Jim Morrison: Das Opfer Lamm
Zehn Jahre lang bissen sich die Produzenten an dem Projekt die Zähne aus. Wenn die filmische Biographie nun in die Kinos kommt, ist Morrison selbst auf der Strecke geblieben. Der Stoff, so mutmaßt Doors-Keyboarder Ray Manzarek, sei nur deshalb gewählt worden, um eine saftige Sex, Drugs & Rock´n´Roll-Geschichte an Land zu ziehen.
Haare. Backenknochen. Augen. Nase – der Mann vor der Kamera sieht Jim Morrison verblüffend ähnlich. Und er tut alles, diesen Eindruck zu unterstützen: Val Kilmer biegt und dreht sich wie der Sänger der Doors, er bewegt sich genau so, wie er es in alten Filmaufnahmen gesehen hat. Kilmer erlebte Jim Morrison nie live. Ende der Sechziger, als sich die Doors formierten, war Kilmer zehn Jahre alt. Eine Platte der Doors hatte er sich nie gekauft. Und die Morrison-Biographie „No One Here Gets Out Alive“ hatte Kilmer mehrmals von Freunden geschenkt bekommen, aber nie gelesen. Doch nun ist das Interesse geweckt.
„Ich weiß sogar, was Jim Morrison wirklich umgebracht hat“, erklärt Val Kilmer. “ Es waren diese Lederhosen. Du kommst dir darin vor wie in einem feuchten Anzug. Keine Luftzirkulation. Das hat ihn umgebracht.“
Am 7. Juli 1991 jährt sich der Todestag von Jim Morrison zum 20sten Mal. Ein halbes Dutzend neuer Doors-Compilations kommt in die Läden. Und seit dem Drehbeginn von „The Doors“ (Kinostart: 2.5.91) ist Val Kilmer belagert von Journalisten aus aller Welt. Die eine, immer wiederkehrende Frage: „Was verbindet Sie mit Morrison?“
Egal welche Parallelen Val Kilmer aus seinem Leben hervorkramt (den Gedichtband etwa, den er ´87 schrieb), um seinen Draht zum legendären Rock-Poeten zu belegen – recht machen kann er es ohnehin nicht allen. „Ich sehe Jim als einen Helden, der sein Leben meisterte“, sagt Regisseur Oliver Stone. „Man könnte diesen Film drehen wie `Aufstieg und Fall eines Rock-Stars‘. Genau das mache ich nicht. Tod und Leben gehören eng zusammen, Jim wußte das. Sein Leben war wie eine Gratwanderung. Er wollte immer mehr von allem und er verzehrte sich bei der Suche nach sich selbst.“ Stone, der seine Erfahrungen als GI im Vietnam-Krieg bereits in „Platoon“ und in „Geboren am 4. Juli“ verarbeitete, bezieht auch das Morrison-Schlüssel-Erlebnis aus dieser Zeit:
„Ich war in Vietnam, als ich zum ersten Mal die Doors hörte. Es ging um Liebe und Tod und es kam an bei mir.“
Francis Coppola, Michael Mann und Martin Scorsese bemühten sich im Verlauf der letzten zehn Jahre um das Doors-Projekt. John Travolta, Christopher Lambert, Tom Cruise, selbst Bono und Michael Hutchence waren für die Hauptrolle vorgesehen. Die Eltern von Morrison, die Eltern seiner Lebensgefährtin Pamela Courson (im Film: Meg Ryan) und die noch lebenden Doors-Mitglieder Robby Krieger und John Densmore redeten bei Buch und Besetzung mit.
Daß gerade Regisseur Oliver Stone den Zuschlag bekam, hat unter Doors-Fans und -Insidern für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Ist ein Mann, der sich freiwillig als GI nach Vietnam meldete und der auch später ob seiner Landser-Mentalität berüchtigt war, wirklich der richtige Mann, um das mysteriöse Leben des „Lizard King“ adaequat zu verfilmen? Ray Manzarek, der Doors-Keyboarder, sah sich nach der Filmpremiere jedenfalls in seinen Vorurteilen bestätigt:
„Es gibt zwei Doors-Mitglieder, die mit diesem Film aber auch rein gar nichts zu tun haben: Jim Morrison und Ray Manzarek. Ich werde das leidige Ding schlicht ignorieren.“
„Olivers Vision ist ziemlich ,tits and acid'“, resümmierte selbst Val Kilmer nach der Hälfte der dreimonatigen Drehzeit. Stone hingegen kann über die Vorwürfe und Vorurteile inzwischen nur noch den Kopf schuttein. „Jeder, der Jim Morrison kannte, hat seine ganz eigene Meinung zu dem Film. Ich habe im Vorfeld mit so vielen Leuten gesprochen, die alle von sich behaupteten, daß sie ihn besser kannten als jeder andere. Diverse Frauen riefen mich an und beschwörten mich: ,Sie können den Film nicht machen, ohne mit mir zu sprechen.
Ich war es, die er liebte!‘ Plötzlich kommen all die Verrückten aus dem Unterholz und mosern, daß er nicht so, sondern in Wirklichkeit so gewesen sei. Ich habe anderthalb Jahre geschuftet, um einen guten Film zu machen, und jetzt ßhlt sich jeder zum Filmkritiker berufen. Ich war zeitwebe so genervt, daß ich mir sagte: ,Hättest du besser einen Film über jemanden gemacht, der nicht derartigen Ärger auslöst. Über Ernest Hemingway zum Beispiel. „
Definitiv verärgert hat Stone jedenfalls die Eltern von Morrison und seiner Freundin Pamela: Sie sehen das Andenken von Jim in den Schmutz gezogen und haben den Film mit allen Mitteln zu blockieren versucht.