Hirnflimmern: Josef Winkler über Battles, Knock-outs und Petitionen


Wo hat Josef Winkler solch geschliffenen Unterhaltungsschienen-Neosprech aufgeschnappt?

„Einmal batteln wir noch, dann haben wir unsere Talente für die Knock-outs!“ Äh, bitte was? Tja. Guter Satz, was? Knackiger Satz. Moderner Satz. Bemerkenswert an diesem Satz ist, dass er als Satz ein Level erreicht hat, auf dem kein herkömmliches Wort, wie wir Altphilologen sie kennen und schätzen, mehr in die Sinnbildung und Aussage eingebunden ist, sondern in Subjekt, Prädikat und Objekt mit Schnullibullivokabular gearbeitet wird. Ich sag’ mal so: In meiner Jugendheit hätte man diese Aussage so gar nicht treffen können, weil es die Wörter gar nicht gab. Gut: „Talent“ vielleicht, aber das hatte man eher, und es war kein Wichtigtuerterminus für Personen, die irgendwo an was teilnehmen. Also, man hätte tatsächlich sagen müssen: „Ein Paar lassen wir noch gegeneinander antreten, dann haben wir unsere Gesangskandidaten für die Ausscheidungsrunde.“ Hm. Stimmt. Klingt auch total beschissen.

Hirnflimmern: Die Kolumne von Josef Winkler
Hirnflimmern: Die Kolumne von Josef Winkler

Wir lernen: Sprache ist immer in Bewegung und verändert sich ständig, aber meistens kommt auch nix Besseres dabei rum. Fast wie im richtigen Leben. Jetzt fragen Sie sich: Wo hat der alte Knacker eigentlich solche Sätze her? Wo hat der solch geschliffenen Unterhaltungsschienen-Neosprech aufgeschnappt? Schmiert der uns hier im mutmaßlich seriösesten Musikmagazin der Republik seine Ansichten über Popkultur aufs Brot und glotzt aber in seiner Freizeit „The Voice of Germany“? Ich sage: Ein Teil der Antworten auf diese Fragen würde die Bevölkerung verunsichern.

Würde darin doch aufscheinen, dass ich die fragliche Sendung bereits in der Vergangenheit immer wieder mal verfolgt und mich im Zuge dessen natürlich auch der Einflusssphäre von Xavier Naidoo ausgesetzt habe. Was, wie wir ja seit Kurzem wissen, schädlich sein kann. Das ist ja übrigens toll, dass man das auch mal erfährt! Da lassen die den über Jahre hinweg uns die Hucke vollsäuseln, von „Asterix“ über WM und Dudelradio und 16 Nebenprojekten bis hin zur „Voice“ – ein geschmackliches Gemetzel mitunter, in dem mahnende Stimmen, die schon früh auf das dem Naidoo’schen Œuvre innewohnende extreme Arschwehpotenzial hinwiesen, oft genug ungehört verhallten –, und dann heißt’s auf einmal: Der geht ja GAR nicht! Und zack!, war er schon wieder abserviert als ESC-äh-Talent. Ohne dass man groß Petitionen hätte unterschreiben müssen.

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Ja, ich habe einmal so eine Petition unterschrieben, die gegen Markus Lanz damals, und ich schäme mich bis heute dafür. Schon ernüchternd, an sich zu beobachten, was man mal wann für ein wie großes Problem gehalten hat. Wenn heute jemand kommen würde: „Hey, es wurden gerade 80 Leute auf einem Rockkonzert von Terroristen erschossen, aber kann ich Sie dafür interessieren, hier gegen die Weiterbeschäftigung von Markus Lanz beim ZDF zu unterschreiben?“ Der Lanz ist auf jeden Fall immer noch da, der kriegt jetzt sogar schon so seriös angegraute Schläfen – auf unsere Kosten! Von mir aus.