Jenseits des Pfeifens
Peter Bjorn and John haben sich von ihrem Pfeif-Überhit "Young Folks" freigeschwommen. Mit ein bisschen musikpiratistischer Hilfe von Kanye West.
Wollte man die Pole „cool“ und „uncool“ anhand zweier Protagonisten der Popmusik definieren, ginge das recht einfach etwa so: Auf der guten Seite stünde Kanye West – auf der anderen Nena. Dabei haben die beiden durchaus etwas gemein: Beide nahmen sie „Young Folks“ auf, jenen Überhit mit der gepfiffenen Hookline, mit dem die drei Schweden Peter Björn And John vor zweieinhalb Jahren die Indietanzflächen füllten. Kanye West nahm einen ordentlichen Beat zu Hilfe, Nena die weniger ordentlichen Sangespartner Oliver Pocher und Stefan Remmler. Peter Moren, Björn Yttling und John Eriksson müssen immer noch lachen, wenn sie daran denken. „Es gab aber diese japanische Version, die war noch schlechter“, beruhigt Moren. “ Da sangen ein alter Mann und ein Mädchen im Duett eine absurde Geschichte über rosa Elefanten und Marshmellows oder so. Wir befürchteten erst, dass es irgendwas Pädophiles ist, aber so texten Japaner wohl.“
Natürlich ist das mit dem Hit mittlerweile Geschichte, aber eben eine, die auf das jetzt erscheinende Album LIVING THING gehörigen Einfluss hatte. Da war zum Beispiel plötzlich jede Menge Kohle da. So viel, dass man nicht mehr in Hinterzimmern in Südschweden, sondern mal eben in Los Angeles aufnehmen konnte. Die Freikämpfung von dem sie zwei Jahre lang verfolgenden Herumgepfeife gelang freilich schon letztes Jahr: „Wir nahmen zwischendurch das Album SEASIDE ROCK auf, das mit , Young Folks‘ so gar nichts zu tun hatte, sondern rein instrumental war. Wir wollten den Leuten zeigen, dass wir keine Hit-Band, sondern irgendwie total eigenartig sind.“
Etwas von dieser totalen Eigenartigkeit haben Peter, Björn und John auf LIVING THING rübergerettet. An allen Ecken scheppert’s und klappert’s, der Popsong als Prinzip wird zwar immer noch verfolgt, aber mit Vergnügen auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt – Bass und Schlagzeug mit drei Mal so viel Rumms wie vorher. „Wir haben versucht, alles wegzulassen, was nicht nötig war, um eine irgendwie unheimliche A tmosphäre zu schaffen. Neben normalen Drums ist auch eine Menge Percussion dabei – Streichholzschachteln, Flaschen, Messer.“ Und Kanye West half auch mit – nicht als Musiker, aber als Multiplikator: Er stellte einen Track von LIVING THING ohne Rücksprache mit der Band ins Internet.
„He liked it and he leaked it“, lacht John – und erzählt von einem gemeinsamen Auftritt mit dem HipHop-Superstar. “ Wir spielten , Young Folks‘ zusammen, auf einem Festival in Göteborg, das war wirklich schlimm. Wir waren sehr betrunken und flogen ständig aus der Tonart. Aber hey, wir waren auch stolz. Immerhin stand da Kanye West mit uns auf der Bühne.“
Albumkritik S. 83
www.peterbjornandjohn.com