„Headliner sind immer rar“


Als Sohn des größten deutschen Konzertveranstatters Marek Lieberberg durfte Andre Lieberberg schon als Jugendlicher dem Vater Tipps fürs Geschäft geben: „Die da musst du unbedingt mal nach Deutschland holen!“ Die Fugees zum Beispiel. Da hatte Andre schon bei der ersten Platte den richtigen Riecher. Nachdem sein Bruder Daniel im Juli 2002 aus der Modern Music-Abteilung der Konzertagentur des Vaters zur Plattenfirma Motor Music/Vivendi Universal wechselte, rückte Andre nach. Der 25Jährige Medien- und Kommunikationswissenschaftler übernahm damit auch die Künstlerbuchung, das sogenannte „Billing “ für „Rock am Ring‘ und „Rock im Park“ Eine Aufgabe, von der Lieberberg im Interviewerzählte.

Die Tonträgerindustrie steckt in einer Krise. Beeinflusst das auch die Arbeit der Veranstalter, gerade in der Größenordnung von Lieberberg?

Nun, du kannst die Liveerfahrung ja nicht ersetzen. Du kannst sie nicht brennen, nicht downloaden. Du kannst dir zwar eine DVD kaufen, aber die bringt dir nicht das Gefühl. Doch es geht ja nicht nur um die Absatzprobleme der Plattenindustrie. Das Hauptproblem ist die Vielzahl von Bands heute. Die Zyklen werden immer enger, Neuerscheinungen werden verworfen, Künstler, die eben Erfolge gefeiert haben, verschwinden vom Erdboden. Das Gleiche gilt für musikalische Trends. Es gibt einfach keine Konstanz mehr.

Hast du Angst, dass euch die großen Stars ausgehen?

Die habe ich schon. Acts wie Springsteen, Madonna oder Grönemeyer – die sind alle schon seit 20 Jahren oder länger dabei. Und nachkommen tut nicht viel. Die einzigen neuen Acts, die es aufs Stadion-Level geschafft haben und dort wohl bleiben werden, sind Robbie Williams und Eminem.

Wie groß ist das Arbeitspensum, das bei Lieberberg allein für das Festival aufgebracht werden muss?

Schon am Tag nach einem Festival spricht man mit den Agenten über das nächste Jahr.

Das kann sogar noch früher sein. Richtig anfangen tun wir dann sieben Monate vorher. Das steigert sich von drei, vier Stunden am Tag bis acht Stunden in den letzten zwölf Wochen – und das gilt für sechs Leute hier im Büro.

Wie lange muss man an seinen Wunsch-Headlinern für ein Festival wie Rock am Ring/Rock im Park dran bleiben ?

Das kann lange dauern, aber auch ganz schnell gehen. Bei den Chili Peppers zum Beispiel war klar, dass sie 2004 ausgewählte Konzerte spielen wollen. All das muss eben auch schnell gehen, weil du mit den Headünern früh an die Öffentlichkeit gehen willst. Bei anderen Acts weißt du hingegen über Wochen nicht, ob sie spielen. Ich würde natürlich am liebsten allen Bands, die mich musikalisch überzeugen und ins Programm passen, ein optimales Angebot geben. Aber das geht halt nicht.

So, endlich ist dann alles geregelt und plötzlich springt – wie 2001 geschehen kurz vor dem Festival mit Guns n Roses ein Headliner ab …

Letztes Jahr hatten wir ja ein ähnliches Problem mit den Absagen von Limp Bizkit und Linkin Park. Zuerst ist das ein Schlag ins Gesicht. Doch es gehört eben zu unserem Geschäft. Wir haben hier 75 bis 85 Bands auf dem Festival. Da ist klar, dass es mit mindestens fünf bis sechs Probleme gibt – eine sagt ab oder sie kommt zu spat oder der Sänger bricht sich das Handgelenk. Wenn ein Headliner absagt, bedeutet das erst einmal nur: Du musst Ersatz finden. Die Fans wollen sehen: Da wurde gearbeitet, die wollen uns etwas bieten. Wie letztes Jahr mit Placebo, die dann einsprangen. Umso mehr Wert legen wir heute darauf, dass die Sicherheit gerade bei den Headlinern so groß wie möglich ist.

Heißt das konkret, dass eine Band wie Guns ’n‘ Roses zwar ein Wunschkandidat bleibt, unter solchen Kriterien aber einfach nicht mehr gebucht werden kann?

