Immer schön locker bleiben


Eine vorausschauende Planung kann man gar nicht hoch genug be weiten. Auch und gerade im Bereich populärer Unterhaltungsmusik, und ebenda insbesondere dort, wo eine kluge Veröffentlichungspolitik gefragt ist. „Unabhängig voneinander haben jetzt schon ganz viele Leute gesagt, dass wir ein sehr schönes Herbstalbum gemacht haben. Und deshalb können wir ja jetzt mit der Wahrheit rausrücken: Schon zu Beginn der Produktion im August vergangenen Jahres standfelsenfest, dass diese Platte im Herbst 2003 rauskommen muss, da steckt nichts anderes dahinter als cleveres und knallhartes Marketing.“

Thies Mynther, Tastenspieler bei Stella, Extremorgler bei Superpunk und kundiger Festplattenfummler im Kontext von Phantom/Ghost, sitzt im Außengastronomiebereich des Hallmackenreuther zu Köln – der Sorte Lokalität, in die man bedenkenlos auch sämtliche Freunde und Verwandte aus der Provinz mitschleppen kann; im Hallmackenreuther tummeln sich seit Jahr und Tag unglaublich viele Universalspezialisten in Sachen hipper Textilien, die aber trotz ihren szenenasigen Klamotten nicht bedrohlich wirken.

Der Jahrhundertsommer presst noch einmal ein paar zarte Sonnenstrahlen aus sich heraus, Thies Mynther scheint zufrieden, weil ihm so ein Eins-a-Business-Satz geglückt ist – und weil Freund und Kollege Dirk von Lowtzow, bekannt und vollkommen zu Recht berühmt als singendes Drittel von Tocotronic, nahtlos dieselbe Meinung vertritt. „Wir haben sogar in Erwägung gezogen, ein paar Meteorologen zu bestechen, damit die flugs das Wetter ändern. Früher dunkel wird’sjajetztsowieso schon, oberes wäre nicht schlecht, wenn esauch häufiger regnen würde.“ Dirk von Lowtzow grinst, bringt sein Heißgetränk durch konzentriertes Rühren in Schwung und sagt dann einen entscheidenden Satz in Bezug auf das Corpus delicti, eben über die „Herbstplatte“ par exellence.

„Man kann sich nicht einfach in to damascus hineinfallen lassen.Es gibt nicht so viele repetitive Momente, das Ganze ist nicht Chili-out-fähig, und auch die etwas schnelleren Tanzs tücke sind dafür zu songhaft.“

TO damascus ist die zweite Langspielplatte von Phantom/Ghost, und sie strahlt, gepaart mit schöner Lässigkeit, eine Form von Sanftheit aus, die rar ist im Bereich klingender Electronica: Aus sachte pluckernden Beats schält sich mal ein Cello, mal eine Wandergitarre, und darüber weht sachte ein dezent manierierter Gesang. „Es kommt uns immer recht mühelos vor, das alles zu machen „, erklärt Thies Mynther, „obwohl natürlich jede Menge Frickelei drinsteckt. Vielleicht klingt es so entspannt, weil unsere Herangehensweise sehr locker ist.“

HierarchlSiert Wird beim Projekt Phantom/Ghost nicht, eine Wertung zwischen Haupt- und Nebentätigkeit findet weder bei Dirk von Lowtzow noch bei Thies Mynther statt. „Es ist jetzt nicht so, dass ich das Gefühl habe, eine GbR gründen zu müssen, wenn ich mit Phantom/Ghost mehr als 325 Euro verdiene“, sagt Thies. „Phantom/Ghost ist ein bisschen wie Kaffeetrinken gehen und dabei Musik entstehen lassen“, sagt Dirk. „Ich finde auch unsere Art der Arbeitsteilung ideal. Thies macht das Meiste, ist eher so der Laptop-Typ,für die technische Seite und das Produzieren zuständig, undich… „- gekonnte Kunstpause, erneutes Herumrühren im Kaffee-«… mache eher wenig. Mein Job istes, zuzustimmen, ich bin derAbnicker. „Dirk lacht, Thies lacht: Diese Variante des Duo-Gedankens scheint beiden mächtig Spaß zu machen.

„How beautiful you are/mu secret star , singt Dirk von Lowtzow im majestätisch schönen „St. Lawrence“, artikuliert dabei in perfektem Pennäler-Englisch mit starkem Akzent und freut sich auch daran. „Unsere Musikspielt an einem Nicht-Ort, deshalb kann man auch ruhighören, dass ich in einer Sprache singe, mit der ich nicht geboren wurde. Ich gebe mir sogar Mühe, dass es so klingt, als ob jemand in einer Fremdsprachesingt. Wiepeinlich ist das denn, wenn du dich bemühst, einen englischen oder amerikanischen Akzent zu imitieren? Richtigfroh bin ich auch darüber, dass die Texte so vordergründig und dahergesungen klingen. Bei Tocotronic leide ich immer darunter, dass es so eine Wahnsinnsfokussierung auf die Texte gibt.“

Befreit vom Identifikationsballast, vom Ausgangspunkt spielerisch und doch nicht leichtgewichtig istTO damascus von Phantom/Ghost: Melancholie mit hoffnungsvoller Sättigungsbeilage, bei der längst nicht alles bis ins Letzte ausformuliert wird. Recht so: Alles zu sagen ist schließlich nicht selten das G eheimnis der Langeweile. Dct Herbst kann machen, was er will: Er wird besiegt werden. www.mute.de