HearMEOut: It’s a woman’s world … or is it?


Auf Trump wurde ein Attentat verübt, Katy Perry versaut ihr Comeback, und Aida denkt über die Macht von Bildern nach.

Ich bin gerade über den Sunset Boulevard gefahren, als mein Lieblingsradiosender hier in Kalifornien, KCRW, das Programm unterbrach: Trump wurde mutmaßlich angeschossen – und als seine Bodyguards ihn in Sicherheit bringen wollte, hat er sie noch aufgehalten, um eine Siegerpose zu performen, alles noch vom Mikro vor ihm aufgenommen. Ihr habt das Foto alle gesehen: blutverschmiertes, zusammengekniffenes Gesicht, Arm in der Luft. Bumm, iconic.

Was muss in einer Person vorgehen, die selbst in einem Moment absoluter Lebensgefahr erst einmal an die Performance und an die perfekte Fotoopportunity denkt? Reality TV will do that to you, glaube ich: wer so viele Jahre wie Trump nur damit beschäftigt ist, eine Rolle zu spielen, hört einfach nie damit auf. Auch nicht, wenn die absolute, maximale Realität über einen hereinbricht. Realität und Performance werden zu ein und der selben Sache – und leider spielt kaum jemand dieses Spiel mit Bildern und Symbolen so gut wie der Ex-Präsident, der sonst nicht einen sinnvollen Satz zusammenbauen kann.

Die Grenzen des Zumutbaren

Und damit wären wir dann auch schon beim Pop, denn was ist mehr Pop als das Spiel mit deiner absoluten Oberfläche? Shiny, anziehend, maximal anschlussfähig. Darum geht’s ja in der Populärkultur – und im besten Fall auch darum, diese (vermeintliche) Oberflächlichkeit zu unterlaufen und immer wieder die Grenzen von dem, was dem Mainstream zuzumuten ist, zu verschieben.

Das ist die Macht von Pop – im Guten wie im Schlechten: Pop kann gesellschaftliche Themen verhandeln und für mehr Toleranz werben, Pop kann aber auch als Mittel der Regression verwendet werden, siehe Trump, siehe Sylt, siehe Goebbels, um nur drei Beispiele aus einem Jahrhundert Beschissenheit herauszugreifen. Und manchmal kann Pop auch mit den besten Absichten in’s Klo greifen. Mit Anlauf. Kopfüber.

Ein besonders schönes Beispiel für „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“ liefert dieser Tage Katy Perry. So gruselig gut Trump mit Bildern umzugehen weiß, so überraschend schlecht sind darin anscheinend Katy und ihr Team. Übertriebene Ästhetik irgendwo zwischen Willy Wonka, Pinup, Madonna und Acid-Trip war schon seit „I Kissed A Girl“ ihr Ding, wo sie sich im goldenen Kleidchen auf Samt räkelte, aus unerklärlichen Gründen ein Babykätzchen im Arm. Ein bisschen Camp geht schließlich immer, besonders wenn er massentauglich von einer normschönen, heteronormativen Frau aufbereitet wird.

Newsflash: Frauen existieren

Für ihr „Comeback“ (auch wenn sie die letzten vier Jahre sowohl im Fernsehen, als auch auf der Bühne bei ihrer millionenschweren Las Vegas Residency zu sehen war und einfach nur eine Weile kein Album veröffentlich hat) sollte es wieder so richtig rund gehen: maximal bunt, maximal drüber, maximal fun. Aber mit Message: Frauen sind auch Menschen, Frauen gebären und schaffen damit die Welt, Frauen sind cool. Feminismus eben, aber so, dass er niemandem, aber auch absolut niemandem wehtun kann: „It’s a woman’s world and you’re lucky to be livin‘ in it“. Joah, dass Frauen existieren und nicht verschwinden werden, da wird kaum jemand widersprechen. Nicht mal Perrys hyperreligiöse Eltern.

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Aber das wäre bei aller Tonedeafness nicht mal so schlimm, wäre da nicht ein Video, dass ganz dringend ironisch mit Klischees zu Frauen umgehen will, dabei aber auf Mario-Barth-Level Humor hängengeblieben ist: hihi, guck mal, die Frauen tun so, als würden sie im Stehen pissen! Hihi, guck mal, die tanzen mit Sextoys und glitzernden Bohrmaschinen! Hihi, guck mal, die versucht sich im Auto zu schminken und sieht dann aus ein Clown, kennste? Kennste? Kennste?

Ja, kennen wir – und gähnen dabei. Weichgespülte Feminismussimulation mit hüpfenden Brüsten in knappen Outfits, zugeschnitten auf den Male Gaze, da waren wir schon mal, Anfang der 2000er. Und das war schon damals scheiße. Da war nicht zuletzt Beyoncé schon vor ein paar Jahren progressiver, als sie Chimamanda Ngozi Adichie auf „***Flawless“ samplen ließ. „Hey, ich meinte das alles als Satire“, sagt jetzt Perry in einem Behind-the-Scenes-Clip. Ich bin kein sonderlich lustiger Mensch, aber eins weiß ich: wenn man glaubt, einen Witz erklären zu müssen, ist es schon zu spät. Welcome to the Cringe.

Der Song, sagte Perry in einem Interview, sei nach der Geburt ihrer Tochter entstanden. Klar, was gibt es auch schöneres, als eine Neugeborene mit einer Empowerment-Hymne zu feiern. Bilder und Narrative, so wichtig – besonders, wenn die vermeintliche Empowerment-Hymne genau gar nichts aussagt und zweitens auch aus einer Kooperation mit einem Produzenten, Dr. Luke, entstanden ist, dem eine Kollegin, Kesha, sexualisierte Gewalt vorgeworfen hat.

Aber vielleicht ist es genau deswegen auch der perfekte Track und das perfekte Video für unsere Zeit: eine Feminismussimulation, die Geld in die Taschen eines mutmaßlichen Abusers spült. Trump wäre stolz – und könnte Team Perry vielleicht noch die eine oder andere Lektion in Ästhetik erteilen.