Jim Morrsion: Jim Morrison & The Doors


Auf der Bühne ist es unheimlich ruhig, die Band hat ihren Auftritt mitten im Stück unterbrochen, nur der Organist steht noch an seinem Instrument, drückt ein paar Tasten und spielt eine sich ständig wiederholende Bassfigur. Die paar Töne haben etwas Hypnotisches. Im Saal verstummen die Schreie, als sich der Sänger der Gruppe an den Bühnenrand vortastet. Er greift nach dem Mikrofon, nimmt es vom Ständer… er murmelt Unverständliches, bewegt sich mit lauernd-verhaltenem Schritt weiter nach vorn, sein muskulöser, in glänzend schwarzes Leder gekleideter Körper wird von den Rampenlichtern in düsteres Purpurlicht getaucht. Geschmeidig wie eine Pantherkatze bewegt er sich erst nach rechts, dann nach links… er gibt den Musikern einen Wink, die Gitarre spielt ein paar Akkorde. Sprechgesang: „I hear a very gentle sound…“ Das Publikum wird wieder unruhiger, „Ssssssh“, der Sänger hebt den Finger an den Mund, plötzlich bäumt er sich auf, wie von einer Kugel getroffen, und brüllt: „We want the world, and we want it (Trommelwirbel) nooooowwwwwww“ – das war’s. Ein ohrenbetäubender Lärm erhebt sich im Saal, aber das Konzert ist gerettet, das Publikum zufrieden, die Show kann weitergehen. Die Gruppe hat’s mal wieder geschafft. —

Die Gruppe, das sind die Doors, ihr Sänger im schwarzen Lederdress Jim Morrison. Seit fünf Jahren ist er tot. Wer den Plattenmitschnitt „Doors: Absolutely Live“ besitzt, kann die oben beschriebene Szene akustisch nachvollziehen. Das Stück heißt „When The Music’s Over“. Die Musik ist schon lange verklungen, die Jahre, die ins Land gezogen sind, haben viel verändert, in Amerika und auch hier. Die Doors waren eine „psychedelische“, eine „Underground“-Band. Der Underground, jene düstere Bewegung, die der jauchzenden Glückseligkeit der Blumensommer (1966/67) nachfolgte, ist verschwunden. Underground: Früchte des Zorns und der Drogenhölle. Aber auch: politisches Engagement, in dessen Schoß die Anarchie nistete. Die Forderung nach absoluter Freiheit: „We want the world and we want it now“

Jim Morrison ist der „Durchbruch zur anderen Seite“ nicht gelungen. Sein Weg führte hinein in Verzweiflung, Sarkasmus und schließlich in den viel zu frühen Tod. Die Doors waren die Stimme einer aufrührerischen Generation, die Ende der 60er Jahre das Feuer der Revolution aus den Universitäten in die Straßen trug. Paris, Prag, Mexico City, Chicago, Tokio, Berlin. Die Revolution ist gescheitert, im Sande verlaufen. Ihre Anhänger sind bis auf wenige aufgerieben. Angepaßt, von staatlichen Kommissionen „eines besseren belehrt, im Gefängnis oder tot. Die Musik des Aufruhrs, die Doors, Janis Joplin, Jimi Hendrix hört man kaum noch, zumindest nicht „öffentlich“. Die Popmusik ist sanfter, „privater“ oder einfach oberflächlicher geworden. Das „große Schweigen“ (Carl v. Ossietzky) hat begonnen…

Das gutbürgerlche Heim

James (Jim) Douglas Morrison wurde am 8. Dezember 1943 in Melbourne, Florida geboren. Er starb am 3. Juli 1971 in Paris. Er hatte zwei jüngere Geschwister, einen Bruder, Andy, und eine Schwester, Anne. Sein Vater war Konteradmiral der US-Marine und später Berater für taktische Fragen des Seekriegs im US-Verteidigungsministerium, dem Pentagon, in Waärington D.C. Jims Mutter, Hausfrau, war, da der Admiral sich häufig auf Dienstreise befand, für die Erziehung der Kinder zuständig. Es ist wahrscheinlich, daß sie den beiden Jüngeren mehr Zeit widmete als ihrem Erstgeborenen Jim. Ein pädagogischer Fehler, der von Jim meist mit Aufsässigkeit und Einzelgängertum quittiert wurde. Jim Morrison war, so wissen wir von seinem Bruder Andy, ein schwieriger Junge, der sich mit seinen Geschwistern und Kameraden schlecht verstand und in der Schule als Trotzkopf und Störer galt. In den Zeugnissen bemängelten die Lehrer seine Disziplinlosigkeit, attestierten aber andererseits überdurchschnittliche Intelligenz und ein phänomenales Gedächtnis.

