Im Zoo haben wir oft Kleber geschnüffelt
Jedes dieser Bilder erzählt eine Geschichte. Nur welche? Wir haben nachgefragt. Diesmal: Shirley Manson
1 Stunvolume
Records
Im Januar 2012 stellten Garbage ihr eigenes Label vor. Auf Stunvolume wird das neue Album der Band, Not Your Kind Of People, erscheinen.
Ich könnte dieses Logo küssen! Unser Art Director Ryan Corey hat das für uns entworfen. Als ich mich mit ihm traf, um Ideen dafür zu sammeln, trug ich eine Haarklammer in der Form eines Affenschädels und Ryan fragte mich: „Wollen wir das nicht gleich verwenden?“ Er verschwand kurz und kam mit einem Entwurf zurück, der die Grundlage für das finale Design war. Ich brüllte regelrecht: „Das ist brillant!“! Coca-Cola haben Jahre gebraucht, um so ein cooles Logo zu haben! Das Label ist uns sehr wichtig. Das Verhältnis zu unserer alten Plattenfirma Interscope ist total zerrüttet. Die wollten uns nicht mehr, weil wir nicht mehr genug Geld einbrachten, sie wollten uns aber auch nicht gehen lassen, weil sie Angst davor hatten, dass jemand anderes mit uns Geld machen kann. Das ist doch geisteskrank und hat keinerlei Moral!
2 Pissoir
In der TV-Serie „Terminator: The Sarah Connor Chronicles“ spielte Manson 2008 eine Killermaschine, die allerhand Gestalten annehmen kann – wie die einer Herrentoilette.
Ein Pissoir wird nie wieder dasselbe für mich sein – und für meinen Vater auch. Er sagt mir ab und zu: „Weißt du, seit dieser Rolle muss ich beim Pinkeln häufig an dich denken.“ Ich war sofort von dieser Idee begeistert: wie subversiv! Zu schauspielern war aber auch eine sehr willkommene Abwechslung für mich, nach über zehn Jahren im Studio oder auf der Bühne. Außerdem wurde damals bei meiner Mutter eine besonders aggressive Art von Demenz diagnostiziert, sie starb dann auch daran. Ich fühlte mich so hilflos, so gelähmt. Vor diesem Hintergrund einen gefühllosen, allmächtigen Terminator zu spielen, war wie ein wahr gewordener Traum. In einer so dunklen Zeit einen so lustigen Job zu haben, hatte einen sehr guten, vielleicht sogar therapeutischen Effekt auf mich.
3 Margaret Thatcher
Die ehemalige britische Premierministerin hatte großen Einfluss auf Mansons Schauspielkarriere.
In meiner Heimat Schottland herrscht momentan eine große Diskussion über eine mögliche Loslösung vom Vereinigten Königreich. Ich bin absolut gegen schottische Unabhängigkeit. Aber ich sehe die anhaltenden Spannungen zwischen den Schotten und den Engländern und glaube, dass Thatcher maßgeblich dafür verantwortlich ist. Sie benutzte uns häufig als Versuchsgelände, beispielsweise als sie uns 1989 die von der Bevölkerung als himmelschreiend ungerecht empfundene, personenbezogene Steuer bescherte, die erst ein Jahr später in England eingeführt wurde. Mein Vater hasst Thatcher und hielt sie schon immer für eine Irre. Als ihre Demenz bekannt wurde, fühlte er sich sehr bestätigt. Aber obwohl ich nicht hinter ihren politischen Entscheidungen und Meinungen stehe, habe ich Respekt vor ihr. Sie ist eine kluge und starke Frau. Besonders für meine „Terminator“-Rolle habe ich mir viel von ihr abgeguckt. Aber haben Sie Meryl Streep als Thatcher in „Die Eiserne Lady“ gesehen? Nicht von dieser Welt!
4 U2: Achtung Baby
Für das Tribute-Album AHK-toong BAY-bi Covered spielten Garbage Ende 2011 den Song „Who’s Gonna Ride Your Wild Horses“ neu ein.
Ich liebe U2. 2001 waren wir im Vorprogramm der „Elevation“-Tour und ich konnte es nicht aushalten, wenn wir vor ihnen in der Halle waren. Ich wollte sie immer um mich herum haben. 2003 gab es eine große Veranstaltung zu Ehren von Bono in New York. Bill Clinton war da, Bob De Niro, all diese Superstars. Wir durften „Pride (In The Name Of Love)“ spielen. Ich war so nervös, dass ich mein Herz schlagen sah. Das ist mir weder davor noch danach je wieder passiert. Am Tag darauf saß ich mit Bono beim Frühstücken und er sagte etwas sehr Persönliches zu mir, etwas so Ehrliches und Kraftspendendes, das mich in vielen Jahren des Selbstzweifels tröstete. Seitdem bin ich für immer Bonos Sklave. Ich kann leider nicht verraten, was das für ein Satz war, den möchte ich für mich behalten … Gott, ich muss gleich heulen.
