Joe Esposito über: Elvis


Am Tag, als der King Of Rock’n’Roll starb, war er sofort zur Stelle. Joe Esposito, mehr als 20 Jahre lang engster Vertrauter und Freund von Elvis Presley, bricht erstmals sein Schweigen Ai m 8. Januar 1995 wäre Elvis Presley 60 Jahre .alt geworden. Der größte Rock’n’Roller aller Zeiten, Elvis The Pelvis, der King wie auch immer man ihn nennen mag, Elvis Presley hat die populäre Musik seiner Zeit revolutioniert. Er eignete sich das an, was bis dahin schwarze Musik gewesen war, Blues und Rhythm & Blues , rührte ein wenig Country-Atmosphäre unter und hatte rund um den Globus einen Hit nach dem anderen: von ‚Heartbreak Hotel‘, ‚Hound Dog‘ und ‚Jailhouse Rock‘ in den soern bis zu ‚I Just Can’t Help Believing‘, ‚Burning Love‘ und ‚Always On My Mind‘ in den 7oern.

Als Presley in seiner Villa ‚Graceland‘ tot aufgefunden wurde, war es Joe Esposito, der versuchte, ihn wiederzubeleben. Seitdem ist oft versucht worden, den Gerüchtenebel um Elvis‘ Tod zu lüften (von Albert Goldmans Skandal-Biographie bis hin zu Schlagzeilen wie „Elvis auf dem Mond gesichtet“), und in fast jedem Buch taucht Esposito irgendwo auf. Er selbst jedoch schien immer entschlossen zu sein, seine Insider-Kenntnisse für sich zu behalten. Jetzt hat er sein Schweigen gebrochen – mit einem eigenen Buch über Elvis, Titel ‚Good Rockin‘ Tonight‘. Was hast du nach Elvis Presleys Tod so gemacht?

„Ich habe für eine Menge berühmter Leute gearbeitet: die Bee Gees, John Denver, die Carpenters, Michael Jackson… Ich habe seine ‚Victory‘-Tour mitorganisiert.“ Hat dich deine Zeit mit Elvis reich gemacht?

„Ja, reich an Erinnerungen! Finanziell eher nicht. Wir wurden in seinem Testament nicht bedacht, was verständlich war. Niemand hatte gedacht, daß Elvis so früh sterben würde.“ Warum hat es so lange gedauert, bis du dich dazu entschlossen hast, ‚Good Rockin‘ Tonight‘ zu schreiben?

“ Ich wollte eigentlich nie ein Buch schreiben. Nach Elvis‘ Tod schrieben sie alle Bücher, selbst Leute, die Elvis nie gekannt hatten ¿ Leute, die erzählten, sie wären immer für Elvis da gewesen und sich nicht einmal in seiner Nähe aufgehalten hatten. Solche Sachen machen mich wirklich wütend.

Vor etwa drei Jahren hatte ich gerade nichts zu tun, und meine Freunde drängten mich, endlich dieses Buch zu schreiben, und schließlich gab ich nach, weil ich das Gefühl hatte, nach dem Buch von Earl Greenwood wollte ich die Geschichte mal aus meiner Sicht erzählen; so wie es Greenwood und all die anderen, die diese 17 Jahre nicht dabei waren, gar nicht können.“

Es ist aufschlußreich zu lesen, wie Elvis für Dinge, an denen ihm etwas lag, wieder in Form zu kommen versuchte, und sich danach, wenn die Herausforderung nicht mehr da war, wieder völlig gehen ließ. Es muß schwer sein, das mit angesehen zu haben.

„Ja natürlich, es war sehr hart dazusitzen und das mitzuerleben, aber wir hatten immer die Hoffnung, daß er irgendwann aufwachen und sagen würde, ‚Hey, was mache ich eigentlich mit mir? Ich muß mich wieder auf Vordermann bringen.‘ Das konnte er nämlich, wenn er wollte. Wenn er wirklich fest entschlossen gewesen wäre, hätte er es schaffen können. Aber er war es nicht, und irgendwann spielte sein Herz nicht mehr mit.“

Warum hast du ihn nicht vor sich selbst gerettet?

„Ich weiß nicht, wie oft man mich das schon gefragt hat. Man kann einen damals 42 Jahre alten Mann nicht vor sich selbst retten. Elvis war nun einmal ein Dickschädel. Alle in seiner Umgebung haben es versucht, und nach seinem Tod sagten wir natürlich alle, ‚Mensch, hätten wir es bloß noch mehr versucht.

Aber das sagt sich leicht rückblickend. Wir haben jedenfalls unser Bestes getan. Wir konnten ihn nicht ändern. Er wurde oft wütend und sagte, „Hey, wenn euch nicht paßt, was hier abgeht, dann könnt ihr sofort gehen, hier trägt keiner Ketten.‘ So war er eben. Wir konnten nichts machen. Leute, die Elvis nicht kannten, können das nicht verstehen. Wir kannten ihn, und wir haben es versucht. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Niemand saß da und schaute zu, wie er sich kaputtmachte, ohne den Versuch, ihm zu helfen.

