Instrumentenkunde : Hammond B3
Die Technik: Die schlechte Nachricht zuerst: CO2-neutrales Musizieren ist mit der Hammondorgel nicht möglich. Das Ding ist motorisiert. Freude am Fahren kommt aber auch nicht auf, denn der Elektromotor mit seinen 1.500 Umdrehungen pro Minute treibt je nach Modell 86 bis 96 unterschiedlich gezackte Tonräder an. Die rotieren in einem Magneten und erzeugen kleine Wechselströme, die durch elektrische Verstärkung in hörbare Sinustöne umgewandelt werden. Schichtet man mehrere Sinustöne übereinander, entsteht der typische Hammond-Sound. Klingt kompliziert, ist es auch. Denn die Art und Weise, wie hier Töne übereinandergeschichtet werden, hängt von der Einstellung der Register ab, kleiner Hebelchen, mit denen sich der Organist den passenden Klang zurechtschiebt. Theoretisch denkbar wären rund 387 Millionen Kombinationen, und als Bonustrack gibt es noch den sogenannten Key Click; ein knackendes Kontaktgeräusch, das beim Herunterdrücken der Taste entsteht und den Hammond-Sound so funky macht. Das Modell B3, die weltweit populärste Hammondorgel, besitzt zwei Manuale mit je 61 Tasten sowie ein Bassmanual mit 25 Pedalen.
Die Geschichte: Als Zielgruppe für seine 1935 zum Patent angemeldete Elektro-Orgel hatte Lauren Hammond Kirchenmusiker im Visier: Sie sollte in US-Gotteshäusern die teuren, großen und wartungsintensiven Pfeifenorgeln ersetzen. Die ersten User waren Gospelmusiker, die zum Lobpreis des Herrn auf die Tasten drückten. 1955 erschien das Konzertmodell B3, das im Gegensatz zum stationären Kirchenmodell C3transportabel war. Halbwegs. Manch Roadie, der in den 70ern progressiv orgelnde Musikanten auf Tournee begleitete, holte sich Hammond-bedingte Bandscheibenvorfälle, denn zur schweren B3 gehört der Leslie, eine Verstärker/Lautsprecher-Kombination vom Format einer Industriewaschmaschine. Seine Basslautsprecher und Hochtonhörner rotieren auf Knopfdruck wie wild, was den typisch schwirrenden Klang erzeugt. Im Zeitalter der Elektronik lässt sich der Hammond-Sound künstlich generieren – aber nur in gewissen Grenzen. Hammond-Suzuki, so heißt die Firma heute, stellte 2002 die „New B3“ vor, die dem Original sehr nahe kommt. Wahre Freaks schwören aber auf die alte Wuchtbrumme im Echtholzgehäuse. Und auf gut trainierte Roadies.
Die Anwender: Der Erste, der die Hammond erfolgreich aus der Kirche entführte, war Jazzorganist Jimmy Smith. Orgel-Trios galten als hip, da wollten die Rocker nicht zurückstehen: Booker T. Jones setzte der Hammond 1963 mit „Green Onions“ein Denkmal, später folgten Brian Auger, Procol Harum, Deep Purple und Pink Floyd. Progrocker wie ELP und Yes nutzten die B3 bis zum Exzess, andererseits entstanden in den 70ern zahllose „Hammond-A-Go-Go“-Platten, auf denen Hits zu Easy-Listening-Instrumentals verwurstet wurden, was dem Ansehen des Instruments schadete. Aber auch Monty Pythons Terry Gilliam, der die Hammond unbekleidet spielte, konnte dem Dauerbrenner B3 nichts anhaben. Helge Schneider spielt eine, bei Big Boss Man ist sie zentrales Element, auch Tori Arnos benutzte = sie 2005 auf The Bee Keeper. Gut erhaltene B3s sind heute selten; wer eine hat, der behält sie – was sich in saftigen Preisen niederschlägt.