Als es dann an RATED R ging, habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, einfach noch einmal das Debüt aufzunehmen, sondern wollte etwas ganz anderes machen. Etwas, das mich weiter bringt. Und ich weiß noch, wie mir Leute erzählt haben: „Du hast dich ja gewaltig verändert.“ Da dachte ich: Habt ihr wirklich geglaubt, dass ich noch einmal dasselbe mache?
Warum zum Henker sollte ich das tun? Um Teil einer Szene zu sein? Erstens: Szenen sind nicht cool.
Und zweitens: sind sie nicht das, worum es mir geht. Ich will nicht irgendeinem Club beitreten, dessen Mitglieder alle gleich sind. Mir geht es um den Soundtrack zu meinem Leben. Und der muss echt klingen. Ich bin kein tougher Typ. So will ich nicht rüberkommen. Ich kümmere mich intensiv um die Leute, die mir wichtig sind. Und ich kann sehr emotional sein.
Jetzt klingst du wie Mark Lanegan.
Er ist einer der Besten da draußen. Einer der fiesesten Typen, die ich kenne – und den ich wahnsinnig mag. Und du hast recht: Die letzten Male, die ich ihn getroffen habe, musste ich feststellen, dass er langsam weich wird. Das hätte ich nie von ihm erwartet! (lacht) Aber der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass Lanegan immer Schuldgefühle in sich trug. Das reflektieren auch die meisten seiner Alben. Sie klingen, als hätte er sich umgedreht und gefragt: „Gott, wie konnte ich das tun …?“ Vieles hat ihn innerlich zerfressen – über Jahre hinweg. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, weil ich dasselbe durchgemacht habe. Aber:
Ich bin Realist. Ich hege eine gesunde Verachtung gegenüber anderen Menschen. Und ich mag es nicht, wenn man mir Regularien und Gesetze auferlegt. Kommt mir also bloß nicht mit roten Ampeln!
Wie bitte?
Sie sind okay, um den Verkehr zu regeln. Nur nicht um drei Uhr morgens, wenn niemand auf der Straße ist. Dann finde ich sie unangebracht. Wer verlangt, auf so einen Schwachsinn wie rote Ampeln zu achten? Ich bin schon fünf Mal angehalten worden, habe aber nie einen Strafzettel bekommen. Weil die Cops, genau wie ich, einfach nur nach Hause wollten. Insofern sind solche Verkehrsregeln wie rote Ampeln in den frühen Morgenstunden blödsinnige Ideen, die niemand braucht. Das Einzige, was im Leben zählt, sind Liebe, Hoffnung, Freiheit und Songs, die etwas bedeuten – die mich reflektieren. Durch sie kann ich länger auf diesem Planeten sein als mein Körper an sich.
Du meinst Songs, die eine längere Halbwertszeit besitzen als du selbst?
Ja, und um zu verdeutlichen, was ich damit meine, habe ich folgendes Beispiel: Vor Kurzem war ich mit meiner Familie im Urlaub auf Roche Harbour, einer Insel oberhalb von Seattle. Da gibt es einen Wanderweg, der an einem alten Friedhof vorbeiführt. Dort befindet sich die Gedenkstätte einer reichen Familie aus dem frühen 20. Jahrhundert. Sie besteht aus einem gigantischen Tisch und acht Stühlen – allesamt aus Beton. Darunter sind die Familienmitglieder begraben, und umgeben ist das Ganze von römisch anmutenden Säulen, von denen eine zerbrochen ist. Was dafür stehen könnte, dass irgendetwas in der Familie schiefgelaufen ist. Dass der Bund zwischen den Mitgliedern zerbrochen ist. Als ich einen Einheimischen gefragt habe, was es damit auf sich hat, meinte er, das sei der Lieblingsort der lokalen High-School-Kids, die hier feiern, trinken, Sex haben oder einfach nur tiefe Gedanken entwickeln. Da wurde mir klar:
Scheiße, das ist es, wonach ich mein ganzes Leben gestrebt habe!
Denn auch ich habe eine Art Gedenkstätte gebaut – das Zeugnis meines Lebens. Und deshalb will ich diese High-School-Kids erreichen. Ich will sie in ihrer Rebellion bestärken und ihr Bösewicht sein, sie zu tiefgreifenden Gedanken verleiten und dazu, wilden Sex zu haben. Ich will, dass sie ihre Mobiltelefone wegwerfen und leben, als gäbe es kein Gestern und kein Morgen.
Demnach bist du auf einer Mission?
Ich bin auf einer Mission für mich selbst. Ich habe das Gefühl, dass ich brenne. Nicht, dass ich genau wüsste, was ich will, aber ich will es so schnell wie möglich erreichen. Und ich werde weitermachen, bis meine Lungen brennen. Es gibt nichts Schlimmeres, als seine Zeit zu verschwenden. Wie willst du Konzertpianist werden, wenn du nur faul rumhängst? Wenn du nichts mit dir und deiner Zeit anzufangen weißt? Deshalb liebe ich die Wüste, wo so viel Langeweile herrscht und es so wenig zu tun gibt, dass man zwangsläufig irgendwann sagt: Es reicht – ich muss etwas tun.