In Schrottgewittern


Die Pendlerpauschalunterhaltung muss gekürzt werden, findet Josef Winkler.

Neulich auf der A 31 Richtung Meppen, das altbekannte trostlos-entwurzelte Hineingeworfensein in die deutsche Popradiolandschaft, sobald man mal ein paar Meter hinausgefahren ist aus dem Sendegebiet des Leib- und Magensenders. Die Kilometer ziehen sich hin, ich zappe fremdelnd und ziellos im Äther herum. Das ist immer wieder mit einem Hauch von Lebensgefahr verbunden, denn auf dem Autoradiofrontpanel genau denjenigen stecknadelkopfgroßen Knopf, der für das Vorwärtsskippen zuständig ist, immer aufs Neue zu finden und dann mit der Fingerkuppe auch punktgenau zu treffen, ist Feinarbeit und erfordert stets einen kleinen Seitenblick. Denn sonst erwischt man aus Versehen einen der im direkten Umfeld angeordneten sub-stecknadelkopfgroßen Knöpflein, deren Funktionen mir unbekannt waren, sind und bleiben werden, woraufhin dann irgendetwas an- oder ausgeht, was man nicht brauchen kann, weil entweder der Ton komisch wird oder der Sender verschwindet oder plötzlich jemand Verkehrsnachrichten aus weit entfernten Landesteilen ins Auto schreit. Man drückt versehentlich RDS und AF und PS und TMC und TA und RT und EON und PTY, und wie macht man das jetzt wieder rückgängig? Aus dem Augenwinkel versucht man, subtile Veränderungen auf dem in allen Modefarben discoblitzenden Display auszumachen, um eventuell Rückschlüsse auf den angerichteten Fehler zu ziehen, während 30 Zentimeter neben dem linken Ellenbogen ein 40-Tonner vorbeizieht. Ich kann einen G7-Akkord greifen, ohne aufs Griffbrett zu schielen, ich kann diese Kolumne tippen, ohne auf die Tastatur zu schauen, aber von Radio FFN zu Radio 21 skippen geht nur über Auge-Hand-Koordination.

Wäre das nicht eine Aufgabe für den Bundesverkehrsminister, für noch mehr Sicherheit zu sorgen durch eine gesetzliche Regelung, nach der alle auf bundesdeutschen Straßen in Betrieb genommenen Autoradios über einen mindestens tischtennisballgroßen Sender-Skipbutton verfügen müssen? Aber das ist wohl illusorisch, weil es wahrscheinlich den Autoradioindustriestandort Deutschland schwächt, und wenn wir vorpreschen mit so einer Skipbutton-Regelung, stehen wir innerhalb der EU ganz schnell isoliert da etc.

Ja, dann bleib halt bei FFN!, sagt die Vernunft. Aber das geht ja auch nicht, weil da Sachen wie diese passieren: Es ist später Nachmittag, ein Mann, wohl der Moderator, kräht und gackert, mutmaßlich im Bemühen, arglose Pendler pauschalzuunterhalten. Dahinter und darunter scheppern Jingles, und gleich kommt die neue Single von Jason Mraz. Dann kräht plötzlich eine Frau, sie spricht von der Schuhgröße 43 des Fußballers Cristiano Ronaldo und ergeht sich in Andeutungen, was diese 43 wohl aussagen könnte über … na? Sie wissen schon: Es gebe doch den alten Spruch „die Nase eines Mannes …“ und „die Füße eines Mannes …“ Na? Haha! Was?

Während man noch den doppelten Boden des Witzes sucht – darf man doch davon ausgehen, dass Cristiano Ronaldo, überschaubare 1,85 m groß, überschaubare Schuhgröße 43, auch einen halbwegs überschaubar langen Schwanz haben dürfte; seine Schuhgröße gibt jedenfalls schon mal keinen abweichenden Hinweis – erklärt der Moderator, dies seien soeben Ausschnitte aus der „Morning Show“ heute gewesen, in der es gar so lustig zugegangen sei, weswegen er uns ein paar von der Redaktion scheint’s als hochamüsant eingestufte Schnipsel noch einmal vorspiele, „falls Sie’s verpasst haben“.

Will heißen: Falls Sie noch den Schlaf des Gerechten geschlafen haben (oder sich eher mit einer rostigen Ahle das Innenohr ausstechen würden, als sich eine Frühstücksradio-„Morning Show“ reinzuziehen), als wir heute Morgen diesen kompletten Schwachsinn verzapft haben, über den längst gut und gerne Gras hätte wachsen können, was weiß Gott das Beste für alle Beteiligten wäre – dann haben wir diesen Schwachsinn hier noch mal für Sie! Um halb sechs am Abend, auf der Autobahn. Ich will heim!

Würden sie sich eher mit einer rostigen ahle das innenohr ausstechen, als sich eine frühstücksradio- „Morning show“ reinzuziehen?