Nachdem die Familie nach Alexandria im US-Staat Virginia (wo Jim ab 1961 an der George Washington University studierte), kümmerte sich der Vater mehr als zuvor um den Halbwüchsigen. Er versuchte ihm klar zu machen, daß bei den Morrisons Manneszucht und Ordnung immer viel gegolten hatten. Er wollte ihn auf die Kadettenschule nach Newport News (Va.) schicken und ihm eine Karriere in der Marine ebnen. Die Kadettenschulen für Offiziersanwärter der U.S. Navy gelten den Amerikanern als Inbegriff von Sauberkeit, Disziplin und Vaterlandsliebe. Die Ausbildung der jungen Männer ist hart, häufig sadistische Menschenschinderei.

Vor einem Soldatendasein schauderte es Jim, es war unvereinbar mit seiner Weltanschauung, die sich durch eifriges Literaturstudium längst vom engstirnigen Wertsystem seiner Eltern entfernt hatte. Er machte dem Vater Vorwürfe wegen seiner militärischen Tätigkeit. Es kam über diese Frage zum Bruch zwischen Vater und Sohn. Jim verließ das Elternhaus und zog nach Florida zurück, wo er erst am Junior College in St. Petersburg und danach an der Florida State University studierte.

Da die Eltern im folgenden nicht mehr erwähnt werden, der Vollständigkeit halber noch ein paar Informationen zum weiteren „Familienleben“. Die Eltern unterstützten ihren Sohn finanziell noch, bis er sein Studium in Los Angeles beendete. Da sich die Karriere der Doors ziemlich unmittelbar an das Studium anschloß (und die Kohle sehr bald rollte), ist sicher, daß Jim Morrison in seinem ganzen Leben keine materielle Not litt. Nachdem die erste LP der Doors erschien (und die Skandale begannen), war Jim’s Name in der Familie tabu. Aus einer nicht ganz sicheren Quelle verlautete, daß Jim’s Mutter die erste Platte der Doors (d.h. die ersten Stücke der ersten Seite „ganz gut fand“ und sie in Anwesenheit ihres Mannes auflegte. Der Vater las, während sie zustimmend mit dem Fuß wippte, demonstrativ Zeitung. Als das Stück „The End“ erklang, erstarrte die Mutter bei den Worten: „Father, I want to kill you, mother, I want to…“ Die Zeitung des Vaters begann zu zittern, das setzte sich fort, bis das Stück zuende war. Gesprochen wurde nicht darüber. Die Platte landete im Mülleimer.

