Herbert Grönemeyer


Keiner, nicht einmal die eigene Plattenfirma, hatte mit diesem Erfolg auch nur im Traum gerechnet. Doch der Blonde aus Bochum, inzwischen in Köln ansässig, scheint mit seiner (Anti-) „Männer“-Hymne den Nerv der Zeit auf den Nagel zu treffen. Zusammen mit Kollegen wie Klaus Lage und Wolf Maahn demonstriert er ein neues Selbstverständnis deutscher Rockmusik: unprätentiöse, sich nicht anbiedernde Songs, die nach dem NDW-Geplänkel wie ein reinigendes Gewitter wirken. Daß damit auch Hitparaden zu stürmen sind wer hätte das für möglich gehalten?

ME/Sounds: Herbert Grönemeyer schon Ehrenbürger von Bochum?

Grönemeyer: „Nein, noch nicht. Dafür muß man wahrscheinlich 80 sein und darf auch nicht singen, daß die Stadt total verbaut ist. Das mögen die Städteplaner nicht so, weil die ja immer glauben, daß sie die Stadt unheimlich schön zusammengebaut haben. Aber was mich sehr ehrt: Der VfL Bochum hat mich zu seiner Weihnachtsfeier eingeladen.“

ME/Sounds: Was ist dir an Bochum so wichtig, daß du eine ganze LP nach dieser Stadt benannt hast?

Grönemeyer: „Um das erst mal klarzustellen: Ich bin natürlich weder der neue Bergarbeiter-Caruso, noch lasse ich mich jetzt vor’m Förderturm fotografieren. Aber besonders in den Jahren seit ich nicht mehr in Bochum lebe, habe ich aus der Distanz erkannt, wie sehr es mich geprägt hat, dort aufgewachsen zu sein. Die Stadt war unheimlich wichtig für meine Entwicklung. Ihren Menschen habe ich viel zu verdanken. Die haben so eine unkomplizierte, gradlinige Kraft, sowas Direktes.

Wo sonst könnte ein Oberbürgermeister – ohne Anstoß zu erregen – verkünden. “ Kultur- das ist bei uns der VFL!“ Und wenn die eine Sitzung haben, die mit der Bundesliga zusammenfällt, dann hängen die Ratsherren mit einem Ohr am Radio. Das gefällt mir. Das macht mir das Ruhrgebiet – und der LP-Titel 4630 BOCHUM ist ja nur ein Synonym für das ganze Revier – so sympathisch.

ME/Sounds: Als du das „Boot“ gemacht hast, stand dein Name schon hoch im Kurs. Jetzt machst du eine zweite Karriere. Ist die Art von Popularität, die du jetzt erlebst, qualitativ und quantitativ eine andere?

Grönemeyer: „Absolut! Zahlenmäßig läßt sich das zwar schlecht vergleichen: Den Film haben über vier Millionen gesehen, die Platte geht auf 250000 zu, aber sicher kennen viel mehr Leute die Songs.

Inhaltlich ist es auf jeden Fall ein gravierender Unterschied. Das, wodurch ich jetzt populär geworden bin, ist meine ganz persönliche Sache. Das bin ich und nicht der große, blonde, nette Junge von der Leinwand, auf den jeder seine Vorstellungen projizieren kann. Selbst für alles verantwortlich zu sein, das ist mir wichtig, darauf bin ich stolz.

Es war ja auch das erste Mal, daß ich selbst mit meiner Band produzieren konnte. Dadurch ist BOCHUM auch die echteste von allen LPs.“

ME/Sounds: Bist du so sicher, daß damit auch das Bild in der Öffentlichkeit echter wird? Verselbständigt sich das nicht irgendwann? Beispielsweise stand neulich ein Artikel in der Bravo: „Bravo sprach mit Herbert Grönemeyer“, der aber dann kein einziges wörtliches Zitat enthielt?

Grönemeyer: „Wenn ich auch keine Interviews mit denen mache, so muß ich doch sagen, daß sie sich bisher absolut fair verhalten haben. Da gibt es ganz andere Beispiele, wo Journalisten sich über mein Privatleben oder meine Beziehung zu Anna das Blaue vom Himmel zusammengeschrieben haben.

Du hast schon recht, jeder schreibt, was er will. Jeder kann behaupten, er kennt mich schon seit Jahren, er hätte schon mit mir geduscht und würde jeden Tag mit mir reden. Die Zahl der Leute, die mit mir in eine Schulklasse gegangen sind, hat sich inzwischen bei etwa 250 eingependelt.