Heute werden die Leute oft gezwungen, etwas zu tun. Warum habt ihr ihn nicht entführt und in ein Krankenhaus gebracht? „Weil das vor 17 Jahren nicht erlaubt war. Sein Vater war damals die einzige Person, die legal etwas derartiges mit ihm hätte anstellen können. Das war das Problem. Sein Vater hat es versucht. Er hätte sich ein wenig mehr anstrengen können, klar, aber wir konnten das nicht beeinflussen. Wenn wir ihn hätten entführen wollen, wären wir im Knast gelandet. Heute ist das vielleicht möglich, obwohl ich noch nicht gehört habe, daß jemand das mit einer berühmten Persönlichkeit versucht hat…“

Eric Claptons Freunde haben nicht lange gezögert und genau das gemacht.

„Wirklich? Nun, wie gesagt, jetzt läßt sich gut darüber spekulieren. Wenn dir jemand dein Haus ausräumt, kannst du hinterher auch lange darüber grübeln, was wohl gewesen wäre, wenn du vorher eine Alarmanlage hättest einbauen lassen. Es ist absolut hart, und wir alle müssen mit dieser Tatsache nun mal leben, jeden Tag. Wir alle wünschen uns doch noch immer, mehr getan zu haben.“

Du warst seinerzeit dabei, als Elvis starb. Ist es wahr, daß er bei seiner exzessiven Lebensweise noch Glück hatte, überhaupt so alt zu werden?

„Er nahm nicht so viel, wie man oft in den Zeitungen liest. Elvis hatte eine gute Konstitution, und er war einer von denen, die zwei Schlaftabletten nehmen und dann nochmal zwei, weil die ersten beiden nicht wirken. Und so machte er es mit allen Arzneimitteln. Viele wirkten irgendwann nicht mehr, und dann mußte er wieder mehr nehmen. Mehr, um schlafen zu können. Mehr, um sich gut zu fühlen. Und allmählich wurde es zu viel. Aber man sollte nicht vergessen, daß in dem kürzlich veröffentlichten Autopsie-Bericht zu lesen war, er wäre nicht an einer Überdosis gestorben.“

Das kann doch wohl nicht die ganze Wahrheit sein?

„Natürlich hat das Zeug zu seiner Herzkrankheit beigetragen. Ich sage auch nicht, daß es irgendwie gesund gewesen wäre. Aber man darf nicht vergessen, daß er an einer Herzkrankheit gestorben ist. Er hat eine Menge Pillen geschluckt, aber an einer Überdosis gestorben, wie die Leute immer behaupten, das ist er nicht. Sein Herz hat einfach nicht mehr mitgemacht.“

Was passierte denn in jener Nacht?

„Seine Freundin Ginger Alden rief uns nach oben, und wir gingen ins Badezimmer und fanden ihn auf dem Fußboden. Als ich ihn anfaßte, wußte ich, daß er schon eine Weile tot war. Ich schnappte mir sofort das Telefon und sagte der Vermittlung, sie sollten sofort einen Krankenwagen rufen. Dann kam sein Vater nach oben und die kleine Lisa stand an der Tür, und ich sagte zu Ginger, sie solle sie wegbringen. Ich versuchte es mit Herzmassage, weil ich ihn nicht beatmen konnte, sein Mund ließ sich einfach nicht öffnen. Ich rollte ihn auf den Rücken und mühte mich ab, bis der Krankenwagen eintraf, und als die beiden Sanitäter und der Notarzt kamen, trugen Charlie (Hodge) und ich ihn nach unten. Wir fuhren mit ihm ins Krankenhaus, in die Ambulanz. Sie brachten ihn ganz schnell ins Notfallzimmer. Wir wurden in ein Büro eskortiert. Dort warteten wir. Mir erschien es wie eine Ewigkeit, aber es waren nur etwa 30 Minuten, und dann kamen sie und teilte uns mit, daß er es nicht mehr geschafft habe.“

Was geht in diesem Augenblick in einem vor?

„Natürlich betet man, daß doch noch alles in Ordnung geht, aber ich wußte, daß es vorbei war. Er war schon zu lange tot gewesen. Der Körper war nicht einmal mehr warm. Die Totenstarre hatte schon eingesetzt. Aber irgendwie ist da immer noch ein Funke Hoffnung. Ich kann nicht genau erklären, was damals in mir vorging. Es war schwer genug, mich überhaupt an diese schreckliche Nacht zu erinnern.

Ich dachte nur daran, was wir als nächstes machen sollten. Nachdem sie uns mitgeteilt hatten, daß er nicht mehr am Leben sei, wachte ich innerlich auf und sagte mir, ‚OK, dies ist Elvis‘ letzte Vorstellung, wir müssen dafür sorgen, daß sie gut abläuft.‘ Ich fuhr zurück zum Haus, setzte mich mit seinem Vater zusammen und besprach die Einzelheiten der Beerdigung. Ich fing einfach an zu organisieren.“

Könnte er denn noch am Leben sein, wenn seine Ex-Freundin Linda Thompson, die, so sagt man, immer nur mit einem Auge schlief, bei ihm gewesen wäre?

