Hier sind die Onkelz


HIER SIND DIE ONKELZ in erster Linie unter musikalischen Gesichtspunkten zu beurteilen, wäre schlichtweg blödsinnig. Wie die meisten anderen Platten, die eine Mischung aus Metal, Hardrock und Punk präsentieren, ist auch das aktuelle Album der Böhsen Onkelz zuallererst ruppig und laut. Was zumindest denen entgegenkommt, die an einer soliden Dröhnung eher Gefallen finden als an differenzierten Tönen. Worauf es bei den Böhsen Onkelz aber wirklich ankommt, sind ihre Texte. Immerhin stehen die vier Frankfurter auch Jahre nach ihrer Abkehr vom braunen Sumpf bei vielen noch in dem Ruf, eine Faschokapelle zu sein. Nun gibt es Faschismusdefinitionen in jeder beliebigen Länge. Eine kurze und auch für Nichthistoriker verständliche bietet der Duden an. Faschismus, so heißt es da, sei eine „antidemokratische, nationalistische Staatsauffassung oder Herrschaftsform“. Folgt man dieser (oder auch einer ausführlicheren) Definition, gerieren die Böhsen Onkelz sich schon seit Jahren nicht mehr faschistisch. Weder rufen sie zur Diktatur auf, noch dreschen sie nationalistische Parolen. Wenn überhaupt, dann fällt Stephan Weidner, der Onkelzautor, schon eher durch eine postpubertäre Paranoia auf. So sieht er sich und seine Band auf der neuen Platte als „Feindbild Nummer eins“ (was denn doch zu viel der Ehre wäre) und geißelt „korrupte Bullen“ und „Schulen voll Idioten“. Weidners Fazit: „Das Leben stinkt, es stinkt gewaltig“. Doch „ich mache, was ich will, ich mache das, was mir gefällt“, denn „Du machst mir keine angst, ich tue nicht, was Du verlangst“. An anderer Stelle heißt es: „Alles was Du sahst, von Anfang an, waren kleine Tragödien von Liebe und Tod, von Armut und Elend, von Sehnsucht und Not“ (sind nicht Frust und Verdruß Väter der Radikalität?). In einer Erläuterung des Textes von ‚Laßt es uns tun‘ meint Dichter Weidner: „Das Land verderben, ist eigentlich gar nicht mehr möglich, da es schon… verkommen ist.“ Also, folgt man böhser Logik, entstehen Haß und Helden. Von beiden ist auf dieser Onkelz-Platte die Rede. Wogegen sie sich richten, bleibt allerdings im dunkeln. Außerdem gibt es ein Stück über ein Mädchen, das von seinem Vater mißbraucht wird und von den Onkelz in einem Song mit dem idiotischen Titel ‚Viel zu jung‘ besungen wird. Ab wann, bitte schön, ist man denn für sexuellen Mißbrauch alt genug?

Weniger daneben, aber immer noch peinlich plump: der Text von Weidners Heroinsong ‚H* („Ich wollte es beenden, fast war es soweit. Ich vergiftete mich selbst, doch ich hab es überlebt.“).

Nein, auch das neue Album der Böhsen Onkelz ist keine faschistische Platte. Nur eine ziemlich dumme — was allerdings aus unterschiedlichen Gründen auf den überwiegenden Teil der Rock- und Pop-Produktionen zutrifft. Wirklich bedenklich ist nur, daß Stephan Weidners oftmals wirres Schwarz-in-Schwarz-Geschwurbel von messianisch maßloser Selbstüberschätzung zeugt: Die Welt ist schlecht, drum folgt mir. Fragt sich bloß wohin.