Aber gerade darum ist es so wichtig, die Platte selbst so ehrlich, identisch und unmißverständlich wie möglich zu machen, damit alles, was darüber in die Welt gesetzt wird, immer durch den Inhalt der Musik und der Texte relativiert wird – zumindest für den, der hinhört.

Bedenklich fände ich es, wenn ich plötzlich Hörerschichten erreichen würde, die ich partout nicht ansprechen will. Aber das kann man ja steuern, indem man mit gewissen Medien nicht spricht oder in bestimmten Sendungen nicht auftritt.“

ME/Sounds: Wie weit setzt dich deine Plattenfirma dabei unter Druck? Wenn du dich mit „Männer“, immerhin zeitweilig bestverkaufte deutschsprachige Single, weigerst, in der ZDF-Hitparade aufzutreten, bedeutet das ja, etliche tausend Platten weniger zu verkaufen…

Grönemeyer: „Erstmal gibt es natürlich bei dem genannten Sender ein sehr vitales Interesse an diesem Auftritt – und da auch entsprechenden Druck. Bei der EMI ist es so, daß wir darüber reden. Jeder kennt die Standpunkte des anderen. Aber letztlich Kein Anschluß unter dieser Nummer“ tönt es von der anderen Seite der Telefonleitung. Nanu – das ist doch die Nummer, die er mir selbst vor ein paar Wochen noch gegeben hatte. Zweiter Versuch dasselbe. Anruf bei der Auskunft: „Tut uns leid, die Nummer ist gestrichen, hat wahrscheinlich eine Geheimnummer“. Preis des Erfolges…

Trotzdem treffen wir uns kurze Zeit später bei Kakao mit Schlagsahne in einem Kölner Cafe unweit seiner Wohnung in der Innenstadt. Obwohl mitten in den Vorbereitungen für einen zweiwöchigen Kurzurlaub vor Beginn seiner ersten großen Tournee, hat er fast einen ganzen Nachmittag Zeit für das ME/ Sounds-Interview.

„Mensch“, stöhnt er „jetzt wollen die mich hier plötzlich in die Riesenhallen stecken, weil alles schon lange ausverkauft ist. Aber ich habe keine Lust, in so großen Dingern zu spielen. Das war bei der Rockpop-Nacht schon schlimm genug. In den Club und mittleren Hallen fühle ich mich viel wohler, da ist der Draht zu den Leuten viel direkter. “ Bevor wir zur Sache gehen, ein kurzer Talk zum Warmwerden. Dabei entdecken wir ein gemeinsames Hobby: Autos. Er sagt, ich solle ihm aber bloß, wie es neulich eine Kollegin von der Boulevard-Presse getan habe, keine 23 Autos andichten, die er angeblich besäße. Es seien nämlich 27 – aber die nacheinander, bitteschön, und nicht gleichzeitig, (ah) müssen sie respektieren, daß der inhaltliche Ansatz dieses Projektes einen Auftritt bei Dieter-Thomas Heck von vornherein ausschließt.“

ME/Sounds: Bei Schauspielern, die Musik machen, beschleicht mich manchmal das Gefühl: Muß das sein, müssen die uns auch noch einen vorsingen?

Grönemeyer: „So rum stimmt das ja gar nicht. Ich hatte nie vor, Schauspieler zu werden, aber Musik habe ich immer schon gemacht. Meine erste Band hatte ich mit zehn; später bin ich dann als Pianist ans Bochumer Schauspielhaus gekommen.

Irgendwann hat mich ein Regisseur angesprochen – übrigens der, der auch „Ekel Alfred“ gemacht hat – da saß ich gerade mit der Band in der Kantine – und er fragte, ob ich nicht in einem Musical über die Beatles mitspielen wollte. So ging’s los… Durch „Das Boot“ hat dann eine Zeitlang die Schauspielerei die Musik überholt, zumindest aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit. Aber ich habe mich immer viel eher als Musiker verstanden. Und so setze ich auch meine Prioritäten für die nächste Zeit.“

ME/Sounds: Nach dem „Boot“ warst du, zumindest in den USA, kurzfristig in ein Fahrwasser geraten, das du gar nicht ansteuern wolltest…

Grönemeyer: „Ja, es gab verschiedene Filmangebote, in denen ich den blonden Nazi-Offizier spielen sollte. Aber das war nichts, über das ich ernsthaft nachgedacht hätte, obwohl eine Rolle mit einer ziemlich hohen sechsstelligen Summe notiert war.“

ME/Sounds: Bei solchen Summen nicht gezögert, nein zu sagen das hört sich fast zu edel an, um wahr zu sein…

Grönemeyer: „Ist es aber. Nein zu sagen, habe ich schon mit siebzehn gelernt, als man mich mit viel Geld ködern wollte, Schlager nach dem Motto: .Einsamkeit soll deine Zukunft sein‘ oder sowas in der Art zu singen.“

ME/Sounds: Seit wann hast du eine Geheimnummer?

