Jan Joswig kontrolliert: Morrissey
Ein bisschen stiernackiger, insgesamt fleischlappiger und grobschlächtiger - und das steht Morrissey, findet Jan Joswig.
Morrissey sieht aus wie ein rustikaler Nostalgiker, gehört aber zur absoluten Style-Avantgarde. Der ehemalige Parade-Wimp der Gitarrenschleicherschule von C86, der in zarter Empfindsamkeit der Fleischeslust auf dem Teller und im Bett entsagte, der Blumen am Gesäß trug und von dem Privileg wimmerte, neben einer Frau im Auto sterben zu dürfen, hat sich zum waschechten englischen Bloke gemausert.
Dafür musste er nicht einmal seine Garderobe ändern: 501, undurchsichtig gemusterte Hemden und Fifties-Tolle trug er auch schon zu Zeiten von The Smiths. Ein bisschen stiernackiger, insgesamt fleischlappiger und grobschlächtiger musste er nur werden.
Und das ist das Entscheidende, diese Arbeit am Körper statt am Outfit. Damit gehört er in eine Riege mit so visionären Körperkünstlern wie Orlan oder Amanda Lepore, die den Kleiderschrank gegen den OP-Tisch getauscht haben, um Identitätspolitik zu betreiben. Morrissey, Orlan und Amanda Lepore sind jetzt schon auf dem Stand, den wir alle mal erreichen werden, wenn Schönheitsoperationen technisch keine größere Herausforderung mehr darstellen als Haarefärben: Wer nicht mehr in seiner Haut stecken will, verschafft sich eben eine neue. Morrissey brauchte für dieses Körperstyling allerdings keine OP, sondern Zeit.
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