Die „Türen“ gehen auf

Es war ein Sommertag im Jahr 1965, als Jim Morrison zufällig seinen Kommilitonen Ray Manzarek am Strand des Urlauber- und Badestädtchens Venice Beach traf. Sie waren sich in der Uni mehrere Male über den Weg gelaufen. Beide besuchten die Filmklasse. Morrison hatte einige Gedichte zu Papier gebracht. Die füllen nun gemeinsam mit eigenen Aphorismen und aufgeschnappten Zitaten mehrere Tagebücher. Ein weiteres Gedicht ging ihm an diesem Sommertag durch den Kopf: „Come on baby, gonna take a little ride/going down by the ocean side/gonna get real close/get real tight/baby gonna drown tonight“. Ray war erstaunt. Diese Mischung aus Sex und Todessehnsucht! Er selber war schon lange auf der Suche nach guten „lyrics“ für seine Band „Rick and the Ravens“. Diese Band bestand aus Ray (Gesang) und seinen Brüdern Rick (Piano) und Jim (Gitarre), spielte überwiegend Bluesstandards wie „Money“, „Louie Louie“ oder „Hoochie Coochie Man“ und trat bei Studentenfeten in und um Los Angeles auf. Aber gehen wir zurück zum Strand von Venice: Der Poet (der nie ein Instrument erlernte) und der Bluessänger, der lieber wieder Klavier oder Orgel spielen wollte. „Come on baby…“, diesmal sang Jim seinem Freund die Verse vor. Seine rauhe Stimme gab den ohnehin schon mysteriösen Zeilen einen fesselnden Reiz. Ray’s Entscheidung stand fest: Jim war der bessere Sänger für seine Band. Er stellte Jim seinen Brüdern vor, und binnen weniger Monate wurden aus den Gedichten, die Jim zuhauf mit zu den Sessions brachte, annehmbare, Rhythm&Blues-orientierte Songs. „Moonlight Drive“, „End Of The Night“, das aufrüttelnde „Break On Thru“ und das melancholische „When The Summer’s Gone“ wurden zu Höhepunkten der ersten „gigs“, die die Gruppe in Studentenkneipen von L.A. und Santa Barbara gab. Anders als bei den meisten Gruppen dauerte die Tingelei nicht lange: Schon im September des gleichen Jahres wurde eine LP für das „Auro-Label“ eingespielt. Die vormalige Gruppe „Rick And The Ravens“ hatte sich inzwischen auch einen seriöseren Namen ausgesucht, der besser zu Morrisons Gedichten paßte: „Doors“. Der Begriff entstammte einem Text des englischen Romantikers (Poet, Maler und Komponist) William Blake (1757 – 1827): „There are things that are known and there are things that are unknown; in between there are doors“. Andere Quellen nennen als Ursprung des Namens ein Buch von Aldous Huxley (1894 – 1963): „Doors of Perception“ („Pforten der Wahrnehmung“). Die „Türen“ zum Unterbewußtsein sollten also aufgestoßen werden, denn natürlich standen auch die Doors zu dieser Zeit häufig unter „bewußtseinserweiternden“, d.h. „psychedelischen“ Dorgen wie Mescalin, LSD oder Methedrin.

Nachdem sich aber die Brüder Manzarek aus ungeklärten Gründen in die Haare gerieten, löste sich die erste Formation im Winter ’65 wieder auf. Mit den anderen ging auch eine unbekannt gebliebene Baßgitarristin, die den Doors bei den Aufnahmen zu ihrer ersten LP assistiert hatte. (Diese Platte wurde übrigens nie veröffentlicht, und der Baß sollte auch in Zukunft ein Problem für die Gruppe bleiben.) Jim und Ray blieben indessen nicht lange allein. Ray setzte sich mit einem Bekannten in Verbindung, den er von Meditationskursen des Maharishi Mahesh her kannte. (Man erinnert sich: Indien mit seinen tausend Gurus war damals ganz groß „in“ und „Transzendentale Meditation“ der letzte Schrei.) John Densmore, geb. 1.12.44 in L.A., so hieß der Jünger des Gurus, hatte zuvor bei einigen Jazzbands getrommelt, und obwohl er bei den ausgeflippten Lyrics Jim Morrisons kein gutes Gefühl hatte, stieg er bei den Doors mit ein. Ein weiterer Meditationsanhänger war Robbie Krieger (geb. 1.8.46), Gitarrenspieler und versiert in allen Stilrichtungen von Klassik über Flamenco und Jazz bis zur Delta-Bluesmusik und originalem Rock’n’Roll.

Die Truppe war also endgültig beisammen: Ray, der Älteste, stiller Typ: hochgewachsen mit blonden, langen Haaren und kantigem Kinn. John: braunäugig und dunkelhaarig mit schwarzem Schnauzbart. Ein fröhlicher Mensch, optimistisch und gutaussehend: ein Mädchentyp. Robbie: eher intellektuell, mit krausem, etwas schütterem Haar, schwierig und hintergründig. Robbie hatte übrigens auch studiert, und zwar Psychologie und Physik. Ebenso Densmore: Er war nach einem „Querfeldeinstudium“ an verschiedenen Unis in Kalifornien bei der Anthropologie gelandet. Und Jim? Er war und blieb die rätselhafteste Figur in diesem Studentenquartett The Doors. Privat war er verschlossen, selten zu einem Gespräch bereit. Und wenn, dann murmelte er höchstens ein paar schwerverständliche Sätze mit heiserer Stimme vor sich hin. Aber auf der Bühne! Vor einem Publikum! Da bekamen seine Züge, die manche Kritiker nach den ersten Auftritten der Doors mit dem Gesicht eines „gefallenen Raffael-Engels“ verglichen, etwas Dämonisches. Sein Dialog mit dem Publikum war häufig herausfordernd, manchmal aggressiv. Jim wußte selber nicht, woher es kam: „Wir traten immer nur mit der frommen Absicht auf, Musik zu machen, aber auf der Bühne war es dann immer ganz etwas anderes…“ hieß es später in einem Interview. In der Tat: Die Amerikaner sollten in den nächsten Jahren Rock-Konzerte erleben, die an den Grundregeln puritanischer Moral rüttelten…

Der Senkrechtstart

Im „London Fog“, einem ehemaligen Lokal an Hollywoods legendärem „Sunset Strip“, versammelten sich Abend für Abend mehr Gäste, um die neue Gruppe „Doors“ zu hören. Es war Anfang ’66, und die vier Musiker wurden von Tag zu Tag besser. Viele Kommilitonen kamen von der UCLA, um „ihre“ Band zu hören. In dieser eher intimen Atmosphäre wurde die Band ermutigt, neben alten Rock’n’Rollund Blues-Hits wie „Gloria“ und „Why Do You Love“ auch ihre neueren Eigenkompositionen vorzustellen. Die Nachbarschaft von Striplokalen und Tingeltangelbuden forderte andererseits Jim heraus, „mehr“ zu geben: Er entwickelte seine typische Bühnenschau. In hautenge, schwarze Lederjeans gekleidet, wand er sich wie eine Schlange um den Mikrophonständer. Bedrohte durch plötzliches Vorwärtsschnellen die Leute in der ersten Reihe. Er verstummte mitten in einem Lied, drehte sich um… brüllte plötzlich wie am Spieß, während in seinen Augen der Wahnsinn zu glitzern schien.

Vieles war Mache.Doch wenn er die düsteren Texte seiner Lieder auf der Bühne frei abwandelte, zu häufig dissonanten Improvisationen der Musiker im Sprechgesang apokalyptische Visionen schilderte, machte sich Unbehagen, ja Angst breit. Für Literaturstudenten mochten ja diese poetischen Alpträume noch ganz erträglich sein, für das gemischte Publikum von der Straße waren sie es nicht. Viele reagierten verstört, manche angewidert, andere aber waren fasziniert und hielten Morrison für einen Propheten, nur daß er nicht wie Johannes der Täufer im härenen Gewand erschien, sondern in Hosen, die so eng waren, daß man „alles“ sieht. Die geballte Ladung Sex, die Morrison mit ins Spiel brachte (es war nicht nur die Kleidung, auch die Gebärden waren eindeutig), gefiel vor allem den Typen nicht, die ihre Mädchen mit in den Club brachten.

Es war schon so wie in dem alten Willie Dixon-Stück, welches die Doors allabendlich spielten: „The men don’t know, but the little girls understand, I’m the backdoor man“.

Aber auch „wenn die kleinen Mädchen wissen, was gemeint ist“, die Geschäftsführung des „London Fog“ feuerte die Band nach ein paar Wochen, weil sie zuviel „mieses Volk“ anzog. Die Doors, so stellte sich bald heraus, waren wie diese Stadt Los Angeles: verrückt, degeneriert, voller Verachtung für alle Ordnung, sie suchten ihr Heil (zumindest schien es so) im Chaos. Und natürlich buchte das Strandgut der Gesellschaft, die Desperados der Straße, bei ihnen die Plätze zum „Weltuntergangsspektakel“. Diese Anhängerschaft von Nutten und Rauschgiftsüchtigen, von brotlosen Stuntmen und abgehalfterten Starlets… ob die Doors sie haben wollten? Jedenfalls ließ sich mit dieser Masche Geld verdienen, sagten sie sich — sagte sich auch Ronnie Haran, der Talentsucher vom „Whiskey a go go …dem wichtigsten Rock-Club von Los Angeles. Hier trat vor allem die Creme der psychedelischen Hippie-Gruppen aus San Francisco auf wie Jefferson Airplane, Grateful Dead. Wochenlang waren die Doors bei jedem heimischen oder überregionalen Act als Vortruppe zu sehen. Ihre „warm up sets“ waren bald berühmt-berüchtigt. Für Jim begann eine Zeit der „Götterdämmerung“, der gewagten Experimente. Er beherrschte sein Publikum immer besser, allabendlich fuhr er mit dem „Crystal Ship“ ins Unterbewußtsein, schmähte („Twentieth Century Fox“) die ordentlichen Bewohner der Stadt. Legte über heulende Orgeltöne und wimmernde Akkorde Verse wie diese: „Five to one, baby, one in five — no one here gets out alive (…) They got the guns but we got the numbers („Five To One“). Als „Gute-Nacht-Lied“ spielten sie stets jenen Song namens „The End“. Eine langsame Nummer mit einer auf Sitar-Sound getrimmten Leadgitarre und viel Freiraum für Improvisation. Es beginnt ganz harmlos: „This is the end, beautiful friend, the end…“, und gaht dann etwa bis zur Hälfte der später auf Platte aufgenommenen Version.