Grönemeyer: „Seit nachts Leute anrufen und im Extremfall sagen: ,Wie kann man Grönemeyer am besten die Füße küssen? Indem man ihn möglichst hoch aufhängt!‘ Ich hatte einfach keine Ruhe mehr, weil die Leute zu jeder erdenklichen Tages- und Nachtzeit anriefen, vielleicht auch nur, um mal nett .Guten Tag‘ zu sagen. Aber irgendwann ist das nicht mehr zum Aushalten.“

ME/Sounds: Leute wie BAP oder Nena haben oft erhebliche Probleme, sich überhaupt noch in der Öffentlichkeit frei zu bewegen. Ist das bei dir auch schon so weit?

Grönemeyer: „Na, die sind erst mal noch ’ne Nummer größer als ich. Prinzipiell habe ich eine ziemliche hohe Bereitschaft, mit Leuten zu reden. Die können ja auch nichts dafür, wenn schon 100 andere dieselben Fragen gestellt haben.

Aber es gibt Situationen, da will man seine Ruhe haben, allein sein oder sich auch mal tierisch einen einpfeifen, und darauf nimmt natürlich keiner Rücksicht. Du wirst zum Objekt – wenn du gut drauf bist, ist das o.k., nur eben, wenn nicht…

ME/Sounds: Bist du als Schauspieler vielleicht ohnehin eine Spur eitler als die Nur-Musiker-Kollegen? 7

Grönemeyer: „Nein, überhaupt nicht. Ich bin genauso scheu wie andere. Aber es ist eine klare Entscheidung: Wenn ich etwas mache, das die .Gefahr‘ in sich birgt, daß viele Leute es mögen und ich daran auch Spaß habe, dann kann ich mich nicht zu Hause in die Ecke setzen und sagen: Nee, laßt mich in Ruhe!“

ME/Sounds: In Gesprächen über dich besonders bei Frauen dreht es sich überdurchschnittlich oft um dein Äußeres: entweder, daß du ganz fürchterlich aussiehst oder ganz toll. Und bei einem Konzert in Bochum schienen mir verdächtig viele Mädchen im Publikum zu sein. Bist du ein Sex-Symbol?

Grönemeyer: „Nee, überhaupt nicht, auf keinen Fall. Mir hat neulich eine Frau geschrieben: ,Daß Du keine Schönheit bist, weißt Du ja wohl selbst – aber Ausstrahlung hast Du; das gibt sogar mein Freund zu! 1 Ich seh‘ ja irgendwo so aus wie Klein Bübchen, aber für erotisch halte ich mich schon. Das wäre ja gelogen, wenn ich das nicht sage. Ich meine, wenn nicht jeder von sich glaubt, auf irgendeine Art erotisch zu sein, dann stimmt doch was nicht! Aber jetzt schreib bloß nicht: .Der Grönemeyer findet sich tierisch erotisch‘ oder so’n Quatsch!“

ME/Sounds: Sex kommt ja in deinen Liedern auch immer recht deutlich vor, wenn man sich die Mühe macht, auch das zu hören, was nicht im Radio läuft.

Grönemeyer: „Klar, jeder liegt doch irgendwann mal abends im Bett… Ist doch wichtig!

ME/Sounds: Du schreibst manchmal sehr persönliche Texte, die aus speziellen Situationen entstanden sind. Haben die auch später noch die gleiche Gültigkeit, oder sind das dann mehr historische Dokumente?

Grönemeyer: „Ein Lied wie ,Anna‘ z.B. ist die Bilanz einer langen Zeit, und das hat, von kleinen Veränderungen abgesehen, heute noch Bestand. Wenn Lieder nicht mehr stimmen, nehme ich sie aus dem Programm.“

ME/Sounds: Die politische Tendenz einiger Songs wie „Jetzt oder nie“ oder „Amerika“ prädestinieren dich geradezu für die Umarmungsversuche der verschiedensten linken Parteien, Gruppierungen, Bewegungen. Wie hältst du’s mit der Politik?

