Jan Delay über Wandlungen


Nenn ihn das Chamäleon. Oder Dr. Reggae und Mr. Funk. Kein anderer aus der deutschen Kopfnicker-Generation hat sich so oft und so erfolgreich gehäutet wie Jan Phillip Eißfeldt alias Jan Delay. Ein Gespräch über die Kunst, sich zu Verändern

In Stuttgart ist die Welt des deutschen Sprechgesangs noch in Ordnung – zumindest einmal im Jahr auf dem HipHop Open. Das Line-Up toppt der altvertraute Wu-Tang Clan, flankiert vom netten Freundeskreis auf Jubiläums-Tour und dem lustigen Blumentopf. Sogar das Publikum gibt sich Mühe, die Berliner Aggro-Blagen vergessen zu machen: Die frisch gewaschenen Hosenhintern der Jungs hängen ordnungsgemäß in den Kniekehlen, die B-Girls sehen sowieso gut aus, und alle sind sie, als sei nichts geschehen, noch immer Anfang zwanzig. Hier kann er sich zu Hause fühlen, der Jan Delay, auch wenn er schon ein paar Weggabelungen weiter und längst beim Funk angekommen ist.

Was muss sich ändern?

JAN DELAY: Dieser Overkill von Internet und elektronischen Medien, der müsste mal etwas zurückgefahren werden. Vor allem für die, die jetzt nachwachsen. Die haben bei all dem, was sie vorgesetzt kriegen, was sie anziehen sollen, was sie sich kaufen sollen, um mithalten zu können, kaum noch eine Chance, sich frei zu entwickeln und selbstständig denkende Individuen zu werden. Da hatten wir es als Kinder tatsächlich noch einfacher.

Welche Wandlungen stehen bei dir an?

Die einzige Wandlung, die bei mir ansteht, ist, dass keine Wandlung ansteht. Ich will auf jeden Fall noch eine Platte mit meiner Band aufnehmen, mit Disko No. 1.

Vor gut einem Jahr hast du im Gespräch mit dem ME erzählt, dass du zurzeit viel Rock hörst – Queens of the Stone Age, Mando Diao und solche Sachen – und dass du dir gut vorstellen könntest, demnächst ein Rockalbum aufzunehmen.

Ja, das stimmt auch. Aber eine Rockplatte mit dieser Band, das wäre Perlen vor die Säue, dazu ist sie viel zu gut, vor allem jetzt, wo wir richtig gut eingespielt sind. Da nehmen wir lieber noch eine richtig geile Funkplatte auf. Aber die Energie von Rock, die kann ja durchaus mit.

Woher weißt du denn, wann eine Veränderung richtig ist?

Das weiß man nicht. Man macht das einfach. Und für mich hat das halt bisher gepasst. Aber man kann daraus keine generellen Verhaltensregeln ableiten. Mir fallen gerade eigentlich bloß schlechte Beispiele ein, dass jemand zu sehr derselbe geblieben ist oder sich zu sehr gewandelt hat.

Du hast ja als kleiner Fünfjähriger zu Madonna-Songs Schlagzeugspielen geübt. Wäre sie vielleicht so ein negatives Beispiel?

Naja, ich war ja immer ein totaler Fan von Madonna. Aber dieses letzte Ding, wo sie mit diesem Antikriegssong rauskam und den dann, als die Kritik zu groß wurde, wieder zurückgenommen hat, das ging gar nicht. Der Gefahr, es zu übertreiben, gehe ich gerade aus dem Weg, indem ich noch eine Platte mit der gleichen Band mache. Es gibt ja keinen Zwang, sich zu verändern. Nur langweilig werden darf man nicht.

Bedeutet Wandel immer auch Anpassung, an veränderte Gegebenheiten zum Beispiel?

Nicht anpassen – abpassen! Das ist das, was ich mache: Ich passe ab. Es wäre ja für mich das Einfachste gewesen, nach Searching For The Jan Soul Rebels wieder eine Reggae-Platte zu machen, die wäre total gelaufen.

Ist das denn für dich absolut ausgeschlossen, noch einmal ein Reggaealbum aufzunehmen?

