Jimi Hendrix – First Rays Of The New Rising Sun
Es sollte der Beginn einer neuen musikalischen Ära werden. Doch der Tod verhinderte die Fertigstellung des letzten Hendrix-Albums.
In Zeiten, in denen die Verteilung von Musik nur noch nach marktstrategischen Parametern erfolgt, mag es altmodisch anmuten: Es hat tatsächlich einmal Musiker gegeben, die ihre vornehmste Aufgabe darin sahen, Musik zu machen; die getrieben zwischen Aufnahmestudio und Konzertbühne in relativ kurzer Zeit einen musikalischen Output produzierten, der heute quantitativ und qualitativ für ganze Karrieren inklusive späterer Wiedervereinigungen reichen würde. Jimi Hendrix war so einer. Seine Karriere – wahrscheinlich eine der nachhaltigsten in Rock – hat sich in nicht einmal vier Jahren entfaltet: von Dezember 1966, als die erste Single „Hey Joe“ veröffentlicht wurde, bis zum 18. September 1970, dem Tag, an dem Hendrix mit 27 Jahren in London nach dem Konsum von Alkohol und Schlaftabletten an seinem Erbrochenen erstickte. Ab Sommer 1970 arbeitete Hendrix mit Billy Cox (Bass), Mitch Mitchell (Schlagzeug), Percussionist Juma Sultan und Toningenieur Eddie Kramer in seinen „Electric Lady Studios“ in Greenwich Village in New York am Nachfolger des 1968er-Albums Electric Ladyland. Arbeitstitel: „First Rays Of The New Rising Sun“, oder „Strate Ahead“, wie ein von Hendrix handgeschriebenes Tracklisting belegt. Bei den Aufnahmen, die immer wieder durch Konzerte und Festivalauftritte unterbrochen wurden, entstanden zwei Dutzend Songs, denen nur noch der Endmix fehlte. Hendrix wollte sie Anfang 1971 als Doppel-LP veröffentlichen. Es sollte der Beginn einer neuen musikalischen Ära werden: die Kurskorrektur zu einer „schwärzeren“, mehr Funk- und R’n’B-orientierten Musik, die er vorher schon mit der Band Of Gypsys angedeutet hatte. Relikte & Rekonstruktionen: Kurze Zeit nach seinem Tod begann die beispiellose Ausschlachtung von Backkatalog und unveröffentlichten Aufnahmen des Gitarristen. Die beiden 1971er-LPs the Cry Of Love und Rainbow Bridge sowie das 1972er-Album war Heroes enthielten den größten Teil der Songs der 1970er-Sessions. Ende der 90er Jahre übernahm die Hendrix-Familie die Kontrolle über sein Werk. Im April 1997 erschien die Compilation First Rays Of The New Rising Sun im fürchterlichen Esoterik-Cover, die 17 Songs aus den Sessions enthielt. Keiner dieser Rekonstruktionsversuche kann die Frage beantworten, wie das Album klingen würde, wenn Jimi Hendrix es fertig gestellt hätte.