„Das läßt sich natürlich im nachhinein nur schwer entscheiden, aber ich denke, ja. Ginger kannte sich nicht aus. Sie war noch sehr jung und unreif, hatte noch nicht viel vom Leben mitgekriegt. Es hätte wohl anders laufen können, aber Linda war nun mal nicht anwesend.“

Man kann es ihr wohl letztlich nicht verübeln, daß sie ihm den Laufpaß gab?

„Nein, ich werfe Linda überhaupt nichts vor. Sie war eine prima Frau. Immer gut gelaunt und sehr besorgt um Elvis. Sein Leben war nichts für jemanden wie sie. Elvis hatte in den letzten Jahren seines Lebens eine Menge Probleme. Älter zu werden war nicht leicht für ihn. Er wußte nicht, was in den nächsten zehn Jahren sein würde, ob er noch singen und ob ihn die Leute noch mögen würden. All das machte ihm zu schaffen, wie vielen Stars. Aber Linda war das zu wenig und deshalb ging sie.“

Du gehst in deinem Buch sehr schonend mit Elvis‘ Manager Colonel Parker um, dem es immer mehr um Kohle als um Kunst zu gehen schien. Es ist bezeichnend, daß er die Rolle in dem Film ‚A Star Is Born‘ mit Barbara Streisand ablehnte, die Elvis‘ Karriere und Leben hätte ändern können?

„Elvis lehnte die Rolle ab, nicht der Colonel. Ich war dabei, als die beiden sich mit Barbra Streisand und Jon Peters trafen. Die Idee als solche war fantastisch: ein Film über einen Rock’n’Roll-Sänger, das paßte genau. Als sich Elvis die Sache später überlegte, hatte er aber doch Bedenken. Er wollte nicht, daß Jon Peters Regie führte, weil der nur ein Friseur aus Beverly Hills und Barbaras damaliger Freund war. Und es wurde ihm klar, daß Barbara eine sehr starke Persönlichkeit ist. Ihr Ego war mindestens so groß wie seines, und sie wollte, daß ihr Name am an vorderster Stelle stand.

Elvis und der Colonel besprachen die Sache, und Elvis machte ihm klar, daß er der Star des Films sein wollte. Er hätte bei diesem Projekt nicht die Kontrolle gehabt, und das war etwas, auf das er partout nicht verzichten wollte. Also sagte er dem Colonel, er solle den beiden ein indiskutables Angebot machen.“

In diesem Punkt räumst du also mit einer Legende auf?

„Die Leute vergessen, daß Elvis und der Colonel ein Team waren. Elvis war nicht sehr pflegeleicht, sondern konnte sehr stur sein. Wenn er sich gegen etwas entschieden hatte, konnte man es ihm nicht mehr schmackhaft machen, egal wie viel Mühe man darauf verwendete. Mit den Drogen war es nicht anders. Wir haben es alle versucht, aber er wollte einfach nicht auf uns hören. Er machte nur, was er wollte. Es sind immer die Leute, die nicht dabei waren, die anderen die Schuld geben. Elvis war ein Dickschädel, da führt kein Weg dran vorbei.“

Und warum konnte er nicht aus den Verträgen für diese furchtbaren Filme raus, in denen er zum Schluß spielte?

„Das war tatsächlich die Schuld des Colonels. Perfekt war er nicht, das behaupte ich auch gar nicht. Damals unterschrieb man gleich für vier, fünf oder sechs Filme. Heute gibt es sowas nicht mehr. Er unterschrieb den Vertrag und mußte ihn erfüllen. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Man konnte nicht einfach vertragsbrüchig werden. Die hätten ihn sofort vor Gericht gezerrt. Hollywood wurde damals von einer anderen Sorte von Leuten regiert, und wenn du einmal unterschrieben hattest, hatten sie dich in der Hand. Deshalb gab es auch nur wenige, die sich ein zweites Mal auf so einen Vertrag einließen.“

Gibt es etwas an Elvis Presley, von dem du dir besonders wünscht, daß es die Leute rückblickend besser verstehen?

„Sie sollen vor allem verstehen, daß Elvis nur ein Mensch war, wenn auch mit einem gottgegebenen Talent, das niemand außer ihm besaß. Er hatte Probleme wie jeder andere auch. Bei einer Pressekonferenz wurde er mal gefragt, wie weit Mensch und Image bei ihm übereinstimmten, und er meinte, die beiden seien völlig getrennt zu sehen. Der echte Elvis hatte mit dem Elvis auf der Bühne und dem im Film nichts zu tun. Er hatte Gefühle, genau wie du und ich. Wie würdest du dich fühlen, wenn dich auf einmal alle fertigmachen, weil du ein bißchen zugenommen hast? Plötzlich siehst du Schlagzeilen wie „Fett und 40″. Sowas tut jedem weh. Wir alle haben unseren Stolz. Manche stecken es besser weg. Elvis steckte es nicht weg. Er war ein naiver Junge aus einer armen Familie. Seine Mutter hatte ihn immer unter ihren Fittichen. Er war kein cleverer Junge, er wollte nur ein bißchen Spaß in seinem Leben haben und hat es dann einfach übertrieben.“