Inspiral Carpets: die Kuh macht Muh
Tausende englischer Kids brüllen "Muh!", wenn die fünf schmächtigen Jungs die Bühne besteigen. Mit naivem Pop und frechen T-Shirts hat die Band aus Manchester der Kopflastigkeit den Kampf angesagt. ME/Sounds-Mitarbeiterin Martina Wimmer stieg auf den fliegenden Teppich.
Mein Gott, die T-Shirts, da ist doch nun wirklich kein großes Geheimnis dabei. Der „einzige Unterschied zu anderen Bands ist der, daß wir sie selber entworfen haben und den Gewinn investieren, um neue T-Shirts zu produzieren. Es ist einfach cleverer, sich darum selber zu kümmern, statt jemand anderem zur goldenen Nase zu verhelfen.“
Sänger Tom Hingley seufzt hörbar. Seit halb England eine etwas weggetreten grinsende Kuh auf der Brust zur Schau trägt und Manchester zum Nabelpunkt des Königreichs wurde, ist es die Hauptbeschäftigung der Inspiral Carpets, sich beharrlich als seriöse Band zu präsentieren. Kein Hype, kein cleveres Absahnen. „Verdammt nochmal, wir konnten das Geld, das wir mit den T-Shirts verdient haben, am Anfang gut gebrauchen; schließlich haben wir alle unsere Singles selber veröffentlicht und auch die LP erstmal selber finanziert. Und diese ganze Manchester-Kiste ist sowieso nur um Medien-Phänomen. Ich glaube nicht, daß die Bunds etwas gemein haben außer der Tatsuche, daß wir alle völlig selbstständig unser Ding durchziehen und uns von niemandem verarschen lassen.“
Klingt überzeugend, weiß man, daß die Insprial Carpets mit ihrer (in England mittlerweile vergoldeten) LP erst zum Label-Rundlauf starteten, als diese schon perfekt im Kasten war. „Keinen Ton hätten wir daran mehr verändert.“ Konsequenterweise endeten sie mit ihren Verhandlungen beim englischen Indie-Label Mute, „für einen minimalen Bruchteil der Kohle, die uns von den Großen geboten wurde.“
Das Objekt der Begierde sind pilzköpfige junge Männer, die mit charmanter Sixties-Attitüde – und begleitet von einer nölenden Farfisa-Orgel – über die Alltagssorgen dieser Welt singen: Herzschmerz, Familienkrach, Großstadt-Einsamkeit. Wer bei der letzten Single „This Is How It Feels“… (to be lonely – natürlich) kein wohliges Ziehen in der Herzgegend verspürt, gehört vermutlich schon ins Altersheim.
Die Kids lieben sie dafür, während die gesetzten Greise spöttisch mit den Mundwinkeln zucken. Ja, ich weiß, aber wir sind nicht die New Kids On The Block oder sowas. Wir machen Musik fürs Kinderfernsehen und können trotzdem glaubhaft bleiben. Eine richtige Teenie-Band ist man noch nur, wenn man es darauf anlegt, diesen Markt bewußt auszunehmen. Wir machen unsere Musik, den Kids gefällt sie – großartig! Außerdem finde ich es wahnsinnig arrogant, von 12jährigen Fans zu sprechen, als seien sie keine menschlichen Wesen.“
Es muß dieser humanitäre Aspekt sein, der Englands Popklientel im Moment zur friedlich feiernden Masse im T-Shirt macht. Die Jungs auf der Bühne sind Gleichgesinnte, Freunde, kein Posing, kein Starkult, kein Oben, kein Unten, auch wenn die Band, wie Tom eifrigst beteuert, „nie im Leben Elefantenhosen getragen hat.“
Nur wenn es an das eigene Selbstverständnis geht, können selbst freundliche Engländer zu Hyänen werden: Zertrümmerte Hotelzimmer und niedergeknüppelte Vor-Bands säumten in jungen Jahren den Weg der höflichen Pilzköpfe. „Wir hatten eine Sch … Agentur, haben nur schlechte Gigs und miese Bezahlung bekommen, und als uns dann mal eine Vor-Band als ‚überhebliche Pop-Idioten‘ bezeichnete, war der Ofen aus. Wir wußten immer, was wir wert sind. Wir sind eine gute Band, davon sind wir einfach überzeugt. Wenn Leute uns nicht entsprechend behandelt haben, müssen wir einfach um unseren Stolz kämpfen. Aber das Kapitel ist ohnehin jetzt vorbei.“
Tom grinst und lehnt sich zufrieden in seinen Polstersessel zurück. „Mittlerweile sind wir berühmt genug, um zu bekommen, was wir wollen. Jetzt geht es nur darum, in Europa und Amerika zu zeigen, daß wir kein spleeniges englisches Phänomen sind, und natürlich in der Heimat noch berühmter zu werden. Wir wollen überall hin, Musik muß universal sein.“
Organist Clint Boon wurde unlängst in einem englischen Interview noch ein wenig deutlicher. „Wir werden immer größer und wir werden so schnell auch noch nicht aufhören zu wachsen. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum die Inspiral Carpets nicht die U2 der Neunziger werden sollten.“
„Cool As Fuck“ steht über der fröhlichen Kuh auf dem bandeigenen Hemd. In der Tat – vielleicht geht die freche Rechnung ja sogar auf.