Hirn Flimmern


„I want to go downtown“, sage ich, sprachlich vielleicht nicht restlos raffiniert, zu der Whoopie-Goldberg-esken Angestellten der Chicago Transit Authority. Sie blickt mich unter ihrer Wollmütze durch dicke Brillengläser an, lächelt nur unmerklich und fragt mit, ja: bluesiger Stimme: „How bad?“ Bitte? „How bad you wanna go? Really bad? “ Erst jetzt begreife ich den Gag und schließe die Dame ins Herz, die uns nun mit komplizierter Schrulligkeit den Fahrkartenautomaten erklärt, wohl in der Annahme, es mit Besuchern aus einer vorzivilisierten Bergrepublik zu tun zu haben. Wir haben kein Kleingeld, und ich renne in den nächstgelegenen Laden, um irgendeinen Kleinartikel mit einem 10-Dollar-Schein zu bezahlen. Der nächstgelegene Laden ist ein mexikanisches Geschäft mit religiösen Devotionalien, Gipsfiguren, sehr katholisch-schamanisch, und einem Regal mit kleinen Spielzeug-Macheten aus Sperrholz. Ein Buschmesser für meinen Neffen, zwei Dollar – acht Dollar Wechselgeld für den Automaten. Downtown, das Wilco-Maiskolbenhaus anschauen. Dann viel zu früh am Flughafen-Gate. Zeit, ein Stück des vorhin geführten Interviews abzutippen. Beim Öffnen der Laptoptasche ragt das Heft der Spielzeugmachete heraus. Ich erkenne an, dass das seltsam aussieht, so kurz vorm Einsteigen in eine Transatlantik-Maschine. Weil ich meine Mitmenschen nicht beunruhigen möchte, ziehe ich die Spielzeugmachete ganz heraus und hantiere kurz umständlich damit herum, auf dass jeder Herüberlugende erkenne: Nur ein Spielzeug – 35 cm Sperrholz ‚wir ‚Werden überleben. 20 Minuten später beugt sich ein Sicherheitsmensch der großen deutschen Fluglinie, mit der ich reise, zu mir herunter. Ob er einen Blick in meine Tasche werfen dürfe – es habe da „eine Frage“ gegeben. Sofort überreiche ich ihm die HOLZspielzeugmachete: Wenn die ein Problem darstelle, könne er sie einbehalten, sie habe ja nur zwei Dollar gekostet. Wir gehen zu seiner Vorgesetzten, die bitterbelustigt tut ob des sichergestellten Leichtholzbrettchcns, als könne sie die SCHIERE CHUZPE nicht fassen, mit der die Leute heutzutage versuchen, HOLZspielzeug in Flieger zu schmuggeln. Ich wiederhole mein Angebot, sie könnten das Ding einbehalten und hebe an, die Hintergründe des Holzspieizeugmachetenkaufes zu erklären – die allerdings keinen zu interessieren scheinen. Den Sicherheitsmenschen aber hat sein Fahndungserfolg heiß gemacht. Und während seine Chefin mir wiederholt auseinandersetzt, dass das also GAR nicht gehe mit dieser Spielzeugmachete an Bord (sie nimmt das Wort „Spielzeug“ natürlich nicht in den Mund, sonst müsste sie sich ja bescheuert vorkommen), quatscht er ihr rein mit dem Hinweis, vielleicht habe „er“ (also ich) ja noch „etwas anderes“ dabei. Weil, klar: Wenn einer HOLZspielzeugmacheten in der Laptoptasche mitführt, wer weiß, ob der dann nicht auch HOLZspielzeuggranaten und HOLZspielzeugstalinorgeln in der Unterhose hat. Gerade als ich in Stimmung komme, meine bisherige zweckmäßige Unterwürfigkeit nun doch mit ein paar Widerworten zu würzen, wimmelt die Blonde den Narren ab. Und ich? I wanna go home. How bad? Really bad.