Grönemeyer: „Erste Anstöße habe ich durch meine Brüder bekommen, die in der 68er Bewegung ziemlich engagiert waren. Aber ich bin nicht politisch in dem Sinn, daß ich auf irgendwelche Sitzungen und VerSammlungen renne und agitiere. Politisch kann ich da sein, wo ich arbeite, indem ich z.B. für die Friedensbewegung auftrete oder bestimmte Rollen ablehne.“

ME/Sounds: In „Jetzt oder nie“ singst du: “ Kämpfen für ein Land / Wo jeder noch reden kann / Herausschreien, was ihm weh tut/Wer ewig schluckt, stirbt von innen“…

Grönemeyer: „Ja, die einzig mögliche Sprache zur Zeit. Man kann jetzt nicht mehr mit Poesie kommen. Solche anbiedernden Sachen wie .Alle, die Frieden wollen, sollen aufstehen‘ – furchtbar!

Die Situation verschärft sich immer weiter, weil alle Inhalte aufgeweicht werden. Jeder kann über alles singen, über Frieden, über Umweltschutz – je schwammiger, desto besser, damit jeder Ja und Amen dazu sagen kann. Viel schlimmer, weil effektiver als direkte Zensur, ist diese wohldosierte, subtile Gehirnwäsche, der wir jeden Tag erliegen, oft ohne es zu merken – wie ,eine träge Herde Kühe‘ eben.

Zu den Kühen habe ich neulich einen tollen Brief von zwei Mädchen bekommen. Die studieren Landwirtschaft und haben mir genau erklärt, daß ihre Kühe überhaupt nicht träge seien, dafür aber sehr verschmust. Ich sollte deshalb die Kühe bei .Jetzt oder nie‘ durch Schildkröten ersetzen. Unterschrieben haben die beiden den Brief mit den Namen ihrer Kühe.

Um noch mal zur Politik zurückzukommen: Was wir dringend heute brauchen und darum geht es ja auch in .Amerika‘ – ist ein neues Selbstverständnis, man könnte auch .Nationalgefühl‘ sagen, wenn die Rechten diesen Begriff nicht so für sich gepachtet hätten. Statt dessen, haben wir hier einen Helmut Kohl, der nächtelang nicht schlafen kann, wenn er mal wieder zu Ronnie fahren darf.“

ME/Sounds: Du hast mir mal gesagt: „Die Leute, die du auf dem Weg nach oben triffst, begegnen dir auch wieder auf dem Weg nach unten“. Du hast den Weg nach oben sehr schnell gemacht. Gibt ’s da welche, die schon mit der Demontage begonnen haben?

Grönemeyer: „Aus den Medien kenne ich das ja schon vom ,Boot‘. Entweder ist es so, daß du nicht populär genug bist, um ins Fernsehen zu kommen, oder du bist zu populär, um ins Fernsehen zu kommen, weil sie dann ja nicht mehr so tun können, als hätten sie dich entdeckt.

Das scheint in Deutschland eine verbreitete Einstellung zu sein, daß man es Künstlern nicht gönnt, wenn sie gut bleiben und erfolgreich sind. Ich bin mir auch jetzt schon ganz sicher, daß bei der nächsten Platte automatisch jede Menge Leute loskrähen werden, daß die letzte ja viel besser war egal, was drauf sein wird.

Etwas andere Reaktionen kenne ich aus Briefen, wo manche enttäuscht sind, weil ich früher eher so ne Art Geheimtip war, etwas, das sie nicht mit so vielen anderen teilen mußten. Die hätten es am liebsten, wenn meine Musik ihr kleines Geheimnis bliebe.

Aber ich möchte auch gar nicht, daß alle

Leute das mögen können, was ich mache. Ein Mittelding für alle zu sein, das wäre das Furchtbarste! Es muß so sein, daß Leute das auch ablehnen und sagen: ,Der singt ja furchtbar. Wie das kratzt und quäkt!‘ Nicht, daß ich mit Gewalt unsympathisch sein möchte, aber da sind wir wieder beim Unterschied zwischen Musik und Film. Mit der Musik möchte ich eben meine Ansichten erzählen und nicht einem Image entsprechen.“

ME/Sounds: Was sich als äußerst erfolgreicher Gedanken erwiesen hat… Gab es überhaupt jemanden, der mit einem Erfolg in dieser Größenordnung gerechnet hat?

Grönemeyer: „Das hat keiner geglaubt. Die letzte LP hatte sich ja schon etwa 50000mal verkauft, und ich hatte höchstens gehofft, daß BOCHUM sich etwa besser verkaufen würde.“

ME/Sounds: Und wie wirkt sich der Erfolg finanziell bei dir aus ?

