Herbert Grönemeyer
beschäftigte sich in London mit den Fragen der ME-Leser. Und deren Wunsch war ihm Befehl: „Bitte ernst- haft beantworten und keine flapsige Meyerei.
notiert von Christoph Lindemann Gut gelaunt erschien Herbert Grönemeyer in den Büros seines Grönland-Labels im Zentrum von London. Mit einem Decaf-Cappuccino und Sandwiches ließ er sich mit uns auf der Couch nieder, um die E -Mails und Briefe zu begutachten, die ME-Leser in den letzten Wochen geschickt hatten. Die einzige Unterbrechung war eine willkommene: Mitten im Interview platzte ein guter Freund herein – der legendäre StaT-Fotograf Anton Corbijn.
Es spricht für ihn, dass er sich zu einer spontanen Foto-Session überreden ließ, obwohl er ganz offensichtlich von der Vollautomatik der idiotensicheren ME-Hightech-Kamera überfordert war. Als die wichtigsten Details geklärt waren „Muss ich da draufdrücken? Ist das Autofokus? Hat das einen Blitz?“-, schoss er Fotos. Eines indiskutabler als das andere. „Ich halte meine Hand ins Bild“, verkündete der Künstler, bevor er sich zufrieden mit auf die Couch gesellte.
Weiches Wort reimt sich auf „Mensch ‚? Ich war bei einer Lesung von Heinz Rudolf Kunze, er hat keines gefunden.
Eleonore Mittermayer, Ribnitz-Damgarten Mensch… Ich glaube, es gibt keins. Also Gelenk. Wenn man freier reimen würde. Oder verdrängt. Aber es gibt, glaube ich, kein anderes Wort, das mit „nsch“ endet.
Wenn man radikal reimen müsste.
Ursula Münch, Angersdorf Walter Schönauer, ein wunderbarer Grafiker aus Berlin. Er kam mit den Entwürfen. Mit ihm hab ich auch die „Pop 200o“-Boxund „Das gibt’s nur einmal“ gemacht.
Entschuldige, aber das Cover sieht aus wie ein New Age-Teit, das mir ein Hare-Krischna-Jünger für zwei Euro in der Fußgängerzone andrehen will. Bist du jetzt Esoteriker?
Claudia,per E-Mail Das hat mit Esoterik ja nun gar nichts zu tun. Die Idee war, dass das ein Gerüst ist. Wie in der Bauhaus-Architektur. Das sind Stahlträger, dahinter sind viele Fotos von Menschen und einem kleinen Roboter. Ist das esoterisch? Kann ich nicht nachvollziehen.
Bezüglich des Textes von „Mensch – du hast vor kurzem gesagt, dass Musik für dich keine Selbsttherapie sein kann. Verarbeitet aber nicht jeder Künstler seine Lebensumstände irgendwie in seinen Werken ? Petra Kowalewsld, München Richtig. Das würde ich unterschreiben. „TheTapie“ ist mir zu medizinisch. Das klingt, als ob ich das Lied schreiben muss, damit mir’s danach besser geht. Natürlich verarbeitet man in den Liedern ganz konkret die Dinge, die einen betreffen. Gerade bei mir- ich bin kein großer Geschichtenerzähler. Ich kann Texte eher darüber schreiben, was ich erlebe.
Hast du Tricky ein Autogramm gegeben? Warum liebt er dich so?
Oliver Grimm. Berlin Haha! Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass er hak meine Stimme mag. Man hat ihm damals wohl „Bleibt alles anders“ vorgespielt, und da hat er direkt gesagt: „Wer ist das denn, der hat ja eine unglaubliche Stimme.“ Dann hab ich mal mit ihm in Hamburg den Abend verbracht – ein toller Kerl. Wir haben nochmal telefoniert. Er hat mich gefragt, ob ich auf seiner Platte singen würde, dann hat sich das aber verlaufen.
Mein Lieblingssong ist ja „Bochum . Kannst du dich mit dieser Schaffensphase noch identifizieren?
Marco Altjohann, Rekhshof-Hardt ‚ B ochum‘ hat nach wie vor eine Qualität – was ich nicht von allen meinen Songs sage. Das Lied ist schon typisch für die Art und Weise, wie ich Klavier spiele und mit Harmonien arbeite. Das war eine Art Sturm-und-Drang-Phase, da war ich naiv und unbeschwert. Die erste Platte, die ich in Eigenverantwortung produziert habe. Das war der Startschuss für das eigene Selbstverständnis. Das ist eine tolle Nummer, nach wie vor.
Noch vor dem Abitur hat dich Peter Zadek ans Schauspielhaus Bochum geholt. Welche Rollen hast du gespielt? Wie war die Zusammenarbeit mit Zadek ?
