Joanna Newsom


Bis die Finger bluten: Entrückter und schöner wird der "neue Folk" nicht mehr.

„Du bist doch auch ein Hippie.“ Die Aussage des Bekannten bezieht sich hoffentlich nur auf die Tatsache, daß wir auf einem Joanna-Newsom-Konzert stehen. Und bei ihr kann man sich diesbezüglich nicht ganz sicher sein. Allein die Geschichte ihres selbstaufgenommenen Tapes, das bei Will Oldham und Cat Power landete, die sie dann mit auf Tour nahmen. Die Freundschaft mit dem wunderlichsten Vertreter des neuen Folk. Devendra Banhart. Dann natürlich ihr Instrument, die Harfe, auf der sie seit dem Alter von sieben keltische, venezolanische und senegalische Spieltechniken erlernte. Und dieses Kleid. Retro-modern, oder eben: Hippie. Aber hier geht’s um die Musik, lieber Bekannter. Und deren Intimität und Schönheit erzeugt von der ersten Note an andächtiges Schweigen. Joannas mitunter quäkende Stimme kann als den Anwesenden bekannt vorausgesetzt werden und erschreckt folglich niemanden. Und wenn sie in „Sadie“ mit kindlicher Verletzlichkeit die Zeilen „And all that I want, and all that I need and all that I’ve got is scattered like seed. And all that I knew is moving away from me“ singt, kann man innerlich nur tief seufzen. Vom völligen Abdriften ins Harfenmärchenwunderland rettet nur ihre freundlich-bestimmte Zurechtweisung eines Besuchers, der mitfilmen will. Auf dem Boden der Tatsachen wird dann feststellbar, daß ihre teilweise endlosen Wortkaskaden Bright-Eyes-Ausmaße annehmen und die improvisiert klingenden Teile mancher Songs Schwierigkeiten bei der völligen Hingabe bereiten. Aber keine Angst, wir sind hier nicht bei The Mars Volta. Bei „The Book Of Right-On“ klingen die tiefen Harfentöne warm und schmeichelnd wie ein Kontrabaß, fast klassisch. Apropos klassisch: Bei einigen Songs kommt Newsoms Uraltfreundin Arielle Daly auf die Bühne und spielt Querflöte. Wobei „This Side Of The Blue“, das auf ihrem Debütalbum THE MILKEYED MENDER von Wurlitzer und Pedal Steel vorgetragen wird, in diesem neuen Gewand ein bißchen an Schönheit verliert. Insgesamt ist das jedoch überflüssige Mäkelei, Newsom spielt – laut eigener Ansage- bis ihre Finger bluten. Und unsere Herzen.

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