Hail To The ‚Head!


Ein Sonntag im Mai: Radiohead live im Shepherds Bush Empire, London

Im weiten Umkreis um das Sheperds Bush Empire prangen an Zäunen und Pfosten dubiose Annoncen: Hungry? Sick? Begging for a break? Would you do anything? Ruf an. Vetrau uns. We care. We suck young blood. Die Matrix ist immer und überall, und wer hier so schön mit ihr hirnfickt, sind natürlich die Radiohead-Typen. Fast meint man, die stinkend brennenden Müllsäcke am Straßenrand gehörten auch zum Verstörungs-Gesamtkunstkonzept, aber die hat wohl ein anderer Vogel angezündet.

Das Theater ist bis auf die hinterste Balkonnische ausverkauft. Knister. Dann stehen sie da, Thom Yorke flankiert von Jonny Greenwood und Ed O’Brien, die an Toms zusammen mit Drummer Phil Selway und dem unfehlbaren Colin Greenwood am Bass den mächtigen tribal Beat von „There There“ vorlegen. Ein dicker Auftakt, mit dem Radiohead ihr Brett auf die Begeisterungswelle setzen, die sie die nächsten zwei Stunden ungefährdet reiten werden. Volle Bandbreite gibt’s: Von drei-Gitarren-Reißern bis zu Stücken, bei denen alle an irgendwelchen Kistchen drehen. Ein wenig zerfieselt wird das Ganze dadurch, dass fast nach jedem Song Instrumente gewechselt, Pianos und Synthkonsolen rumgerollt werden, und zwei, drei Songs „Backdrifts“ und, leider leider, „Sit Down, Stand Up“ – zünden nicht so ganz. Egal. Hauptattraktionen inmitten der Großartigkeit: Yorkes Stimme und drahtig-nervöse Bühnenpräsenz (politisiert ein bisschen, witzelt ein wenig und schmeißt sich immer wieder in hyperkinetische Veitstänze). Jonny Greenwoods elektrisierende Ausbrüche, in denen er zwischen Eskapaden an diversen Tastengeräten über seine Gitarren herfällt und ihnen Unglaubliches entreißt. Und Selway, der kühl thronend alles in einem makellosen Rhythmus-Netz zusammenhält. 24 Songs spielen sie, den Großteil des neuen Albums und Schätze von The Bends bis Amnesiac: „The National Anthem“, „Lucky“, „No Surprises“; „Idioteque“, „I Might Be Wrong“, „Just“, „Like Spinning Plates“, „Karma Police“, „Everything In Its Right Place“, „Pyramid Song“ (Yorke, jovial: „So, does anybody else have dreams of floods and things? Or is that just me?“ Leute: „?“ Yorke: „So, just me. Well, cheers.“), „Talk Show Host“, den immer wieder unfassbaren „Paranoid Android“. Zu dritten Zugabe singt Yorke allein „True Love Waits“ und alles hängt an seinen Lippen. Ihm entfällt der Text und er fragt bei einem Fan nach – es ist viel Liebe im Raum. Draußen schreien dann die T-Shirt-Verkäufer so laut, dass es ganz unpassend ist. Aber vielleicht gehört das ja auch wieder zum Gesamtkonzept.