Hirnflimmern


Ich kann nicht länger mit der Lüge leben. Es ist wahr: Der Autor dieser Spalte sitzt seit Wochen im Temporär-Exil auf einer österreichischen Almhütte, coacht eine Equipe von Rindviechern und hat weitgehend den Kontakt zur Populärkultur verloren. Schlimmer noch: Der Autor bin ich. Hier ist eine Welt, in der auf dem Eckbank-Sims stehende Tocotronic-CDs für Familienfotos gehalten werden („Sind das deine Brüder?“, frug der Landwirt R. letzthin, was eventuell Dirk von Lowtzow, Jan Müller und Arne Zank zu denken geben sollte). Eine Welt, in der es irgendwie keinen interessiert, wie das neue Eels-Album heilst. Eine Welt, in der man Muße hat, über andere, größere Dinge zu sinnieren. Dieser Sternenhimmel zum Beispiel. Was für eine Vergeudung von Materie! Dafür hätten sie ruhig die Erde ein bisschen größer machen können. Wäre doch okay: ein paar hundert Kilometer mehr Strand, mehr Platz, damit sich nicht immer wieder Leute um ein paar Erdstreifen bekriegen müssten, und eine Hand voll mehr Länder mit komischen Wetterlagen, in denen dann schlecht gelaunte Menschen gute Musik machen könnten. Kurzum: Eine Welt, in der man sich besser ab und an was zu lesen aus der, ähem, Zivilisation besorgt. Und das hat man dann davon: Im Spiegel steht ein Interview mit Hosen-Campino über seine Verehrung für Fortuna Düsseldorf, in dem sich der alte Gefühlsmensch über sein Liebesleben auslässt“Fan zu sein, hat nichts mit Vernunft zu tun. Man kann sich eine neue Freundin suchen,aber keinen neuen Verein.“ Die stets bestens bestückte Bildzeitung hat „unglaubliche Fotos“ von Boris Beckers „Samenraub-Baby“, das ganz rote Samenraubbabyhaare und ganz, ganz viele Samenraubbabysommersprossen hat. Und aus der Wunderwelt des internationalen Rockbiz hört man,dass Billy Corgan-der ja im Gegensatz zum Universum nie viel von Materie-Verschwendung gehalten hat, sondern jedes Atom, auf das er mit Fug und Recht seinen Namen schreiben kann, auch sinnvoll verwendet – bald mehrere(!) Alben mit Pumpkins-Resten veröffentlichen möchte (dazu werde er mit New Order auf Tournee gehen; na, die sollen mal vorsichtig sein, dass er nicht Bernard Sumner aus der Band schmeißt). Was man nicht so alles „verpasst“. Aber halt: Eines möchte ich noch loswerden. Nächsten Monat (denn bei Redaktionsschluss dieses Heftes waren die Urnen noch geöffnet) wird an dieser Stelle das garantiert schiebungsfrei ausgezählte Ergebnis der mittelgroßen GURKE 2001-Wahl zur Debatte stehen. Ja ja, fangen Sie ruhig schon mit Nägelkauen an. Und schicken Sie ansonsten mal einen warmen Gedanken an George Harrison los, ja?