Zusammenfassung

Hold the Door: Ein Rückblick auf die 6. Staffel von „Game of Thrones“


Zum Start der achten Staffel von „Game of Thrones“ blicken wir noch einmal zurück. Und stellen fest, dass die sechste Staffel erhebliche Mängel hatte.

„Jon Snow Dead?“ lautete eine der häufigsten Google-Suchanfragen von 2016. Keine „Game Of Thrones“-Staffel wurde mit mehr Spannung erwartet als die sechste. Erstmals haben die HBO-Drehbuchautoren David Benioff und D. B. Weiss ihre Geschichte nicht nach einer Buchvorlage, sondern ausschließlich nach Skizzen des „A Song Of Ice And Fire“-Schöpfers George R.R. Martin entwickelt. Der Grund: Martin ist mit dem Schreiben nicht hinterher gekommen, die TV-Serie hat die Romane überholt, sein jüngster, „A Dance With Dragons“, erschien 2011. Und so lange, seit fünf Jahren, blieben die Leser über das Schicksal von Sympathieträger Snow, Herr der Nachtwache, im Unklaren.

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Staffel sechs ist ein zwiespältiges Erlebnis. HBO hat das Tempo angezogen. Bereits am Ende dieser Staffel marschieren die drei Parteien in den ersehnten Krieg, der am Ende der achten die Frage klären wird: Wer regiert vom Eisernen Thron aus die sieben Königslande? Jon Snow und die Männer des Nordens? Daenerys Targaryen, die mit ihrer Flotte aufgebrochen ist? Oder doch Königin Cersei, die es sich auf dem Thron bereits gemütlich macht. Es brennt in Westeros, jetzt aber richtig. Die HBO-Autoren handeln also schneller als Schriftsteller Martin – aber der Fokus auf Action statt Strategie lässt eine Stärke von „Game Of Thrones“ in den Hintergrund treten: die Inszenierung politischer Intrigen, die zu so großartigen, im voraus geplanten Umstürzen wie der „Roten Hochzeit“ in Staffel drei oder dem tragischen Ende des Rachefeldzugs von Oberyn Martell geführt hatten. Der Wüstenprinz plante seine Machtprobe mit den Lannisters über die komplette vierte Season.

Kein Platz für Catelyn Stark

In Staffel sechs fehlt das perspektivische Denken, der Mut, Vorlagen weiterzuentwickeln. HBO-Männer Benioff und Weiss kapitulierten vor dem bislang grandiosesten Twist der gesamten Saga. Die bei der „Roten Hochzeit“ ermordete Catelyn Stark kehrt in „A Feast For Crows“ (Band vier) als Untote zurück. Weiss’ Begründung für den Verzicht auf die Figur, warum sie unter der Erde bleibt: Sie bekommen Catelyn in den Staffeln sechs bis acht nicht mehr unter. Nicht mehr unter? Innerhalb von 26 ausstehenden Episoden? Ein Familienmitglied der Starks mehr, das keine Gelegenheit zur Revanche erhält. Damit wird eine der Triebfedern des Epos, die aus Winterfell vertriebenen Starks und ihr Comeback, weiter ausgehebelt.

Mit vielen noch nicht auserzählten Figuren wissen Benioff und Weiss, auf sich allein gestellt, wenig anzufangen. Bran Stark bildet sich die meiste Zeit im Wachkoma weiter und wird zum Westeros-Historiker; die zwei unterhaltsamsten Strippenzieher des Kontinents, Varys „die Spinne“ sowie Petyr „Littlefinger“ Baelish, vertreiben sich, jeweils an einen Ort gebunden, ihre Zeit mit Wortspielen. Zwerg Tyrion – und das ist ein Offenbarungseid – spricht offen von Langeweile. Seine Chefin, die Khaleesi, wurde entführt, vielleicht kommt sie bald zurück, solange lädt er seine Untergebenen dazu ein, ihn mit Witzen zu unterhalten.

Jon Snow stellt sich Ramsay Boltons Armee.