Grönemeyer: „Da kommt natürlich demnächst eine ganze Menge Geld auf mich zu, aber das ist nicht entscheidend. Was ich mache, verschenke ich nicht für Geld. Mir ging’s die letzten zehn Jahre gut, und gut heißt nicht, daß ich mir alles kaufen konnte, sondern daß es mir im Kopf gut ging.

Ich hab 1 auch keine Träume, die was mit Geld zu tun haben, ’n Haus oder n Rolls-Royce oder so was. Das Tollste ist, eine tolle Band zu haben, mit der ich tolle Platten und tolle Konzerte machen kann. Dafür lohnt es sich, und dafür kann ich auch ganz direkt was tun.

Aber ob die LP nun Nr. 2 in den Charts ist oder nicht, dafür kann ich überhaupt nichts tun, das kann ich nur zur Kenntnis nehmen, weil das viel zu weit weg ist.

Das ist wie bei vielen alten Schauspielern, die selbst mit 80 noch einmal in der Woche vor einem Publikum auf der Bühne stehen wollen. Das ist wie eine Liebesbeziehung, ein orgasmisches Gefühl, einmal auf den Punkt zu kommen, wirklich mit dem Publikum zusammenzusein.

Das hat gar nichts damit zu tun, ob die Leute klatschen. Da lügst du dir einen in die Tasche, wenn du sagst: ,Es war gut heutedie Leute haben geklatscht.‘ Das ist eine Resonanz, ein Energie-Phänomen, das ganz tief unter der Oberfläche abläuft, fernab von allen Äußerlichkeiten. Da sind sich Theater- und Konzertbühne sehr ähnlich, im Gegensatz zum Film, bei dem du mit dem Publikum überhaupt keine unmittelbare Berührung hast.“

ME/Sounds: Wirst du denn in absehbarer Zeit wieder Theater spielen?

Grönemeyer: „Würde ich sehr gern, ich habe das schon dreieinhalb Jahre nicht mehr gemacht. Aber dazu muß man über einen längeren Zeitraum verfügbar sein, ohne was anderes zu machen, und dafür ist im Moment kein Platz Aber Theater ist schon was Tolles, das ist wie ne Riesen-Band, die sich untereinander vielleicht nicht leiden kann, die aber, wenn sie auf den Punkt kommt, ganz toll miteinander spielen kann. Da mußt du vielleicht mit vier Leuten, die sich hassen, eine Liebesszene bringen. Das ist eine Herausforderung, da ist immer was los.“

ME/Sounds: Und wie ist es mit neuen Filmen? Der Name Grönemeyer hat ja wohl noch einiges an Marktwert dazu gewonnen.

Grönemeyer:“.Ja, aber abgesehen von den meisten Drehbüchern, die sich lesen, als seien sie auf dem Klo geschrieben, werde ich vor 1985 auch nichts machen. Durch die neue Filmförderungs-Ideologie von Zimmermann werden ja nur noch die Filme gefördert, die sowieso schon kommerziell erfolgsträchtig sind. Und das bedeutet meist das krasse Gegenteil von Qualität.

Aber die Musik steht zur Zeit ganz klar im Vordergrund. Ich habe sieben, acht Jahre kaum Live-Musik gemacht, aber jetzt habe ich Blut geleckt und freue mich unheimlich auf die Tournee. Die Band wächst dadurch immer mehr zusammen. Wir spielen jetzt schon über drei Jahr zusammen und es wird immer besser.

ME/Sounds: Hast du eigentlich eine Stimmausbildung? Du singst oft dermaßen laut, daß die unverstärkte Stimme vor der Bühne mehr Power hat als das, was aus dem PA kommt.

Grönemeyer: „Nee, überhaupt nicht. Ich erinnere mich noch, wie meine Großmutter immer sagte, als ich so zwölf war: .Wenn du bis zum Stimmbruch weiter beim Singen so schreist, ist die Stimme weg.‘ Und ich schreie immer noch…“

ME/Sounds: Wie sehen deine Träume für die Zukunft aus?

Grönemeyer: „Ich plane eigentlich immer nur ein paar Monate im voraus. Jetzt möchte ich ’ne tolle Tournee machen, aber ich habe mir nicht vorgenommen, in zwei Jahren Tiefbauingenieur oder Plattenboß zu sein. Ich lebe so in den Tag hinein.“

ME/Sounds: Wie heißt du eigentlich? Grönemeyer oder Herbert Grönemeyer?

Grönemeyer: „Na, Herbert – wo der Name doch so schön blöd ist!“