Ich werd’ jetzt mehr wie TikTok: Paulas Popwoche im Überblick
Paula Irmschler über Grönemeyer, Bad Bunny, Meg White, Robert Smith, „Swarm“, AI-Songs und RAP4AZADI.
Spotify soll jetzt mehr wie TikTok werden, oder ist es schon geworden – wie die meisten neuen Features bekommt man es dann einfach doch gar nicht mit (wo bleibt eigentlich die DJ-Funktion, die uns „versprochen“ wurde?). Aber wird nicht eh alles mehr wie TikTok? Apps, soziale Medien, Nachrichten, zwischenmenschliche Beziehungen, aufregende Erfahrungen, Emotionen? Swipen wir uns nicht längst von Moment zu Moment, ohne … Lest es in meinem Essay von 20 000 Zeichen irgendwann mal. Jetzt muss ich erstmal schauen, was die letzten beiden Wochen so liegen geblieben ist. Schnell weiter, swoosh swoosh.
Cringe (und Wiedergutmachung) der Woche: Herbert Grönemeyer
Vor einer ganzen Weile war ja Frauentag oder feministischer Kampftag, je nachdem ob man es eher mit Blumen oder politischer halten will. Grönemeyer wurde im Zuge dessen wohl vom Radio gefragt, ob er dazu nicht was beisteuern kann, einfach IRGENDWAS. Und raus kam dabei „HERBERT GRÖNEMEYER GRUSS ZUM FRAUENTAG“. Er hat dann wirklich das Schlimmstvorstellbare getan und seinen großartigen, feministischen Song „Männer“ dafür verhunzt. Dafür änderte er sehr gute Zeilen in sehr schlechte um („Frauen ackern wie blöde / Frauen lieben Männers Telefon“), den ganzen Unfall kann man hier nachlesen und, grundgütiger, -hören.
Aber der Tagesform entsprechend freut man sich manchmal auch über die kleinsten Sachen, nämlich dann, wenn die prominentesten Stimmen in diesem Land den drängenden Anliegen zumindest nicht im Wege stehen. So äußerte sich Gröni kürzlich positiv zum Thema Gendern, also das Gendern, bei dem man versucht, alle anzusprechen. Auf der neuen Platte DAS IST LOS positioniert er sich dann auch noch so voll pro Klima („Oh Oh Oh“), richtig jung geblieben halt (wie die meisten Typen seiner Art vielleicht auch Dank viel jüngerer Frau). Dieses typische Männer-Bare-Minimum muss man jetzt nicht feiern, aber man kann sozusagen einen Haken drunter machen. Weiter, swoosh.
Süß der Woche: Bad Bunny
Bad Bunny ist entweder voll abgebrüht oder mega schüchtern, das kann man ja oft nicht so gut auseinanderhalten. Beim Carpool Karaoke mit James Corden kam dementsprechend nur so mittelgute Stimmung auf, auch wenn es natürlich wie immer cool war und die beiden Autoinsassen Spaß an den Songs hatten. Doch dann legte Corden Ariana Grandes „Break Free“ ein und die Situation eskalierte. Bad Bunny flippte total niedlich auf den Hit aus, während er versuchte, sein Verhältnis zu englischsprachigen Songs zu erklären. Man konnte dann aber ungefähr erahnen, was er sagen wollte.
Aufreger von vor ein paar Wochen der Woche: Mann vs. Meg White
Es ist eigentlich ein alter Hut, aber aller Jubeljahre muss es mal wieder aufgewärmt werden, wie misogyne Witze. Distinktionsdudes müssen hin und wieder klarstellen, dass bestimmte Frauen ihre Plätze nicht verdient haben, so auch Meg White ihren Platz in der Band The White Stripes. Es ist natürlich der reinste Neid, weil es trotz dessen, dass es sehr viele mittelmäßige männliche Musiker auf die Bühnen der Welt schaffen, nicht alle schaffen können. Und dann muss man sich natürlich an einer der wenigen Frauen, die in den Nullerjahren prominent am Schlagzeug zu sehen waren, abarbeiten. Trotz oder gerade deswegen, dass gerade diese Frau gar nichts mehr wissen will von diesen Heinis und generell der Öffentlichkeit. Da wird sich eine nicht wehren: kühner Move also von einem Typen, der diesmal Lachlan Markay hieß, eigentlich Politikjournalist ist und das Thema 2023 auf Twitter aufmachen musste.