Eines Abends war Jim „stoned“ und ergänzte: „The killer awoke before dawn, he put his boots on, he took a face from the ancient gallery, and he walked on down the hall…“ — „Father, Yes son?“ – „Father I want to kill you, mother… usw. Es war Samst^nacht, und das „Whiskey“ war gesteckt voll. Das Publikum versteinerte bei den folgenden Zeilen. Als „The End“ wirklich zuende war, war auch für die Doors Schluß: Niemand sagte einen Ton, niemand applaudierte, und nur der Manager des Ladens sagte leise zu Ronnie Haran: „Diese Typen sind wohl übergeschnappt, die sollen machen, daß sie fortkommen!“ Das spielte aber keine Rolle mehr, denn inzwischen hatte sich Jack Holzman, der Präsident von „Elektra Records“, die Gruppe geschnappt, sie unter Vertrag genommen und ihnen völlige Freiheit bei der Produktion ihres ersten Longplayers gelassen. So kam es, daß diese LP die unzensierte Fassung von „The End“ enthielt und dazu noch einen Hit von allergrößtem Format, nämlich „Light My Fire“.

Das Feuer bricht aus

Während die Lokalzeitungen von Los Angeles noch leicht pikiert über den Rausschmiß der Doors aus dem „Whiskey“ und über ihr mit Vatermord und Inzest gespicktes Song-Poem. „The End“ berichteten, schlug überregional die Bombe ein: „Light My Fire“ (eine Robbie Krieger-Komposition) stürmte die Hitlisten und blieb für Wochen auf den ersten Plätzen. Gleichzeitig lief die erste Tournee an; auch sie: ein Volltreffer. Obwohl niemand weiß, ob das Doors-Spektakel, das nunmehr als „Rock-Theater“ Furore machte, allergrößte Kunst oder aber eine ebenso große Verarschung ist, aber jeder muß sie natürlich gesehen haben.

Jim tat ein übriges, wenn er in Interviews Sachen wie diese von sich gab: „Ich interessiere mich für alles, was mit Revolte, Unordnung und Chaos zu tun hat, und besonders für Handlungen, die keinen Sinn zu haben scheinen. Es sieht so aus, als sei dies der einzige Weg zur Freiheit. Anstatt von innen zu beginnen, beginne ich von außen. Ich möchte die etablierte Ordnung über den Haufen werfen, die geistige Gewalt durch die physische freisetzen. Die Welt, die ich mir vorstelle, soll ein neuer Wilder Westen sein, eine sinnliche, aber auch böse Welt, fremdartig und verflucht.“ Überzeugung und Trick zugleich: Die Welt, die Morrison beschrieb, ist nicht die Welt von Morgen, sondern die Vereinigten Staaten von damals und heute.

