Ich liste, also bin ich
Auswählen, strukturieren, bewerten: Das soziale Netzwerk Listgeeks.com stellt die Welt als Liste dar – und uns als Summe unserer Vorlieben.
Barry legt sein Tape ein, wirbelt zu „Walking On Sunshine“ von Katrina And The Waves manisch zwischen den Regalen von Championship Vinyl, gestikuliert hysterisch. Als die Stop-Taste gedrückt wird, faucht er: „Ich dachte, dieses Tape wäre eine Art Konversationsstimulator, Mann! Ich wollte wissen, welche fünf Lieblingsplatten ihr an einem Montagmorgen auflegen würdet!“ – Jack Black, wir kennen diese Szene aus „High Fidelity“, jenem Film, der das Prinzip der Liste obsessiv thematisiert, sich sogar erzählerisch an ihm entlanghangelt.
„Wir waren immer listenorientiert und haben uns die Köpfe darüber zerbrochen, welche Filme und Platten die besten aller Zeiten sind!“, sagt der New Yorker Derick Rhodes. Zusammen mit Max Zerrahn aus Berlin entwickelte er vor anderthalb Jahren Listgeeks.com. Eine Plattform, auf der User ihre Welt in Listen formulieren können. So übersichtlich und naheliegend, dass man sich wieder mal fragt, wieso man nicht selber darauf gekommen ist. Listen strukturieren, reduzieren komplexe Dinge auf das Essentielle und ermöglichen eindeutige Bewertungen. Allerdings geht es den Listgeeks gerade nicht um ultimative Sortierungen: „Auf unserer Seite sind die Listen dynamisch veränderbar“, sagt Zerrahn. Nichts darf in Stein gemeißelt sein, es soll verändert und optimiert werden können.
Der praktische Nutzen der Website liegt auch darin, sich Empfehlungen abzuholen. Als abgehangener Slacker bist du demnächst in München und brauchst Kneipentipps? Guck dir einfach die Lieblingsbars derjenigen User an, die auch auf Fetthaare, Pizza und Pavement stehen. Listgeeks.com ist also wie eine offengelegte Milieustudie, die dich einlädt, verwandten Stiltypen zu folgen.
Misstrauischen Sauertöpfen dürfte die Website vor allem deshalb aufstoßen, weil sie wenig Raum für inhaltliche Auseinandersetzung bietet. Die Gründe der individuellen Sortierung, dahinterliegende Erwägungen und Argumente werden ausgeblendet. Was zählt, sind Nennung und Platzierung. Nicht anders als bei den Media-Control-Charts also, die seit jeher ein verlässliches Instrument zur Marktsondierung darstellen. Aber werden die Konsumgewohnheiten aller Lebensbereiche hier in Profilen gebündelt, um sie zur planvollen Herstellung von Produkten auszuschlachten?
Nein, das Sympathische der Website lag zumindest in der Testphase darin, dass sowohl Marktanalyse als auch schnödes Checkertum praktisch keine Rolle spielten. Im Vordergrund stand der spielerische Gebrauch der Möglichkeiten. Der User goyoko erfand die Liste „Things that could be my middle name“: 1. Danger, 2. Intensity, 3. The Eagle, 4. Ladyboy. Auch gut: „Celebrities I wouldn’t be nervous meeting“: 1. Anyone canadian, 2. Any television actor, 3. Anyone in Metallica, especially Lars Ulrich.
Der virtuose Umgang mit Themen vervielfachte die Anzahl der Listen binnen kürzester Zeit. Ironischerweise haben Max Zerrahn und Derick Rhodes als Macher dieses Strukturfetisch-Projekts keinen wirklichen Plan, wohin die Reise gehen wird: „Wir lassen das Ding jetzt von der Leine und gucken, was passiert.“ Man sollte zur Zukunft der Listgeeks eine Liste anlegen: 3. Das Ding fährt gegen die Wand, 2. Weltherrschaft, 1. Einfach ein Riesenspaß.