Er twitterte: „The tragedy of the White Stripes is how great they would’ve been with a half decent drummer. Yeah yeah I’ve heard all the ‘but it’s a carefully crafted sound mannnn!’ takes. I’m sorry Meg White was terrible and no band is better for having sh*tty percussion.“ Daraufhin ging ein guter Shitstorm los, Questlove äußerte sich, Jack White äußerte sich, aber eine Reaktion ging ein bisschen unter, dabei war sie die Geilste. Jack Whites Ex-Frau Karen Elson, also die mit der er nach Meg verheiratet war, schrieb – in Anspielung auf Will Smiths Oscar-Ausraster – Folgendes:
Mittlerweile hat sich der Typ entschuldigt und sein Profil dicht gemacht, aber das Internet hat eh schon vergessen. Was bleibt, ist das Wissen, dass Meg White eine mächtige Gang hat. Cool.
Stabiler Typ der Woche: Robert Smith
Ich hab’ mich an dieser Stelle oft in der letzten Zeit über das bodenlose Ausnutzen von Fantum beschwert, zum Beispiel was das Dynamic Pricing beim Konzertticketkauf angeht. Und während viele Stars behaupten, sie könnten überhaupt nichts gegen die mittlerweile unfassbar hohen Ticketpreise und das System dahinter unternehmen, straft Robert Smith sie Lügen. Man kann sich nämlich einfach auch äußern, Ticketmaster kritisieren, öffentlichen Druck herstellen und Änderungen bewirken. Er rantet sich auf Twitter seit Wochen einen ab und kämpft wie ein Löwe um faire Ticketpreise für seine Fans.
Neil Young hingegen scheint schon aufgegeben zu haben. Auf seiner Webseite schreibt er:
Aber: Es kommt Schwung in die Gegenbewegung. Wenn sich jetzt sogar mal die Künstler wehren, fällt Ticketmaster hoffentlich bald.
Serie der Woche: „Swarm“
Um Fantum geht es auch in der Horror-, Drama- und Satire-Serie „Swarm“ (deutsch: „Bienenschwarm“), die es auf Prime zu sehen gibt. Die junge Frau Dre (Dominique Fishback) ist obsessed mit der Sängerin Ni’Jah, die sehr deutlich auf Beyoncé basiert. Auch das Thema der überteuerten Tickets kommt vor; direkt zum Anfang pfeift Dre auf ihre Miete, um gemeinsam mit ihrer Schwester zum Konzert ihres Idols gehen zu können. Es kommt einem bekannt vor, auch vor kurzem prahlten Fans weltweit quasi damit, wie schlecht es ihnen jetzt ökonomisch ginge, weil sie mehrere hunderte Dollar, Euro usw. für Beyoncé ausgegeben hätten. Wer opfert am meisten für seinen Star, wessen Liebe ist am größten? Dabei meint es definitiv niemand so ernst wie Dre. Sie ermordet sogar Ni’Jahs Hater*innen, die Serie ist also sehr blutrünstig. Dazu gibt es unzählige popkulturelle Anspielungen und Easter Eggs; um „Swarm“ hat sich längt eine große Fanbase mit den wildesten Theorien gebildet. Obsession zweiten Grades sozusagen. Nicht zuletzt brillieren Chloe Bailey und Billie Eilish in den spannendsten Nebenrollen. Kann man gut wegbingen, wenn man Pop mag und kein Problem damit hat, dass ständig was Verstörendes passiert.
Coversongs der Woche: von der AI
Letztens hat Emma Watson aus „Mein Kampf“ vorgelesen. Natürlich nicht, es war ein Fake. Mittels „Voice-Cloning“ haben irgendwelche rechten Trolle die Stimme von Watson nachahmen lassen und den Quatsch ins Internet gestellt. Wahrscheinlich werden Stimmen-AIs bald für Filmsynchronisierungen und Hörbücher eingesetzt werden und das Podcast-Game nochmal ändern, wahrscheinlich alles auf unangenehme Weise. Eine schöne, spielerische, kreative und beeindruckende Verwendung jedoch sind für mich Coversongs, die von AIs gemacht wurden. Ich kann euch dieses Rabbit Hole auf YouTube nur empfehlen. Hier ein paar meiner Favoriten; manche sind noch nicht so gut, andere wiederum gruselig:
„Ariana Grande“ covert SZA:
„Lady Gaga“ covert Lana Del Rey:
„Michael Jackson“ als The Weeknd:
„Britney“ ist Justin:
Und zu guter Letzt mein Favorit – Drake wird zu „Kanye“:
Kampagne der Woche: RAP4AZADI
Die systemkritischen iranischen Rapper Toomaj Salehi, Saman Yasin und Behrad Alikenari sitzen im Gefängnis, werden gefoltert und sollen hingerichtet werden. Während die Revolution im Iran immer mehr aus der deutschen Öffentlichkeit verschwindet, halten Rapper dagegen und zeigen sich mit denen solidarisch und sprechen für die, die nicht mehr öffentlich sprechen können. Mit dabei sind unter anderem Xatar, Kool Savas, Peter Fox, Celo & Abdi und Justina.
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.