Hat der Gitarren-Gott sich selbst entthront?
Als Eric Clapton vor einigen Jahren erstmals zusammen mit Delaney & Bonnie in Deutschland auftrat, gab es im Publikum Tumulte, weil kein Mensch verstehen wollte, dass der bescheidene Engländer es leid war den Gitarren-Gott zu spielen. Im Verlauf seiner Comeback-Tournee, die ihn beinahe um die ganze Welt führte, trat derselbe Clapton neulich auch in Hamburg, Essen und in München auf. Während er beim Konzert in Essen und in Rotterdam (wo unsere Fotos entstanden) begeisterte Fans zurückliess, stiessen seine Auftritte in München und vor allem in Hamburg auf gemischte Gefühle. Winfried Trenkler berichtet:
PROMINENZ IM SUPER-COOLEN PUBLIKUM
Des grosse Saal des neuen Hamburger Congresscentrums war gerammelt voll. Selbst Fachjournalisten und Funkjockeys hatten seit Tagen vergeblich um eine Karte gekämpft. 3000 Clapton-Fans erwarteten einen Legende gewordenen Gitarrengott. Doch was sie dann zu hören bekamen, war eine knüppeldicke Enttäuschung. Ein schmerzhaft lauter Soundbrei und eine Band, die mehr für sich selbst als fürs Publikum spielte. Draussen war die Atmosphäre reichlich nervös. Die Verehrer von Eric Clapton waren von weither gekommen, aus der Lüneburger Heide, aus Hannover, Bremen und Schleswig-Holstein. Ja, sogar aus England: die SLADE waren auch unter den Zuhörern. Aber deshalb, weil sie selbst gerade durch Deutschland tourten.
Drinnen, in dem riesigen Foyer ging es supercool und gesittet zu. Gedämpft.Wie in der Oper. Da stand auch Karel Gott im dunkeln Anzug und pflegte Konversation. Plattenbosse von Konkurrenzfirmen. Der Les Humphries Chor, die ganze Randy Pie-Mannschaft, Inga Rumpf und Karl-Heinz Schott von Atlantis …. Man könnte die Reihe der Pop-Prominenz fortführen. Aber schliesslich klingelte es. Es spielte ein Soft-Rock-Duo namens Macko Palmer. Natürlich aus demselben Platten-Stall wie Clapton. Paket-Tourneen haben sich ja eingebürgert. Im Stil von CSN&Y, aber sehr dünn und lahm. Man konnte sich gut mit dem Nachbarn unterhalten.
EMANZIPIERTER DUBIDUBIDA-GESANG
Noch sind nicht alle Leute aus der Pause zurück, da steht die Eric Clapton-Truppe ruckzuck auf der Bühne. Die fiebrige Erwartung hat ihren Höhepunkt erreicht. Geduckt schleichen die Fotografen zur Bühne. Die flackernden Fotoblitze mischen sich mit der bunten Bühnenbeleuchtung zu einem kleinen Feuerwerk. Betont lässig legt die Band los. Vier Leute bilden die Vorderreihe. Zwei Sängerinnen, Clapton und der zweite Gitarrist. Es ist dieselbe Band, die auf dem Clapton-Album „461 Ocean Boulevard“ spielte. Nur die zweite Sängerin ist neu: Marcia Levy. Eine Frau mit einer Wahnsinns-Stimme und die obendrein noch sehr scharf aussieht. Daneben der grosse Meister. Zu seiner Linken Yvonne Elliman, die ein bisschen mehr Solo zu singen bekommt. Sie ist die Berühmtere. Weil die Rhythmus-Gruppe – Schlagzeug, Bass und Orgel im Hintergrund steht, macht das Ganze den Eindruck einer gemischten Rockband. Die beiden Mädchen werden eben nicht an die Seite hinter ein gemeinsames Mikrophon zum Dubidubida-Gesang abgestellt, sondern sie agieren als Gleichwertige Bandmitglieder. Ein emanzipiert-sympathischer Zug.
ZU LAUT!
Sie legen los mit „Let It Grow , einer Nummer vom „461 . . .“-Album. Ein schönes Stück, aber nicht, wenn es mit der Wucht einer aufgedrehten 2000-Watt-Anlage in dieser mittelgrossen Halle über einen hereinbricht! In den Beifall mischen sich die verzweifelten Rufe zahlreicher Zuhörer: „Zu laut!“ Doch weiter geht’s mit „Can’t Find My Way Home“ von dem ehemaligen Blind Faith-Album. Die älteren Rock-Fans spenden grossen Erkennungsbeifall. Hier kommt Marcia Levy stark raus. Sie spielt auch gut Mundharmonika. – Am Ende des dritten Titels geht eine sehr schöne Instrumental-Improvisation ab. Der beste Augenblick des Abends. Danach noch einmal Proteste aus dem Publikum wegen der schmerzhaften Lautstärke. Einer reicht ein grosses Blatt hinauf. Marcia liest es, qibt es Clapton, der dreht es um und zeigt es ins Publikum: „You are too loud“ steht da drauf. Zwar folgen jetzt ein paar leisere Stücke, das ist aber auch alles. Es wird immer wieder schlimm und unerträglich. Manche Leute hören vor allem Bassgetöse, andere nur „Gekreisch“ der zwei Frauen, in einer anderen Ecke der Halle hält man sich die Ohren zu, wenn Clapton voll in die Saiten greift.
PUBLIKUM BELEIDIGT – TROTZDEM:ZUGABE
Unverständlich, dass ein alter Hase wie Eric Clapton eine solche Routine-Situation nicht in der Hand hat. Oder hat er keine Lust? Immer häufiger und länger wendet er sich während der Musik von den Zuhörern ab, winkt Carl Radle am Bass zu, schäkert auf Distanz mit Yvonne, nimmt ein Fernglas in die Hand, richtet es auf die (lohnenswerte) Marcia, grinst, albert und zeigt den dreitausend sein Hinterteil. Als selbst bei „I Shot The Sheriff“ die Post nicht abgeht (die Leute haben längst windelweiche Ohren), wird Clapton obendrein noch beleidigend. Das einzige Mal am Abend, dass er zum Publikum was sagt: ,,Hier haben wir noch ’ne alte Cream-Nummer. Wir spielen sie schon längst nicht mehr. Aber wenn wir nach Deutschland kommen, müssen wir ja wohl. Also, na denn, für euch.“ Das kommt so abfällig aus seinem Mund, wie sie es dann auch spielen. Lustlos und tranig.
EIN MYTHOS IST ZERSTÖRT
Was hat dieser Mann nicht noch für Kredit! Jede andere Band hätte das Publikum für diesen Abend ganz schön abfahren lassen. Aber hier gab’s immerhin noch so viel Applaus, dass die Band für eine Zugabe zurückkam. Danach verebbte der Beifall schnell. Die dreitausend (ausser denjenigen, die schon während des Konzertes geflüchtet waren) waren erlöst.