Auf der Bühne ging er jetzt aufs Ganze. Er machte obszöne Bemerkungen, beschimpfte die Zuschauer, nannte die anwesende Polizei „Faschistenhunde“ und „Schweine“. Indessen wurde die erste LP „The Doors“ vergoldet, und nach beendeter Tournee ging die Gruppe wieder ins Studio. Die zweite Platte enthält neben dem Hit „Love Me Two Times“ einen Song mit verfremdeter Stimme (die Vier experimentieren jetzt mit Elektronik) nach dem sie benannt wird „Strange Days“. Das Cover zeigt eine unheimliche Jahrmarktszene mit Catchern und Liliputanern. Anfang ’68 kam die Scheibe auf den Markt und wurde ebenfalls „vergoldet“. Eine hektische Tätigkeit begann: Die Doors probten im Studio, jetteten zu Femsehauftritten wie der „Ed Sullivan Show“ (die sie bis ins letzte Dorf in Oklahoma hinein bekannt machte) und werkelten an ihrem Film „The Unknown Soldier“. Der Film beschäftigt sich mit dem Krieg, mit offensichtlichen Verbrechen, die US-Soldaten am vietnamesischen Volk begehen. Höhepunkt ist eine Szene, in der Jim von seinen Musikern exekutiert wird.

Ausschnitte des Films wurden im Sommer während der zweiten Tournee einem begeisterten Publikum gezeigt. Der wachsende Widerstand der amerikanischen Jugend gegen den Krieg in Vietnam hatte hier einen wesentlichen und vor allem verständlichen Niederschlag gefunden. Die Doors machten klar, daß sie mit den Revolutionären der politisierten Nach-Hippie-Ära an einem Strang zogen. Das Panoptikum ihrer wilden Show war der Zerrspiegel der Gesellschaft, die sich ändern oder vor die Hunde gehen muß. Es war eine Doppelbeziehung zwischen ihnen und ihrem Publikum: Einerseits schürten sie kräftig das Feuer (und kapitalisierten damit clever den Trend), andererseits war ihre aufrührerische Show geeignet, den Konflikt, der weltweit ausbrach, zu verschärfen. Wohl als einzige Rock-Band brachten sie einen Bert Brecht/Kurt Weill-Song aus den dekadenten 20er Jahren auf die Bühne: „Whiskey Bar“ aus der „Dreigroschenoper“.

Skandale und Umkehr

Die dritte LP der Vier, die Ende ’68 erschien, bedeutete einen gewissen Wendepunkt in der Geschichte der Band: „Waiting For The Sun“ enthielt „Spanish Caravan“, ein Stück mit fantastischen Flamenco-Anklängen, die Robbie Krieger virtuos seiner Gitarre entlockte, weitere Höhepunkte „My Wild Love Went Riding“ (ein a-capella-Stück) und einen Hit, der sich aber nur zögernd plazierte: „Hello I Love You“. Ende ’68 auch gab es den ersten saftigen Skandal: Jim Morrison wurde in New Haven, Connecticut auf der Bühne verhaftet. Er hatte sich allzu freizügig über die anwesende Polizei geäußert.

1969 entstand in monatelanger Arbeit ein Album neuen Stils: „The Soft Parade“. Da heißt es: „The Soft Parade has now begun, listen to the engine’s hum, people out to have some fun, cobra on my left, leopard on my right…“ Schlange und Raubtier! Das war Jim! Er trank jetzt viel, das heißt: ersoff: Bei Auftritten war er häufig so besoffen, daß er nicht mehr wußte, was er tat: Am 11. März 1969 ließ er im „Dinner Key Auditorium“ in Miami, Florida auf offener Bühne die Hosen runter. Wegen „öffentlicher Zurschaustellung“ wanderte er für einige Tage ins Kittchen, kam dann gegen hohe Kaution wieder frei.

„Soft Parade“ wurde von den Doors-Fans nicht ganz so enthusiastisch aufgenommen wie die vorausgegangenen Alben. Deshalb entschloß sich die Band, für die nächste LP wieder zum bewährtenSchema zurückzukehren: rauhem Rhythm’n’Blues und balladenhaftem Aufbau. „Morrisons Hotel“ teilt sich in die melodischere „Hotel“-Seite („Land Ho!“, „Spy“, „Queen Of The Highway“) und die „Hard Rock Cafe „-Seite („Peace Frog“, „Ship Of Fools“). Seite eins zeichnet sich vor allem durch das mit kräftigem Bass akzentuierte „Queen Of The Highway“ aus. Morrison sang: „She was a princess, queen of the highway (…) no one could save her, save the blind tiger, he was a monster black dressed in leather…“