Größte Enttäuschung der sechsten Staffel ist der Stillstand von Arya Stark. Die kleine Prinzessin wollte sich von dem Geheimorden der „Männer ohne Gesicht“ zur Kämpferin ausbilden lassen. Nach eineinhalb Staffeln erkennt das Mädchen, dass die Zauberer schlechte Menschen sind und kehrt, um ein paar Fähigkeiten reicher, Richtung Westen zurück. Ihre Fähigkeiten als Killerin hat sie gern optimiert, aber die Philosophie der Todbringer aus dem Schattenreich sind eher nicht so ihr Ding. Sie muss längst wieder zurück, die Familie rächen.

„Game of Thrones“: Wer gewinnt den Kampf um den Eisernen Thron?

Wer in der Politik nur von Hass getrieben ist, stößt irgendwann an Grenzen. Wer König sein will, sollte sich überhaupt nicht von Gefühlen leiten lassen. Der Kampf um den Thron ist natürlich ein „Game“, ein „Spiel“, und niemand beherrschte das besser als Tywin Lannister (auf dem Abort erschossen in Staffel vier) und Stannis Baratheon (auf dem Schlachtfeld gefallen in Staffel fünf). Kluge Feldherren mit gesundem Zweifel und einem Verständnis von Diplomatie.

Sie waren bereit, ihre Kinder zu opfern, aber nie, nie haben sie sich vom Blutrausch treiben lassen. „House Of Cards“ mit Drachen, wenn man so will. „Wir brauchten eine schnelle, dreckige Lösung“: So präzise wie nüchtern wie erschütternd beschrieb Tywin einst den Mord. In unserer Welt würde man sagen: heimtückischer Mord an gleich drei Starks bei der „Roten Hochzeit“. Hassen konnte man Tywin deshalb nicht. Er ist eben ein Politiker – der noch nicht mal sich selbst, sondern seinem Enkel den Aufstieg zur Nummer eins sichern will.

Hodor

Für die sechste Staffel scheinen die Autoren sich darauf verständigt zu haben, dass ein Antagonist, der Perversitäten in sich vereint, einen Gewinn darstellt. Ramsay Bolton, Vatermörder, Brudermörder, Schwanzabschneider, Sklavenschänder: Er ist für jedes Verbrechen zu haben, weil ihn nur Impulse antreiben. Fast jeder seiner Auftritte führt zu einem blutigen Eklat. Bolton soll offenbar die Projektionsfläche sein für alle Zuschauer, die unbedingt hassen wollen. Bolton ist kein Politiker, sondern ein echtes, schlichtes, menschliches Monster, wie es sich jede langweilige Fantasy-Serie gönnt. Schade, dass sich nun auch „Game Of Thrones“ darauf eingelassen und ein Alleinstellungsmerkmal – alle Feldherren sind abgezockte Spieler – verloren hat.

Der Schöpfer übt Kritik an der Serie

Ein einziges Mal hat Schriftsteller Martin eine Szene kritisiert – eine Szene mit Bolton nämlich: Ihm und jedem „GOT“-Fan war klar, dass in Martins Welt nicht einmal ein Scheusal wie Bolton die eben mit ihm vermählte Frau Sansa sogleich vergewaltigen würde. Der Schriftsteller sagte, mit der sinistren Szene sei HBO übers Ziel hinausgeschossen. Die Fernsehleute schwiegen pikiert. Die Rüge von höchster Stelle verweist darauf, dass Martins literarischer Kosmos so faszinierend ist, weil die Figuren stets glaubhaft handeln.

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Wie wichtig die Zusammenarbeit mit George R.R. Martin sein kann, zeigt der Höhepunkt der Staffel: Zuschauerliebling Hodor opfert sich für seinen Schutzbefohlenen, er hält die Armee der Weißen Wanderer zurück, sodass Bran Stark flüchten kann. „Hold The Door“ – „Halte die Pforte zu“, damit die Untoten nicht herausströmen, das ist Hodors letzte Aufgabe in diesem Leben. „Hold The Door“, abgekürzt: „Hodor“. Drehbuchautor Weiss verriet, Martin habe von Anbeginn seiner Saga, also seit Beginn seiner bislang fast 5.000 Seiten langen Erzählung, den Namen dieser Figur mit deren Schicksal verknüpfen wollen.

Nachdem „Hold The Door“ im Fernsehen offenbart worden war, glühte das Netz vor Liebesbekundungen an Martin und dessen Vision. Staffel sieben könnte noch mehr von diesen Visionen vertragen, um „Game Of Thrones“ zurück in die Spur zu bringen.

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