Jan Joswig kontrolliert: Deichkind in der Stilkritik
Glasperlen statt Afrika-Amulett: Jan Joswig checkt Deichkind in ihrem Video zu "So'ne Musik" ab.
Deichkind sind begnadete Spinner mit einem Händchen für coole Albernheiten. Höherer und harmloser Blödsinn halten sich dabei die Waage. Die Outfits im Video „So ‘ne Musik“ tendieren eher gegen harmloser Blödsinn. Aber mit einem davon brechen sie aus ihrem Dada-quatschigen Elfenbeinturm aus und reihen sich in eine hochpolitische Schule ein. Camouflage-Hose, expressiv bunter Sweater, Afro-Frisur – diese Mischung aus Ethno und Military ist der kämpferisch-spirituelle Dreiklang der afrikanischen Diaspora.
In den 70er-Jahren machte ihn der jamaikanische Roots Reggae um Bob Marley und Burning Spear populär. Dreadlocks, Afrika-Devotionalien, Military-Klamotten, aber statt des Gewehrs den Spliff und statt der Mao-Bibel die Schriften von Marcus Garvey in der Hand. Die Studenten im weißen Europa griffen nach dem Ende des organisierten Widerstandes um den SDS in den 70ern diesen Look auf. Man kaufte überteuerte Dritte-Welt-Klamotten, um gegen den Kaufwahn der Ersten Welt zu protestieren.
Die Ethno-Military-Kombination wurde für eine spätere Generation durch den US-amerikanischen HipHop wieder brisant. Gegen den Goldkettenexzess der Gangster-Rapper setzten die Native Tongues um Jungle Brothers und Brand Nubian und das Blackwatch Movement um X-Clan und Isis auf einen Afrozentrismus, der statt Goldketten Lederamulette in Afrikaform und statt Gucci-Trainingsanzügen Afrogewänder als Kampfuniform gegen das rassistische Amerika positionierte. Prompt führten in deutschen Einkaufsstraßen Weißbrot-Kids komplette Back-to-Africa-Monturen aus – und machten ratlos: Zeigt das angemessene Solidarisierung oder hohle Enteignung von Symbolen?
Deichkind finden den cleveren Dreh: distanzierte Solidarität. Statt mit afrikanischen Lederamuletten schmücken sie das Outfit mit Glas-(oder Plastik-)Ringen an den Händen. Genau mit solchem Tand haben die europäischen Kolonialisten die Afrikaner vor Jahrhunderten abgespeist. Wir sind mit euch, unterdrückte Völker dieser Erde, sagen Deichkind, aber wir wissen sehr gut, wo wir herkommen!
Deichkinds neues Album NIVEAU WESHALB WARUM erscheint am 31. Januar 2015.