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Hotlist 2025: Das sind unsere Newcomer:innen des Jahres – Part 2

Wir wagen einen Blick in die Zukunft. Wer sind die besten neuen Bands und Künstler:innen? Hier der 2. Teil.


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Soul fressen Angst auf: Nia Smith

Balsam für die Seele aus Südlondon: Die 21-jährige Nia Smith trat schon als Support von SZA auf und wird als der nächste UK-Soul-Star gehandelt. Auf ihrer Debüt-EP wird Empfindsamkeit großgeschrieben.

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Früher hat Nia Smith ihrem Vater manchmal den iPod geklaut, auf dem ganz unterschiedliche Musik gespeichert war. So konnte sie schon als Kind unterschiedliche Sound-Spektren für sich entdecken: Soul-Klassiker von Aretha Franklin, Lieder von Amy Winehouse und Adele. Von Letzterer hat sie dann später auch Musik gecovert, einige Aufnahmen kursieren noch heute im Netz. Als Teenagerin begann Nia Smith nicht nur Gitarre und Klavier zu spielen, sondern auch eigene Texte zu schreiben. Mittlerweile hängt sie unter anderem mit einem Produzenten von Sängerin Jorja Smith ab (mit der sie übrigens nicht verwandt ist). Und ihre warme, kräftige Soul-Stimme fährt einem direkt ins Mark. Im November erschien „Give Up The Fear“, ihre erste EP. In fünf Songs reflektiert Nia Smith Beziehungen. In „Little Red Car“ arbeitet sie sich etwa an einer gescheiterten Romanze ab. Dafür matcht ihre Stimme mit den warmen Bassläufen, Piano-Sounds und UK-HipHop-Beats.

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Titelsong, der von ihrem kleinen Bruder inspiriert ist. Smith beobachtete ihn beim Zeichnen, er malte Bilder intuitiv und hatte vor allem Spaß dabei. „Give Up The Fear“ artikuliert die Sehnsucht nach mehr Unmittelbarkeit und weniger Zweifeln. Smiths Stücke haben eine intime und hypersensible Note. Aber sie weiß auch genau, was sie nicht mehr will: In „Don’t Cry“ erteilt sie einem Typen eine Absage, von dem sie sich nicht gesehen fühlt. Auch musikalisch ist die EP im Detail abwechslungsreich: Neben stilvollem Soul-Pop mit Traditionsbewusstsein gibt es auch reduzierte Akustik und zeitgemäße Dancehall-Elemente. Das Lied „­Personal“ hat sie sogar in einer Version mit Popcaan, dem jamaikanischen Dancehall-Star, aufgenommen. Denn auch mit dieser Soundkultur kennt sich die Newcomerin bestens aus: Ihr Vater stammt aus Jamaika und hat früher auch viel Reggae auf den iPod geladen. Smith versteht es, all diese Einflüsse zu bündeln. Die Songwriterin ist von ihrer Heimat Brixton geprägt, Londons besonders lebendigem und multikulturellem Stadtteil, der für Live-Musik bekannt ist. Ihr großes Ziel: in der Brixton Academy eine ausverkaufte Show spielen. Gut möglich, dass es gar nicht mehr lange dauert.

Text: Philipp Kressmann

Diese scheiß Gefühle: Steintor Herrenchor

Die Band Steintor Herrenchor bringt 80s-Wave-Gitarre und treibende Drums zurück auf die Bühnen Deutschlands. Mit dabei im Tourbus: Trauer, Wut und bitter-süße Zeilen über Traumata.

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„Bei Liebeskummer ist Hoffnung nicht hilfreich“, steht unter den Liedern von Steintor Herrenchor – dort, wo bei Spotify sonst der Name von Label und Vertrieb steht. So als wäre der Satz aus ihrer Musik in das Streaming-Interface gesickert, gibt er den Ton schon vor dem ersten Ton an. Doch spätestens beim ersten verhallten Gitarrenakkord ist klar: Steintor Herrenchor sind traurig. Mirko, Timon und Milan beschäftigen sich mit dem, was viele in ihren Zwanzigern so beschäftigt: zielloses Umherstreifen, Nicht-älter-werden-Wollen, zerbrochene Beziehungen. Zwar haben die drei ihre Wurzeln im HipHop, halten sich seit 2021 aber an die Spielregeln des Postpunk. Mit Erfolg reiten sie seitdem die Neue Neue Deutsche Welle, auf der auch Edwin Rosen und Nils Keppel unterwegs sind. Inzwischen hat die Band viele Auftritte absolviert und tourt 2025 wieder intensiv durch ganzDeutschland

. Denn der neblige Sound fühlt sich gerade auf der Bühne wohl, wie die Videos von ihrer Reeperbahn-Festival-Collide-Session beweisen. Statt in den Armen der Ex-Beziehung finden Steintor Herrenchor also Trost in der deutschen Indie-Bubble. Der Alltag bleibt trotzdem trist, grau und unausweichlich – dafür die Inspiration aber auch nicht aus. In „Ich war da“, der Lead-Single ihrer neuen EP „Oh scheiße, Gefühle“, wandelt sich der Sound der Band, weg von dem gewollt unterproduzierten Sound, hin zu Synthesizer-Stürmen und bitter-süßen Zeilen über Traumata. Und auch wenn ihr Cover von „Ich will nicht älter werden“ der 80s-Pop-Punk-Band Bärchen und die Milchbubis es anders zu prophezeien scheint: Die Zukunft hält einiges bereit für Steintor Herrenchor.

Text: Felix Sommerburger