John Lennon
Wir trafen uns, um über Yoko's Buch 'Grapefruit' zu reden und endeten in einer Diskussion über Jesus. Irgendwann, mittendrin, kam das Gespräch auf die Beatles...
KEIN VERSTÄNDNIS
Obwohl sie konstant im Rampenlicht stehen, haben John und Yoko das Gefühl, nie richtig verstanden zu werden. Yoko: „Von Natur aus bin ich ein Optimist, doch in letzter Zeit werde ich immer pessimistischer. Trotzdem werde ich mein Leben lang das tun, was ich für richtig befinde. John geht es ebenso. Die Leute haben nie kapiert, was er wirklich will“.
Yoko ist gespannt, wie die Leute auf ihr Buch ‚Grapefruit‘ reagieren werden. Die erste Auflage wurde bereits 1964 herausgegeben, das Buch enthält Gedichte die Yoko in der Zeit von 1952 bis Anfang der Sechziger Jahre geschrieben hat. „Früher schrieb ich die übliche Art von Gedichten: Surrealistik in ziemlich freiem Stil. Doch dann wurde ich dieser herkömmlichen Schreibweise überdrüssig. Ich setzte mich hin, begann alles um zuarbeiten und entwickelte dabei einen ganz neuen Stil. Danach fühlte ich mich sehr viel besser. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass meine Werke den Leuten nicht gefallen werden. Auch in dieser Beziehung stosse ich auf Unverständnis.“ John gibt ihr recht: „Wenige Künstler werden in ihrem Heimatdorf respektiert. Also gehen sie in die nächste Stadt. Dylan Thomas starb als Alkoholiker. Künstler sterben immer als Alkoholiker oder Drogensüchtige. Wie Jimi und Janis es ist einfach so, dass niemand sie versteht und sie sich schliesslich selbst töten. Ich weigere mich, das zu tun. Ich habe einen Ausweg gefunden: Lebe jeden Tag bewusst. Minute für Minute. Das ist die einzige Möglichkeit.“
EIN REVOLUTIONÄRER KÜNSTLER
Wir unterhalten uns über Politik und John betont, kein Politiker, sondern ein revolutionärer Künstler zu sein. Wahrscheinlich ist es wirklich die Tatsache, dass es eben ein Künstler ist, die den Beatle John vom John von Heute unterscheidet. („The dream is over what can I say…. yesterday I was the walrus…. but now l’m John“). Heute ist das Schreiben von Songs nur eine von vielen Ausdrucksmöglichkeiten, in denen er sich übt. Er macht Filme und Skulpturen und Yoko ist diejenige, die sein Talent dirigiert. Sie hat ihn mit vielen New Yorker Avantgarde-Künstlern zusammengebracht und diese Begegnungen haben seine Gedanken und seine Kunst geprägt. Seine Songs haben heute eine stark persönliche Aussage, doch wie er selbst sagt, war das auch schon zur Zeit der Beatles der Fall. „Erinnere dich doch an I’m A Loser“, ein Song, den ich für die vierte Beatles-LP schrieb.“ Bevor er Yoko traf schien er ein Philosoph auf der Suche nach einer Philosophie zu sein, ein Künstler auf der Suche nach einem Medium. Seine neuen Songs erklären die Philosophie, die er inzwischen gefunden hat mit Hilfe von Yoko.
JESUS-FREAKS SIND VERRÜCKT
John verlässt den Raum und kommt mit einer Zeitschrift zurück. Auf der Titelseite ist er selbst abgebildet, darunter ein offener Brief der Jesus People an Mr. Lennon. John: „Die haben Nerven! Ich glaube, das sind Verrückte. Sie brauchen jemanden, der auf sie aufpasst“.
Wurden nicht auch John und Yoko oft genug als ‚verrückt‘ bezeichnet?
„Du hast nach meiner Meinung gefragt und ich habe dir gesagt, was ich denke.“
Trotzdem. Noch vor ein paar Minuten hat er sich über Leute aufgeregt, die Vorurteile hegen. Sieh es nicht ganz so aus, als hätte er selbst welche?
„Ich glaube nicht, dass es sich hier um ein Vorurteil handelt. Ich finde einfach, dass das ganze Gequatsche von Jesus grosser Blödsinn ist. Es ist doch der grösste Witz, dass alle von einem imaginären Ding sprechen, das irgendwo im Himmel residiert, und unsere Wege lenkt…. Und die Märchen von Leben nach dem Tode, die nie bewiesen werden konnten. Genauso blödsinnig. Warum sollten wir Jesus folgen? Ich folge Yoko, ich folge mir selbst.“
John findet den Jesus-Kult genauso idiotisch, wie das, was er und die anderen Beatles früher gemacht haben, als sie den Maharishi suchten. „Es gibt eine ganz einfache Erklärung: Man sucht die Antwort, die angeblich so wichtig ist. In Wirklichkeit sucht man eine Art Super-Daddy. Warum? Weil wir als Kinder nicht genug Liebe empfangen haben.“