Irgendwas mit Heimat: So ist „Heimwärts mit…“ mit Manuel Möglich bei ZDFneo
Format ohne Format: In seiner neuen Sendung geht Journalist und Moderator Manuel Möglich mit Prominenten an Orte ihrer Kindheit. Das ist charmant - aber nicht immer so spannend, wie es sein könnte.
Und plötzlich ist selbst Harald Martenstein für drei Sekunden sprachlos. Mit Journalist Manuel Möglich schlendert der „Zeit“-Kolumnist, Journalist und Buchautor durch Mainz und sucht dort Orte seiner alten Heimat auf. Beide besuchen etwa Martensteins ehemalige Schule, flanieren durch unveränderte Straßenzüge („die Straßen mit blauen Schildern verlaufen parallel zu Main, die mit roten Schildern weg vom Fluß“), fahren Autoscooter auf der Kirmes und probieren in einem Restaurant regionale Innereien („Ich ess‘ ja alles“, sagt Martenstein) – bloß mit seiner Mutter hat er nicht gerechnet. Als Überraschungsgast wartet Frau Martenstein nahe des Hauptbahnhofs auf ihren Sohnemann aus Berlin und begleitet ihn und dessen Fan Möglich („Ich glaube Sie zu kennen, ich lese all Ihre Kolumnen!“) etwa in die ehemalige Wohnung der Familie. Als Zuschauer lernt man schnell, von wem Martenstein seine Redseligkeit geerbt hat – für einen Moment aber denkt man über die zweite Folge von „Heimwärts mit…“, die am Donnerstag um 22:15 Uhr auf ZDFneo ausgestrahlt wurde, was vielleicht auch Harald Martenstein selbst kurz dachte: Gleich zwei Protagonisten an verschiedenen Orten in 30 Minuten – soviel Abwechslung kann diese Sendung doch wohl kaum vertragen.
„Heimwärts mit…“ läuft seit dem 5. September auf ZDFneo, sechs Folgen wird es vorerst geben. Sie alle stehen und fallen – soviel kann man jetzt schon sagen – mit den Prominenten, die Manuel Möglich und sein Kamerateam in ihre alte Heimat einladen. Nichts anderes sehe das Konzept vor, sagt Manuel Möglich selbst. Persönliche Momente etwa wie den in der ersten Folge, als Möglich mit Wolfgang Niedecken dessen altes Internat in Rheinbach besucht, in dem sich der heutige BAP-Sänger an Misshandlungen durch seinen „Peiniger“ erinnert, die könne man nicht planen. „Das Format ist bewusst frei, es liegt an den Gästen, was sie erzählen“, sagt Möglich im Interview mit Musikexpress.de und glaubt, dass die Zuschauer über die Persönlichkeit der Gäste hinaus auch immer was von Deutschland sehen. Bei Niedecken wäre das, dass in Dörfern die Zeit langsamer läuft, bei Martenstein, dass gute Journalisten bisweilen auch gut in der Schule waren. Was man nämlich auch jetzt schon sagen kann: Viel tiefer als an den Oberflächen der Geschichten der Privatmenschen Niedecken, Martenstein und Co. kratzt auch „Heimwärts mit…“ nicht.
Manuel Möglich, 34, Radio- und Musikjournalist, durch seine Begegnungen mit Pornofilmern, Meth-Junkies und Sadomasochisten in der TV-Sendung „Wild Germany“ bekannt geworden und „ins Fernsehen so reingerutscht“, wie er sagt, ist einer von diesen oft zitierten jungen Wilden. Medienmenschen, die Bock auf Fernsehen haben, aber nicht auf den Mainstream. Die vermeintlich oder tatsächlich Unkonventionelles machen und auf ZDFneo oder ZDFkultur eine Plattform kriegen. Sarah Kuttner, Charlotte Roche, Jan Böhmermann, Olli Schulz, Micky Beisenherz, Joko und Klaas, solche Typen. „Heimwärts mit…“ aber ist nicht wild, es nicht mal jung, und ein wenig brav ist es auch.
Das Format dieser „sechsteiligen Interviewreise“ funktioniert über seine Gäste, die in Wahrheit ja hier die Gastgeber sind, nicht über seinen Moderator. Der übt sich zwar in sympathischer Zurückhaltung und handzahmen Fragen – klar, er will die Protagonisten ja schwelgen, sich erinnern und erzählen lassen -, bleibt deshalb aber auch austauschbar. Für die vermeintliche Tiefe des Formats wiederum ist die Sendezeit zu kurz. Bei Niedecken ist der naturgemäß arg zusammengeschnittene Besuch vorbei, bevor er richtig anfängt, bei Martenstein, der seinen Alltag ohnehin jede Woche in seinen Kolumnen verballhornt, kommen einem die 30 Minuten fast wie 60 vor, im positiven Sinne. „Heimwärts mit…“ muss trotz seines lustig-gemeint eingesetzten Fakten-Erzählers Piet Fuchs – die das Format überfrachtende Idee haben sich die Macher bei Roche & Böhmermann gemopst – als ein Versuch betrachtet werden, ein breiteres Publikum für einen Nischensender zu interessieren. Klar, es soll irgendwie um Heimat und die Definition dieses diffusen Begriffs gehen. Für Martenstein etwa ist das die Summe aller Erinnerungen und Erfahrungen, den guten und den schlechten. Für Möglich selbst, der im hessischen Kaff Tiefenbach groß wurde, ist das „Freibad, Sonnencreme, Pommes.“ Was aber bleibt, sind angenehme, manchmal sogar romantische Kurzporträts, nichts größeres Ganzes.
In weiteren Folgen von „Heimwärts mit…“ sollen Heinz Strunk, Dolly Buster, Jürgen Drews und Anna Thalbach Manuel Möglich ihre Heimat zeigen und darüber reden. Möglich selbst weiß noch nicht, wie die Sendung und seine Karriere danach weitergehen. Ein Sachbuch will er schreiben, 2014. Es soll um den Begriff Deutschland gehen. Mehr könne er jetzt noch nicht verraten, der Rest bleibt also vorerst im Vagen.
„Heimwärts mit…“, jeden Donnerstag um 22:15 Uhr auf ZDFneo