In Linz: art for „ars“ sake?


Zum zweiten Male fand in diesem Jahr im Rahmen der klassisch orientierten Bruckner-Festspiele die „ars electronica“ statt die in ihrem Anspruch ebenso revolutionär sei, wie es Bruckner selbst gewesen sei. Sagte zumindest der Herr Landeshauptmann in seiner Eröffnungsrede, bevor er sich wegen dringender Geschäfte in Richtung Wien verabschiedete. Zieht man die regionale Euphorie ab und blickt man durch die eher nüchterne Brille der Fachleute, so steht die Linzer Veranstaltung als Fachtagung für Spezialisten, Sprungbrett für Talente und Nachrichtenbörse für alle Elektronik-Interessierten einzigartig in der weltweiten Festival-Landschaft da. Revolution ist ein zu heftiges Wort für einen Bereich, der eher von technischem Kalkül und individualistischem Dachkammer-Basteln geprägt ist, doch das ändert nichts am Stellenwert der ars electronica.

Drei Konzerte und der Wettbewerb in dem Großen Preis der ars electronica erwiesen sich als Publikumsmagneten. Klaus Schulze leistete sich mit seiner „linzer Stahlsinfonie“ einen Flop (vergl. ME Live), das Laser-Konzert von David Tudor, das erst um Mittemacht stattfand, hätte mehr Publikum verdient, doch Bruckners 4. Sinfonie mit 40.000 Watt über die Donau in Richtung City gepustet, brachte rund 40.000 Leute auf die Beine. Daß selbst Reisebusse aus Süddeutschland nach Linz fuhren, könnte ebenso für eine Popularisierung der Elektronik sprechen wie die Live-Übertragungen in Rundfunk und Fernsehen des Wettbewerbs-Konzertes.

Das Mach-mit-Konzert Walter Haupts auf dem Linzer Hauptplatz und die dort von Michael Jülich aufgebaute Klangstraße – die Gongs und Stahlplatten zum Selbstbedienen sind von seinen Essener Experimenten bekannt gewesen – erfreuten sich regen Publikumsinteresses. Da tobten sich Schulklassen mit den Schlägeln aus, brave Linzer Bürger erschienen mit selbstgebasteltetem Instrumentarium zum gemeinsamen Geräusche-Ambiente, doch die euphorische Rummelplatz-Atmosphäre darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die eigentliche Arbeit auf dem Gebiet der Elektronik in hochspezialisierten Studios mit nicht minder komplizierten Geräten erfolgt BeidenFachvorträgenwaren die Insider erwartungsgemäß unter sich. Es gab Workshops zu den Themen Literatur zum Hören und Sehen, elektronische Mittel der visuellen Gestaltung und Elektronik in der Musik. Am interessantesten durch die Referenten selbst waren die Vorträge von Robert Moog und Wendy (vormals Walter) Carlos.

Moog, ein humoriger Mehrfach-Doktor der Physik, gab eine Einführung in die Physiologie des Hörens, erinnerte an Synthesizer-Vorlauf er und berichtete von aktuellen Forschungsvorhaben. Derzeit arbeitet er an einem Eingabe- und Kontrollgerät das in der Lage ist, jene sensitiven Leistungen an einen Computer weiterzugeben, die wir seiner Meinung nach inzwischen erreicht haben. Im auditiven Bareich sind wir, so Moog, kurz davor, das weiße Rauschen, also die Bewegung der Luftmoleküle hören zu können!

Wendy Carlos, die vor ihrem Hormonschock noch als Walter mit „Switch On Bach“ Musikgeschichte gemacht hatte, arbeitet derzeit an Problemen des Orchestrierens mit dem Synthesizer. Durch die neuen analogen Musikcomputer, wie sie etwa mit dem Fairlight und dem Crumar in Linz vorgestellt wurden, ist nicht nur Wendy Carlos dem alten Musikertraum, allein ein ganzes Orchester spielen zu können, ein gutes Stück näher gekommen. Daß sie sich sehr wohl des individualistischen Aspekts ihres Tuns bewußt ist, kleidete sie in ein Zitat von Paul Rutherford: Er sagte, im Leben sind nur zwei Dinge wichtig, Physik und Schmetterlinge. Nehmen sie die Musik als meine Schmetterlinge“.