Kolumne

Hirnflimmern: Josef Winkler erinnert sich an seinen Jugendhelden David Bowie


Josef Winkler war ein Spätzünder-Bubi vom Land, dem dringend jemand Zunder geben musste. Es fand sich David Bowie.

Die Hektik am Montagmorgen, „klick“ macht die Kindergartenbrotzeitdose – jetzt aber los, die 8-Uhr-Nachrichten sind schon fast durch! Da sagt die Sprecherin: „Gerade wird gemeldet, dass der Sänger David Bowie im Alter von 69 Jahren gestorben ist.“ Die Radiofrau ist verrückt geworden – sie sagt, dass David Bowie tot ist. Ich trage den ungeheuer­lichen Satz hinüber zur A., spreche ihn aus wie etwas Unheim­liches in einer fremden Sprache, und im nächsten Moment kreischt und kracht es draußen – vor unserer Einfahrt sind zwei Autos zusammengeknallt. Kein geschockter Bowie-Fan, der die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hätte, nur die Banalität eines dummen Überholmanövers, Blechschaden und ein surrealer Effekt. Bowie ist tot. Das ist so wahr und so irre und brutal wie diese herausgerissene VW-Bustür da auf dem Asphalt.

Josef-Winkler-Hirnflimmern-weiss.jpgBowie ist tot. Der Satz klingt immer noch so inakzeptabel wie an diesem Montagmorgen. Viele waren überrascht, wie tief es sie berührt – wohl, weil Bowie mehr als manch „normaler“ Popstar ein Mann für Erweckungs­erlebnisse war, wirkmächtig weit über seine identitätsstiftende Hochzeit in den 70ern hinaus, etwa um Spätzünder-Bubis wie mir Gas zu geben. Ich habe David Bowie in seiner „nach Kritikermeinung“ miesesten Phase kennengelernt – das Album NEVER LET ME DOWN erschien 1987 mit großem Hallo; ich war 14, Pop-Anfänger, für großes Hallo sehr empfänglich, kaufte die LP – eine meiner ersten – und hörte sie mir nach Kräften schön. Bald kam eine Best-of mit Hits aus 20 Jahren dazu, die mich hinriss, und als es hieß, Bowie werde diese alten Songs im Zuge seiner „Sound+Vision“-Abschieds(!)tour nun ein letztes Mal live spielen, fand ich keinen, der mit zum Konzert nach München wollte und bestellte schließlich kühn eine einzelne Karte.

Ich war 17 – klar: in dem Alter hat man heute eine Solo-Weltumseglung und zwei Auslandssemester hinter sich, aber es war 1990, ich war ein Bauernbub im Chiemgau, München war groß und fern, und am Vorabend meines Trips ging mir seriös die Muffe vor meiner eigenen Courage: Worauf hatte ich mich da eingelassen? Und ja, wie rocknroll ist DAS denn! – es war meine Mutter, die mir an diesem Abend die Hand auflegte und Mut zusprach; das würde ich hinkriegen, es werde toll und ich solle mich drauf freuen! Sie hatte natürlich recht. Die Reise war aufregend, das Konzert grandios, und am nächsten Tag war ich die coolste Sau der Klasse – das war zwar nur mir selbst klar, aber das reichte. Ich war bei Bowie gewesen; sollten die anderen weiter Guns N’ Roses hören.

Als meine Mutter vorletzten Herbst im Sterben lag und ihre Hand schon so spröde und durchscheinend aussah wie die von Bowie am Anfang des „Lazarus“-Videos, sagte ich ihr, wie wichtig das für mich war, damals im Frühling vor 25 Jahren. Jetzt ist auch Bowie gestorben. Und ich muss schauen, dass ich den Schwung, den mir die zwei mitgegeben haben, weitertrage.

ME