Esther Urbanski, München Ich bin als Pianist zum Theater gekommen. Da hab ich vorgespielt, der Regisseur war total bekifft. Ich hab „Für Elise“ verjazzt, das fand er ganz irre und hat mich sofort engagiert, haha. Bei Zadek hab ich gespielt den Melchior in .Frühlingserwachen‘, da war ich relativ schwach. Er hat in der Generalprobe gesagt, wenn ich mal aufhören würde, auf die Schuhe zu gucken, dann könnte es auch was werden. Dann sollte ich den Laertes in .Hamlet‘ machen, da bin ich aber ausgestiegen, weil ich das alles nicht verstanden habe, was ich da sagen sollte. Mir war das alles nicht geheuer. Da gab’s eine Kontaktübung. Zadeks ehemalige Freundin spielte meine Freundin in einem Stück. Da sagte er dann zu ihr – als Übung -: „Zieh ihn aus.“
Dann sagte ich: „Was soll denn der Quatsch, mich zieht gar keiner aus“, und bin nach Hause gegangen und zwei Wochen nichtzur Probe gekommen. Aber das fand er irgendwie lustig. Das war mit die schönste Zeit meines Lebens – bunt und schnell. Ich ging morgens zum Frühstücken hin und nachts um eins nach Hause.
Woran liegt es, dass nur wenige Künstler mit deutschsprachiger Popmusik im Ausland erfolgreich sind? Daniel Dinkel per E-Mail aus Spanien Die deutsche Sprache stößt – ganz anders als die französische, italienische oder spanische – zunächst mal auf Votbehalte im Ausland. Gerechterweise, aufgrund der faschistischen Vergangenheit. Und auf der anderen Seite hat es mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun. Aber wenn man an die Kunstlieder von Schubert und Schumann oder Brecht und Weill denkt… und es gab ja auch schon mal Hits von Falco, Nena und Rammstein, das geht schon. Aber das Selbstbewusstsein muss auch noch steigen. Es ist auch mein Traum, irgendwann deutsch singend überall zu spielen. Wir haben diese Vergangenheit, deshalb wird es etwas länger dauern.
Ist es dir schon einmal aufgefallen, dass es unmöglich ist, zu deiner Musik zu essen?
Maruan Hoffmann,per E-Mail Nee, ich höre meine Musik nie zu Hause. Haha, das ist gut! Das würde ich mal gerne wissen, warum?
Macht es dir Angst, dass Tausende was von dir wollen? Mit dir auf der Bühne stehen und singen, Kaffee trinken, Sex, dir ihre Probleme erzählen?
Claudia, per E-Mail Ja, am Anfang ist das schon überwältigend. Da weiß man nicht, wie man damit umgehen soll. Man sollte vorsichtig sein, von meiner Musik auf mich zu schließen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Diesen Satz „Traue der Kunst, aber nicht dem Künstler“, den würde ich auch unterschreiben. Meine Texte, die sind nur ein Teil von mir. Ich mache Musik, die kann man sich anhören, man kann in die Konzer te kommen, und ansonsten… mehr kann ich nicht tun. Was das in einem selbst auslöst, ist schwer zu erklären. Man versucht, am Boden zu bleiben und nicht zu denken, dass man, weil man berühmt ist, auch klüger ist als andere.
Möchtest du deine Möglichkeiten nutzen, um mir beim Kriegen eines Jobs behilflich zu sein ?
Claudia,per E-Mail Das ist genau der Punkt. Dabin ich nicht der Richtige.
Sind deine Kinder eh musikalisch oder hast du in jungen Jahren nachgeholfen? Klavierstunden beim Papa?
Windy, per E-Mail Bei Papa geht gar nichts. Ich durfte auch nicht bei denen am Bett sitzen und Schlaflieder singen. Das hatte ich mir immer sehr romantisch vorgestellt. Meine Cousine durfte das, ich nicht. Die haben beide Klavierstunden, zum Teil auch widerwillig. Mein Sohn programmiert auch und spielt in einer Band. Es ist nicht so, dass ich unheimlich Druck mache. Ich versuche, ihnen Sachen anzubieten, und passe auf, dass sie nicht aufhören,bevor ich das Gefühl habe, dass es wirklich keinen Sinn macht. Meine Tochter Marie singt ja den Chor auf „Mensch“. Das war ihr erster Kontakt mit dem Studio, aber ich hab die da nicht hingezerrt.
In“.Frühlingssinfonie hast du 1982 in der Hauptrolle den Komponisten Robert Schumann gespielt, die weibliche spielte Nastassja Kinski. Ging da was ?
Robert Dürnberger, per E-Mail (stoppt das Kauen, grinst und fangt schließlich an zu lachen) Nein. Hätte mich das interessiert? Dazu sag ich jetzt nichts, hahaha! Sie ist sehr, sehr nett. Wir haben zusammen gespielt. Und das war’s.
Host du eine Cesangsausbildung?
Ursula Münch, Angersdorf Hab ich nicht, aber meine Großmutter hatte eine. Als ich 14 war, hat sie gesagt: „Wenn du so weitersingst, geht deine Stimme kaputt.“ Ein HNO-Arzt hat gesagt, dass ich Stimmbänder wie Stahlseile habe, toi toi toi. Ich hab immer gesungen, auch im Chor. Stravinski, ganz kompliziertes Zeug. Aber eine Ausbildung passt auch gar nicht zum Rock’n’Roll.
Herbert, kannst du nicht mal deutlicher singen ?
The.Wall@web.de Haha! Nein!
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