International-Feinripp-Attitüde


Zwischen Glasgow und Las Vegas. Auf dem zweiten Album der schottischen Band GLASVEGAS stellt sich der Glamour ein, den der Bandname schon immer versprach.

James Allan trägt ein weißes Feinrippunterhemd über der schmalen Brust und eine klobige schwarze Sonnenbrille auf der Nase. Nonverbale Kommunikation sagt manchmal mehr als tausend Worte. Und Rockstars, die im Gespräch ihre Sonnenbrille nicht abnehmen, meinen damit in der Regel: „Fuck you!“ Aber Allan ist nur übermüdet. Später wird er die Brille abnehmen, die Augen sind klein und gerötet. Er habe einfach zu viel gefeiert, erklärt er. Zumindest entnehmen wir das dem milden Klang seiner Stimme, denn der Mann ist ohne einen zertifizierten Dolmetscher für Schottisch eigentlich nicht zu verstehen. Feiern dürfen Glasvegas natürlich. 2008 kam das Debütalbum der Nobodys aus Glasgow aus dem Nirgendwo angerauscht und erst auf Platz zwei der britischen Hitparade zum Stehen. Platz eins war damals blockiert von Metallica, gegen die man durchaus verlieren darf. „Wir hatten wirklich Glück“, resümiert Allan, „erwartet hat das niemand. Na gut, fast niemand.“ Das ist in diesem Fall Alan McGee. Der Mann, der unter anderem Oasis und Jesus And The Mary Chain entdeckt hat. „Wann er erstmals von uns gehört hat, kann ich eigentlich gar nicht sagen. Ich weiß nur, dass er der Erste war, der überhaupt jemals von uns gehört hat.“ Kurz danach, es muss 2007 gewesen sein, teilte McGee über seine Kolumne im Guardian der britischen Öffentlichkeit mit: „Glasvegas sind der Sound des jungen Schottlands.“ Ein Schottland, in dem es um verlorene Väter ging, um nervöse Sozialarbeiter, Messerstechereien und versoffene Fußballwochenenden im Dauerregen. Das war das Glasgow in ihrem Namen. Jetzt, mit dem zweiten Album, kommt das Las Vegas dran, das ebenfalls in Glasvegas steckt. Der Wille zum Glamour, er kam nicht zu kurz bei den Aufnahmen für Euphoric///Heartbreak in Los Angeles. Allan seufzt, wenn man ihn auf die Zeit in Kalifornien anspricht: „Es war herrlich! Das Wetter, die Leute, eine andere Welt.“ Keine Gefahr, auf dem zweiten Album in die alte Falle zu tappen, nur noch über Hotelzimmer und Tourneen zu schreiben? Allan nickt: „Doch, das ist gefährlich. Aber was sollen wir machen? Ich schreibe darüber, was ich inzwischen erlebt habe. Und mein Leben hat sich verändert. Bin ich dadurch ein anderer Mensch geworden? Ich hoffe nicht.“ Glasvegas indes sind eine andere Band geworden, nachdem Drummerin Caroline McKay ausgestiegen ist – weil ihr der Trubel zu trubelig wurde, wie Allan betont. „Ich sagte zu meinem Bruder Rab (Gitarrist der Band – Anm. d. Red): ‚Unsere nächste Drummerin sollte eine süße Schwedin sein!‘ Dann stand Jonna im Studio, und ich konnte es nicht fassen.“ Jonna Löfgren – Brille, asymmetrische Frisur, jung – lächelt ein wenig spöttisch. Sie kam direkt von der Musikhochschule zur Band, dank der Vermittlung ihres Lehrers, der mit dem Glasvegas-Management in Kontakt war. Könnte sein, dass ihr Job nicht nur im Schlagzeugen besteht. „Sie muss die Band zusammenhalten. Wir sind, na ja, Männer eben, und da tut die Anwesenheit einer Frau sehr gut, das zivilisiert“, sagt Allan völlig ironiefrei. Harte Arbeit, oder? Jonna schüttelt milde den Kopf.

Albumkritik S. 85