Nein, nicht grundsätzlich. Das ist eine Band, die immer noch viel gewünscht wird. Wir sprechen also nach wie vor mit Guns n‘ Roses.

Fs wurde offen diskutiert, dass das Programm 2002 auf den Center Stages zuweilen zu Lasten des jüngeren Publikums ging. Ein großer Teil brachte vor allem für den Headliner-Auftritt des alten Meisters Neil Young leider nur wenig Verständnis auf. Würdest du im Rückblick sagen, dass es danach eine Art doppelten Generationswechsel gegeben hat – bei Lieberberg durch die Tatsache, dass du das Billing übernommen hast, und auch auf den Bühnen ?

Vielleicht. Zwar war vorher ja mein Bruder da. Aber das Festival war natürlich etabliert und hatte bestimmte feste Künstlerkategorien. Young ist immer noch ein Wahnsinnskünstler … Aber es ist heute auch klar, dass man Metallica oder den Chili Peppers den Vorzug geben muss. Solche Acts waren 2002 für unseren Termin jedoch nicht im Angebot.

Wie groß ist die Zahl von potentiellen Headlinern, die euch überhaupt zur Verfügung stehen?

Es gibt jedes Jahr vielleicht sieben, acht Stück, manchmal bis zu zehn, von denen sich im Frühsommer aber allein sechs auf uns sowie „Southside“ und „Hurricane“ aufteilen. So groß ist die Auswahl also nicht.

Schauen die Lieberbergs selbst in die Foren der Festival-Homepages, wo der Veranstalter zuweilen ja nicht gerade zimperlich kritisiert wird? Wie weit kann man dem Publikum tatsächlich entgegen kommen?

Man muss permanent nachgeben und vor allem bei logistischen Mängeln sofort nachbessern. Wir laufen auch selbst immer wieder auf dem Festival herum und schauen uns alles an. Vor allem mein Vater macht das intensiv und beantwortet viele Fanmails persönlich.

Ihr seid auf der Homepage des Festivals sogar soweit gegangen, dass ihr die Fans gefragt habt, welche Bands sie gerne haben möchten. Weckt das nicht auch Erwartungen, die man nicht erfüllen kann?

Ja, vielleicht. Zumal natürlich zu viele und auch Bands gewünscht werden, die wir gar“ nicht holen können, weil sie zum Beispiel nicht mehr live spielen. Aber man kennt ja seine Zuschauer und deshalb schaffen wir es auch, einen ansehnlichen Teil der Acts zu holen, die die Leute sehen wollen.

Wen würdest du persönlich gerne in diese Wunschliste schreiben ?

Depeche Mode! Auf jeden Fall Depeche Mode. In einem der nächsten Jahre wird das passieren. Und Rage Against The Machine – wenn sie sich eines Tages wiedervereinigen sollten. Die haben zwei Mal gespielt und das gehörte zu den besten Auftritten aller Zeiten. Kann es sich Andre Lieberberg eigentlich leisten, auf seinem eigenen Festival auch einmal Fan zu sein ?

Man steht komplett unter Strom, aber das ist gerade das Schöne, wenn man sich dann eine halbe Stunde an den Bühnenrand stellt, Handy aus und dann alles vergessen …

Hat die Terminverschiebung auf das Wochenende nach Pfingsten in diesem Jahr besondere Folgen für den Festival-Veranstalter?

Ein Problem war, dass die Formel Eins am Nürburgring erst am Sonntagabend raus geht. Wir haben sonst eigentlich einen Aufbau von einer Woche, diesmal muss es in vier Tagen passieren. Und dann natürlich, dass die Leute sonst am Pfingstmontag frei haben, sich eine Woche später aber extra frei nehmen müssen.

In Nürnberg, bei Rock im Park, gibt es in diesem Jahr auch noch einen Ortswechsel: Die Center Stage zieht aus dem Fußballstadion, das für die WM 2006 umgebaut wird, auf das angrenzende Zeppelinfeld um. Welche Konsequenzen hat das?

In erster Linie recht positive. Weil nicht mehr im Stadion gespielt wird, wo die Sitzplätze nicht so gut angenommen wurden.

Also selbst wenn das Stadion dann wieder zur Verfügung steht, wäre es denkbar, dass die Bühne auf dem Zeppelinfeld bleibt?

Ich denke schon. Billing für Park und Ring Andre beherberg hat einen Traumjob, der aber auch Nerven kostet: Er sorgt bei Deutschlands größten Festivals für die Musik