Nein, überhaupt nicht. Vor allem nicht, wenn ich noch ein bisschen älter werde. Ich liebe ja diese Sachen aus Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre, als die in Jamaika einfach Popsongs und R’n’B-Hits gecovert haben. Großartig. Die hatten das einfach raus damals.

Du hast damals im ME-Gespräch auch gesagt, du seiest viel mehr Kunstfigur als etwa Udo Lindenberg oder H.P. Baxxter…

… das hab‘ ich gesagt? Das kann ich so nicht gemeint haben. Naja, ich denke mal – auch wenn das gerade ein quasi-geschäftliches Gespräch zwischen uns ist -, dass jetzt hier vor mir eher der private Jan sitzt, mit seinen privaten Klamotten etwa, und nachher, beim Auftritt, ziehst du dir deinen Anzug an und wirst zum öffentlichen Jan.

Das stimmt. So muss ich das auch gemeint haben: Bei Udo Lindenberg und H.P. Baxxter glaubt ja keiner, dass die wirklich so sind, wie sie sich in der Öffentlichkeit geben, aber die sind wirklich so. So gesehen bin ich schon mehr Kunstfigur. Aber ich bin immer der gleiche Jan.

Immer der gleiche Jan? Hast du dich gar nicht verändert in den vergangenen Jahren?

Ach Quatsch, total! Ich bin jetzt schon jemand anders als noch vor zwei Stunden!

Wie hat sich denn zum Beispiel deine Haltung zu HipHop verändert? Interessiert dich HipHop eigentlich noch?

HipHop aus Deutschland langweilt. Außer hier in Stuttgart beim Hip-Hop Open, weil da meine Leute sind. Ich war schon oft raus aus HipHop, aber dann kam doch wieder was, meist aus den USA, was mich geflasht hat. Und jetzt, seit langer Zeit, gibt es wieder was Neues aus Deutschland: Marsimoto aus Berlin. Von dem wird man noch viel hören.

Wenn man sich hier umschaut, scheint sich rein äußerlich nichts verändert zu haben in all den Jahren. Die Leute auf solchen Veranstaltungen sehen immer noch genauso aus wie früher, und sie sind nicht einmal älter geworden. Ist HipHop nur eine Musik für eine bestimmte Altersgruppe?

Auf jeden Fall. HipHop ist für die 10- bis 25-, vielleicht 30-Jährigen.

Dann bist du mit deinen 31 also zu alt für HipHop?

Schon. Deshalb mach‘ ich ja jetzt so was. (Ernickt Richtung Bühne.) Was wandelt sich privat bei dir? Was ist mit Familie, mit Kindern?

Oh, in meinem Umfeld ging das schon vor Jahren los, bei Samy Deluxe zum Beispiel, da schossen die Kleinen wie Pilze aus dem Boden. Aber für mich ist das kein Thema zurzeit.

Du bezeichnest uns Deutsche ja als „Kartoffeln“. Werden wir doch noch mal richtig cool?

Aber ja! Das bin ich echt guter Hoffnung. Guck dir doch mal die Jugendlichen an. Früher haben wir regelmäßig Hautausschlag bekommen beim Anblick der Leute, die direkt von Blümchen auf unsere Konzerte kamen. Da hat sich wirklich was getan. Wenn ich den Kartoffel-Song schon zu Reggae-Zeiten aufgenommen hätte, wäre der Text viel mittelfingriger ausgefallen. Aber wir haben dann schon bei der letzten Beginner-Tour zu „Blast Action Hero“ gemerkt, dass die Kids viel besser unterscheiden können, was gut ist und was nicht. Dazu hat sicher beigetragen, dass die jetzt mit viel mehr deutschsprachiger Musik aufwachsen. Wir hatten damals nur die Ärzte und die Toten Hosen.

Was wird sich nie andern?

Der Kater danach. Naja, seit ich über 30 bin, wird der immer heftiger… Ich meine das eher metaphorisch: Alles Gute hat seine Schattenseiten.

Das heißt, du wirst morgen, nach dem HipHopOpen, einen Kater haben?

Ja. Morgen werde ich einen Kater haben.

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