Pop x Politik

Jens Friebe über Pop und Politik: „Jedes berührende unpeinliche politische Lied ist ein Wunder“


Zur Bundestagswahl wollten wir wissen: Was sagt die Musik über das Land aus, in dem sie entsteht? Wir haben Fragebögen an 150 deutsche Künstler verschickt. Hier die Antworten von Jens Friebe.

Kurz vor der Bundestagswahl 2017 wollten wir wissen: Wie viel sagt die Musik über das Land aus, in dem sie entsteht? Wie politisch ist deutscher Pop kurz vor der Bundestagswahl und zwei Jahre nach „Wir schaffen das“? In einer Zeit, die geprägt ist von einer Rückkehr in nationalstaatliches Denken, von Europakrise, islamistischem Terror, Klimawandel und zunehmender gesellschaftlicher Spaltung.

Status: Es ist kompliziert
Also haben wir Fragebögen an 150 deutsche Künstler und Künstlerinnen verschickt. 29 Antworten kamen zurück, eine davon von Sänger und Musikjournalist Jens Friebe. Die sind auch jetzt, nach der Bundestagswahl 2017, interessant zu lesen.

ME: Verstehst Du Dich als Künstler als politisch? Schreibst Du politische Songs?

Jens Friebe: Ich habe mal durchgezählt und bei mittlerer Kriteriumsstrenge folgendes Ergebnis ermittelt: Von meinen 56 erschienenen Liedern sind vier politisch, 33 nicht politisch und 19 so im Grenzbereich.

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Warum schreibst Du politische Songs oder warum verzichtest Du darauf?

Wenn ich einen politischen Song schreibe, dann, weil mir einer einfällt. Wenn ich keinen schreibe, dann, weil mir keiner einfällt. Das im engen Sinne Politische ist als Stoff für Poplyrik denkbar widerspenstig. Politik ist wesentlich abstrakt und komplex, Pop anschaulich und verkürzend. Beim Versuch, das eine im anderen zu reflektieren, stellen sich viele Fallen, drei der gefährlichsten sind Positivkitsch (kann auch mal gutgehen, siehe „Andromeda Heights“ von den Prefab Sprout), Negativkitsch (kann auch mal gutgehen, siehe „Computerstaat“ von Abwärts) und versifizierter Meinungsjournalismus (ging meines Wissens nur einmal gut, bei „Age of Self“ von Robert Wyatt). Jedes berührende unpeinliche politische Lied ist ein Wunder. Das heißt natürlich nicht, besser lassen. Im Gegenteil.

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Können politische Inhalte in Songs tatsächlich etwas beeinflussen? Welche Wirkung können sie haben?

  • a) Wenn man verliebt ist, kann ein Liebeslied die Liebe schöner machen, vielleicht sogar ein bisschen größer. Wenn man nicht verliebt ist, verliebt man sich nicht wegen eines Liedes, aber Lieder könnnen an frühere Lieben erinnern und Sehnsucht nach neuen wachhalten und nachdenken machen über Fehler und wie man sie vermeiden kann. Genauso verhält es sich mit den Liedern und der Revolution.
  • b) „Preaching to the converted“ ist ein schwachsinniger Vorwurf. Prediger predigen immer zu den Bekehrten. Man muss die Gläubigen bei Laune halten, auch die, die an eine bessere Welt glauben. Das fast übermenschliche Kunststück besteht natürlich darin, jeden Sonntag praktisch das gleiche zu sagen, ohne alle tödlich anzuöden.
  • c) „Born in the U.S.A.“ sollte ein US-kritisches Lied sein und wurde zur patriotischen Hymne. „Dancing in the Streets“ sollte ein harmloser Party-Hit werden und wurde ein Protestsong. Die meisten Lieder versenden sich sowieso wirkungslos im Radau. Man sollte sich über konkrete Wirkungen nicht zu viele Illusionen und Gedanken machen. Wir machen in den Liedern mit der Welt was wir wollen und die Menschen in der Welt mit den Liedern.
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Fühlst Du Dich durch die politischen Entwicklungen der letzten Zeit (Flüchtlingsentwicklung, erstarkender Nationalismus, Autokraten in politischen Führungen, Klimawandel usw.) herausgefordert, künstlerisch und/oder als Person, die im Licht der Öffentlichkeit steht, politisch zu äußern?

Künstlerisch herausgefordert ja, also vom Klimawandel jetzt nicht so, vom Rest schon. Sich als Person politisch zu äußern, also in dem Sinne, dass man die eigene Äußerung zu einer Nachricht macht, hat meiner Meinung nach nur Sinn, wenn man so richtig richtig berühmt ist.

Status: Es ist kompliziert – der deutsche Pop und sein Verhältnis zu Politik und Gesellschaft

Eine ausführliche Analyse darüber, wie es um den deutschen Pop und sein Verhältnis zu Politik und Gesellschaft steht, findet Ihr im Essay von Torsten Groß im Musikexpress 10/2017, der am 14. September erschienen ist. Der komplette Text ist jetzt auch online nachzulesen:

Die weiteren Antworten auf unsere Fragen: