Johnny Cash
"Circus Krone", München
„Gebt’s ama a Ruh‘ da“, tönt es zwischen zwei Songs von der Tribüne. Der Gast im mittleren Alter nutzt die akustische Lücke im Münchner Krone-Bau, um die allzu begeisterten Stetson-Träger von störenden Beifallsbekundungen abzuhalten. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Denn „The Man in Black“ besticht das bunt gemischte Publikum allein schon durch seine bloße Präsenz. Vom biederen Bankangestellten bis zum schrillen Country-Punk schallt es „Yippie-yeah“. Scheinbar unbeeindruckt von all dem bewegt Johnny Cash sich mit der Würde eines Eider Cowboy. Was macht es da schon, daß Johnnys Haare inzwischen licht, seine Hüften rundlich sind. Wenn der 62jährige mit Klassikern wie „Ghost Riders In The Sky“ oder „A Boy Named Sue“ die eigene Vergangenheit beschwört, gibt’s kein Halten mehr in der schweißtriefenden Arena. Andächtige Ruhe kehrt erst wieder ein, als der hippe Western-Veteran die Songs seines aktuellen Albums („American Recordings“) interpretiert. Dann befindet sich der Mann mit dem schwarzen Outfit fest im Hier und Jetzt. Nur mit Westernklampfe ausgestattetet, grummelt Grandmaster Cash amerikanische Geschichten über die endlose Weite der Prärie und die Einsamkeit staubiger Highways. Dabei verleiht er Nick Lowes „Beast In Me“ und Cohens „Bird On A Wire“ mit kellertiefem Bariton eine düstere Melancholie – eine immer leicht traurige Wildwest-Stimmung, die nur noch durch Cashs klagende Mundharmonika gesteigert werden kann. Den unter den Lastern dieser Welt sichtbar leidenden Landmann aus den USA wird niemand im Zuschauerraum mit einem Virtuosen verwechseln. Aber auf der nach oben offenen Schrägheitsskala für Harmonikaspieler ist dem ältlichen Cowboy ein Ehrenplatz zwischen Dylan und Young so sicher wie kaum einem seiner Mitbewerber. Besonders heftiger Applaus brandet auf, als der Poet aus der US-Provinz vier Songklassiker zusammen mit Ehefrau June Carter bestreitet, darunter auch der Evergreen „Jackson“ mit der vielsagenden Textzeile „We Got Married In A Fever“. Spätestens hier wird deutlich, daß der berühmte „Ring of Fire“ zwischen den beiden auf der Bühne noch immer brennt.