Jahrelang galt sie als streitbar und militant. Jetzt hat Chrissie Hynde mit ihren Pretenders die Liebe entdeckt.
„Viva El Amor!“-ein ungewöhnlicher Albumtitel für Chrissie Hynde. Immerhin hat die streitbare Britin in ihrer Karriere kaum eine Gelegenheit ausgelassen, diverse Kollegen abzuwatschen. Mal forderte die militante Tierschützerin: „Firebomb McDonalds“, mal fegte sie in einem Pornoshop ein ganzes Regal leer, weil ihr der Inhalt frauenfeindlich erschien. Sie gilt vielen als die amtliche Oberzicke des Rock. Und jetzt das: „Es lebe die Liebe!“ La Hynde klärt auf: „Ich lernte diesen schönen Südamerikaner kennen, der wie Che Guevara aussah. Danach fielen mir immer wieder die Che Guevara-Plakate ins Auge, die ja einen stark propagandistischen Aspekt haben. Und ich dachte: ‚Es lebe die Liebe‘ – das ist die einzige Revolution, die noch eine Chance hat.“
Bei ihr auf jeden Fall. Nach den gescheiterten Beziehungen mit Ray Davies und Jim Kerr heiratete die gebürtige Amerikanerin 1997 den kolumbianischen Bildhauer Lucho Brieva. „Er kennt sich überhaupt nicht mit Musik aus“, erzählt sie, „und er weiß wenig über mich als Musikerin – sehr erfrischend.“ Immerhin reichte Luchos Einfluß so weit, daß Chrissie mit ihren Pretenders die Latino-Ballade „Rabo De Nube“ aufnahm, „weil sie so poetisch klingt.“ Ansonsten gibt’s auf „Viva El Amor! das zu hören, wofür die Pretenders seit zwei Jahrzehnten bekannt sind: knackiger Gitarrenrock, traditionsverhaftet und ganz und gar nicht auf modern getrimmt. Das finden übrigens auch Hyndes 14 und 16 Jahre alten Töchter. Mama Chrissie grinst: „Die hören lieber dieses Teenager-Popzeug aus den Radiocharts.“ Die härteste Pubertätsphase liege inzwischen hinter ihnen, aber. „Sie bestehen immer noch darauf, daß ich ihre Zimmer nicht betrete. Wenn ich nur die Treppe hochlaufe, um aufs Klo zu gehen, schreien sie schon: ‚Nicht reinkommen!‘ Wer weiß, was in deren Zimmern abgeht. Wahrscheinlich wohnen da komplette Rockbands.“
Mit „Viva El Amor!“ verbindet Chrissie auch die Erinnerung an einen ihr nahestehenden Menschen – Linda McCartney. Ihr Tod traf sie sehr: „Wir sahen uns zwar nicht oft, aber Linda war Weltmeisterin im Kartenschreiben und Telefonieren.“ Kurz vor ihrem Tod fotografierte Linda noch das Covermotiv von „Viva El Amor!“. Hynde: „Ich wußte nicht, wie schlecht es um sie stand. Die McCartneys hatten die Losung ausgegeben, Linda sei auf dem Weg der Besserung. Sie legte sich bei der Fotosession voll ins Zeug. Einen Monat später war sie tot.“ Die Fotos für das CD-Inlet schoß später Lindas Tochter Mary.