Eine weitere Selbstdarstellung. Dann aber geht es um andere: „American boy, American girl, most beautiful people in the world“, das ist Sarkasmus vom schärfsten Kaliber: Morrison rechnete mit seinem Publikum ab, das nur noch zu seinen Konzerten kam (seinen, richtig! Die Platte heißt „Morrisons Hotel“ und die Gruppe „Jim Morrison & The Doors“), um zu sehen, wie er’s den Bullen zeigt, sich vielleicht entblößt… Sie wollten den Dichter nicht haben, der ihnen am liebsten aus seinen soeben im Privatdruck erschienenen Buch vorlesen möchte. Während des Konzerts! Er wurde ausgebuht, die Menge schrie: „Light My Fire“. Beim Woodstock-Festival war die Gruppe nicht vertreten. Jim sagte über die 500 000, die sich dort (im August ’69) zu drei Tagen „der Liebe und des Friedens“ versammelt haben: „Das ist nichts als ein Haufen Parasiten; Babies, die noch mit dem Löffel gefüttert werden müssen!“

Das Jahr 1970 war weniger hektisch für die Gruppe. Weniger Konzerte – weniger Studioarbeit. Die Gruppe mußte ihren Standort neu bestimmen. Sado-Maso-Alptrum-Rock in verschwitzter Lederkluft war nicht mehr „in“. Zwar verkaufte sich ein Live-Mitschnitt einiger Konzerte, „Absolutely Live!“, recht gut. Doch waren es schon Erinnerungen. Eine Europatournee im Sommer des Jahres 1970 mit Abschluß beim Isle of Wight-Festival zeigte einen ganz anderen Jim: Er war ruhiger geworden, und obwohl er seine Trinkexzesse privat weiter betrieb, war ihm auf der Bühne nichts mehr anzumerken, außer daß seine Stimme, noch rauher und tiefer geworden, sich manchmal überschlug. In Hirtenkleidung und mit dichtem Bart war er jetzt eher ein „einsamer Bär“ als der „kühne Panther“ von früher.

Er holte die poetischen Bilder jetzt scheinbar tief aus sich heraus, ließ sich nicht mehr von Stimmungen herausfordern. Das Publikum mußte erkennen, daß es jetzt eher in die Konzerte eines Dichters als in die eines Anarcho-Clowns ging. Es kamen weniger Leute, und die Polizisten konnten dem Treiben fern bleiben: Es „passierte“ nichts mehr.

Allgemein hatte sich vieles verändert: Die jungen Revolutionäre hatten den blutigen Traum vom Umsturz ausgeträumt und zogen es vor, eine „Gegengesellschaft“ zu gründen, die Drogen waren bis auf Haschisch passe, man ernährte sich „makrobiotisch“ und zog in die Berge, in die Natur. Country-Rock-Gruppen wie Crosby, Sülls, Nash & Young oder Poco waren en vogue.

Die Doors waren ein letztes Mal im Studio und produzierten „L.A. Woman“, stilistisch ein klarer Nachfolger von „Morrisons Hotel“. Die meisten der Stücke klingen abgeklärt, sind aber eingängig und stilsicher aufgebaut. „L’America“, „Changling“, das rollende „Love Her Madly“, das ebenso wie „Riders On The Storm“ ein posthumer Hit wurde.

„This is the end…“

Anfang 1971 packte Jim die Koffer und flog nach Spanien („Andalusia with fields füll of grain, I have to see yer again and again“, „Spanish Caravan“), reiste nach Marokko und Korsika. Seine Europareise endete in Paris. Die letzten Monate seines Lebens waren mit Arbeit erfüllt. Er komponierte, schrieb Gedichte, Aufsätze, machte sich Gedanken über noch zu drehende Filme. Seine Frau Pamela, die ihm aus Kalifornien nachgereist war, umsorgte ihn still und unauffällig. So war es auch vorher gewesen, niemand hatte sie bemerkt.

Eines Nachts wollte er noch ein Bad nehmen. Jim ging ins Badezimmer. „I see the bathroom is clear, I guess there’s somebody here, I’m sure there’s somebody following rae…“ Dieses sind die rätselhaftesten Verse („Hyacinth House“) von der „L.A. Woman“-LP. Sie geben nur einen Sinn, wenn man weiß, daß Jim eben dieses Badezimmer betrat, um zu sterben. Seine Frau fand ihn tot in der Wanne hegend auf. Die Ärzte stellten fest, daß Jim Morrison einem Herzinfarkt erlag.