Hirnflimmern
Wenn ich Getränkeautomaten konstruieren dürfte, dann würde ich einen bauen, bei dem die Colaflaschen nach Betätigung des Wahlknopfes in maximaler Höbe – 90 cm sollten es schon sein-aus ihrem Lager jach geschoben, dann ungebremst herunterstürzen und mit einem Krachen in das Ausgabefach knallen wurden, dass man als Colakäufer jedes Mal die Obren anlegt. Und wenn man dann durstig die Flasche öffnet, spritzt einem erst mal ein Drittel des Inhalts die Ärmel hoch. So einen Automaten würde ich konstruieren, war das nicht ein Heidenspaß?! Abersiehe da: Selbst wenn ich Getränkeautomaten konstruieren dürfte, diesen einen brauchte ich gar nicht mehr zu erfinden. Den gibt’s nämlich schon, er steht bei uns im Flur. Also, ich geh mir mal schnell die Hände waschen. So. Gut. Wissen Sie was? Ich hab eh keine Lust, Getränkeautomaten zu bauen. Aber wenn ich zum Beispiel Fernsehsendungen konzipieren dürfte… Ich habe das Gefühl, da könnte ich mich echt nützlich machen und der Menschheit viel Zeit sparen. Zum Beispiel „Pushing Daisies“. Staffelweise geht’s da dahin, meine Güte. Dabei ginge das viel straffer. Etwa so. Synopsis: Typ findet raus, dass er Tote für kurze Zeit wieder zum Leben erwecken kann, wenn er sie mit der Hand berührt. Sieht in Zukunft vernünftigerweise davon ab, dies zu tun. Ende. Der Fall wäre nach einer Folge erledigt, und wir könnten wieder dazu übergehen, Sinnvolles zu tun oder Blödsinn zu machen. Oder hier: „Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener“. Ginge viel schnörkelloser. Synopsis: Sarah Wiener klatscht eine Viertelstunde lang alles Mögliche in Töpfe und rührt es zusammen. Am Ende jeder Folge der Cliffhanger: Sarah Wiener taucht einen Löffel ein, führt ihn zum Mund- das Bild friert ein, Stimme aus dem Off: „Seien Sie auch nächstes Mal wieder dabei bei den kulinarischen Abenteuern der Sarah Wiener, wenn es beißt: Wird Sie es wagen, den Quatsch auch noch zu essen?“ Irgendwie so. Das wäre dann auch das Maximum an Kitzel, das ich mir und den Fernsehzuschauern würde zumuten wollen, speziell nach so einer Nervenfolter wie dem „Echo“. Ich hab nur die Hälfte gesehen und bin immer noch ganz durchgenudelt. Ich halte diese Fremdschäm-Massaker, in die deutsche Award-Shows stets ausarten, immer weniger aus. Das ist anstrengender als jeder Psychoschocker, wenn man zu jeder Sekunde darauf gefasst sein muss, dass gleich wieder jemand etwas Fürchterliches macht oder sagt, aus Profilneurose oder sozialer Inkompetenz. Dass der Pocher einen Hitler-„Witz“ reißt. Dass die Schöneberger Ex-Alkoholiker Dave Gahan fragt, warum er nur Cola trinkt. Dass Bushido… den Mund aufmacht. Warum kann man den Kack nicht wenigstens von Pilawa moderieren lassen? Wenn der eh alles macht, warum nicht auch den Echo? Um über diesen provinziellen Zickenterror, für den man sich in Grund und Boden schämen möchte vor jedem der „internationalen Stars“, wenigstens dies menschgewordene Verbindlichkeitsvjundpflaster zu kleben. Ich mag im deutschen Kommerzfernsehen nämlich keine Moderatoren mehr sehen, die „anecken“. Dafür braucht’s ein Mindestmaß an Stil. Und dafür haben wir offensichtlich nicht das Personal.