5 „120 Minutes“
Die MTV-Sendung strahlte 1993 nur ein Mal den Clip zum Song „Suffocate Me“ von Mansons damaliger Band Angelfish aus. Musikproduzent Steve Marker sah zufällig zu und lud Manson zu Probeaufnahmen mit seiner neuen Band ein. Garbage waren geboren.
Das Video, das alles verändert hat. Ich sang den Leuten, mit denen ich Garbage gründen sollte, nur einen Song vor und schon bin ich einen Bund fürs Leben eingegangen. Der Clip kam sogar erst um ein Uhr morgens. Muss ausgerechnet da jemand zusehen und sich für meine Stimme interessieren? Das war natürlich eine unglaubliche Geschichte, aber je älter ich werde, desto mehr dieser verrückten Zufälle beobachte ich. Und ganz bestimmt nicht nur in meinem Leben – diese Dinge können jedem widerfahren und sie passieren ja auch ständig.
6 Fotomodel
1998 ließ Manson sich für eine internationale Werbekampagne von Calvin Klein ablichten.
Das war eine große Ehre, zumal ich mich ja immer als hässliches Entlein sah. Steven Klein war der Fotograf und ich muss eine seiner glühendsten Verehrerinnen gewesen sein. Als er mir sagte, dass ich keinerlei Make-up für die Aufnahmen tragen solle, musste ich natürlich schlucken. Ich hatte ja immer dieses starke, schwarze Make-up um die Augen. Ich dachte mir: „Das ist so typisch für dich! Da hast du einmal die Chance, von diesem Wahnsinnstypen fotografiert zu werden, und dann musst du ihm zeigen, wie seltsam du aussiehst.“ Aber ich vertraute ihm. Und ich fand mich auf den Fotos dann auch echt süß. Diese Kampagne war mir sehr wichtig, ich – als jemand, der gängigen Schönheitsidealen nicht entspricht – konnte mich einem Massenpublikum präsentieren und verunsicherten Mädchen sagen: „Sei stolz auf dich!“ Meine gute Freundin Gwen Stefani und ich waren unter den ersten, nun ja: Alternative-Girls, die sich diese großen Designer zunutze machten. Bei weiblichen Popstars von heute ist das anders, die haben alle ihre Stylisten. Da geht so viel an persönlichem Ausdruck verloren. Wir hatten damals niemanden, der uns schminkte oder anzog.
7 Der Zoo von Edinburgh
Als Jugendliche brach Manson häufig in den Zoo ihrer schottischen Heimatstadt ein.
Wir sind da nachts oft eingestiegen, um Kleber zu schnüffeln. Einmal hatten wir dort sogar ein Lagerfeuer. Irgendwann wurden wir erwischt und verjagt, danach habe ich die Einbrüche sein lassen. Ironischerweise bin ich ein riesiger Tierfreund. Ich liebe Tiere auf fast absurde Weise – und zwar alle! Als Kind brachte mir mein Vater oft Poster mit dem „Esso“-Tiger mit, wenn er vom Tanken kam. Ich tapezierte mein ganzes Zimmer damit. Rückblickend wundere ich mich, warum ich den Frieden dieser Tiere stören konnte. Neben dem Zoo steht übrigens ein Hotel, in dem ich als Jugendliche samstags und sonntags arbeitete und amerikanischen Touristen Frühstück servierte. Hölle auf Erden! Menschen zu dienen! Ab dann wusste ich, dass ich niemals wieder so einen scheußlichen Job machen werde.
8 Domina
Im Video zur Single „These Things“ der US-Alternativerocker She Wants Revenge stellte Manson 2006 eine Domina dar.
Wow, was ist das denn?
Das ist einer der ersten Filme, die das bis heute gültige Bild von Dominas zeigten: „White Slaves Of Chinatown“ von 1964.
Muss ich mir unbedingt ansehen! Du zeigst mir das, weil ich in dem Video mitgespielt habe, nehme ich an. Sophie Muller, die Regisseurin des Clips, ist eine meiner besten Freundinnen und sie hat mich gefragt, ob ich mitmachen möchte. Sie benötigte jemand, der gleichzeitig heiß und gefährlich ist und dachte dabei an mich. Natürlich erfüllte ich damit mein Klischee, eine Domina zu spielen, aber ich habe ja nicht das Storyboard geschrieben. Ich wollte „Soph“ einfach den Gefallen tun. Wir unternehmen viel gemeinsam. In den vergangenen sieben Jahren, in denen Garbage pausierten und ich auch viel Freizeit hatte, sind wir beide oft nach Oaxaca in Mexiko gefahren, haben uns verrückte Klamotten angezogen und uns gegenseitig fotografiert. Dann fühlen wir uns immer ein bisschen wie Künstler.