Häßliche Entlein


Mit Prolo-Charme und dreistem Party-Metal pöbeln sich Ugly Kid Joe nach vorn. Doch selbst Under- dogs sind heute nicht mehr das, was sie mal waren

„Bande schlampiger Nieten“ nennen sie sich kokett und haben doch das Große Los gezogen. Ugly Kid Joe sind die Gewinner, die aus der Garage kamen. Bescheidene 15.000 Stück hoffte ihre Plattenfirma von der Debüt-EP „As Ugly As I Wanna Be“ abzusetzen; eine Veröffentlichung in Deutschland stand überhaupt nicht erst zur Diskussion. Inzwischen wurde das 5-Track-Mini-Album. während einer Woche aufgenommen, in den USA weit über eine Million Mal verkauft und hangelt sich auch bei uns munter die Charts empor.

Ugly Kid Joe stammen aus Isla Vista, einem Universitätsstädtchen in der Nähe von Santa Barbara, Kalifornien. „Bei uns gibt es hunderte von Kids mit strahlend weißen Zähnen, die Motorradfahren, sich zum Saufen treffen, Shorts und Badelatschen tragen und alle in Bands spielen“, berichtet Sänger Whitfield Crane.

„Kennst du das Video? Es ist an dem Strand gedreht worden, wo wir die letzten Jahre abgehangen haben.“

Apropos Video. MTV spielte die Glücksfee für die Kids in kurzen Hosen: Der Musiksender nudelte ihren Clip im Stundentakt. Mit wenig Geld an einem Tag gedreht, erhält der Streifen absolut nichts Spektakuläres, sieht man einmal von der Gummy-Gaby aus dem Sex-Shop ab, die die verrückten Wattläufer anstelle eines Drachens steigen lassen.

Am Video kann es nicht gelegen haben, bleibt also nur noch „Everything About You“‚, der pure Song. Vor fünf Jahren fiel Gitarrist und Chefsongwriter Klaus Eichstadt eine nette kleine Pop-Melodie ein. Viel zu nett für seinen Geschmack, und so verpaßte er ihr einen bitterbösen Text. „/ hole everything about 70«“ heißt es im Chorus — und so wurde daraus der Sommer-Hit für rebellische Teenager, bestens geeignet, um mißliebige Personen jeglicher Couleur in Bausch und Bogen abzukanzeln.

Bei Ugly Kid Joe handelt es sich um einen Haufen post-pubertärer Rotzlöffel der oberen Mittelschicht. In ihren Villen-Siedlungen könnte man glatt meinen, die Ghetto-Aufstände im nahen Los Angeles hätten auf einem anderen Planeten stattgefunden. Whitfield Crane kommt aus einer stock-konservativen Familie, deren Mitglieder seit Generalionen auf der Elite-Universität Stanford graduieren. „Ich bin seit Urzeiten das erste Kind, das nicht nach Stanford ging. Ich denke, man könnte mich als schwarzes Schaf bezeichnen“, rühmt sich der 24jährige nicht ohne Stolz.

Die quirligen Leicht-Metaller lieben derbe Spaße und düstere Gerüchte. So heißt es etwa, die beiden Bandgriinder seien sich zum ersten Mal begegnet, als Whits Vater mit einem Rasenmäher Klaus‘ Katze niedermachte. Klaus Eichstadt hat einen deutschen Vater und lebte selbst einige Jahre in Hamburg und Kiel, bevor es seine Sippe in sonnigere Gefilde zog. Ob die zwei sich nun bei diesem bizarren Gartenarbeitsunfall trafen oder nicht — sie mochten sich auf Anhieb.

Whit ist außer für Gesang auch noch für großspurige Sprüche zuständig. Zum Beispiel findet er, daß „die Schule im allgemeinen total überholt ist.“ Sex dagegen hält er für hochaktuell. Nach den Worten seines Baßmanns Cordell Crockett (27), könne das Jodeltalent „jederzeit eine ‚freundliche Öffnung gebrauchen“. Seit jedoch die ersten Alimente-Forderungen eingetrudelt sind, würden die agilen Rock-Flegel ihre Lümmel „dreimal eintüten. Wir reisen nur noch geschützt!“

Keiner von den fünf Gluckspüzen ist sonderlich häßlich, keiner befindet sich im zarten Kindesalter, und auf den Namen Joe hört auch niemand. Auf Ugly Kid Joe kam die Band, die noch nicht einmal zwei Jahre zusammen ist, als sie ein Konzert der Glamrocker Pretty Boy Floyd eröffnete. Jugendlicher Trotz half innen auf die Sprünge, die Mitglieder kamen überein, so wie die Make-Up-Mukker wollten sie auf gar keinen Fall werden, eher schon das genaue Gegenteü.

„Musikalisch kommen wir aus der alten Schule: AC/DC, Judas Priest, Mötley Crüe und so. Das kombinieren wir dann mit Funk, Rap, Metal, Country. Doch wir wollen keinen Trends hinterherlaufen, sondern selber welche starten“, skizziert Eichstadt ihren Schlachtplan.

Vorerst müssen UKJ jedoch noch ihre unverhoffte Blitzkarriere verdauen. „Wir haben unheimlich Schwein gehabt. Das ganze begann als Witz und ist immer noch einer. Ich meine, wir sind eine Garagenband und haben uns nie um einen Plattenvertrag bemüht“, wundert sich Whitfield Crane, der sich von seinem plötzlichen Reichtum vier Paar neue Shorts geleistet hat.

Exzellent traf es sich natürlich, daß „Everything About You“ in „Wayne’s World“, dem US-Kino-Knüller der’Saison, ertönt. Und daß Ozzy Osbourne, Fan der ersten Stunde, die Spaßvögel mit auf seine Sommertour nahm. Die gingen vorher noch schnell ins Studio, um zusammen mit Producer Mark Dodson (Anthrax, Suicidal Tendencies) ein Album aufzunehmen. Arbeitstitel: „The Ugly Truth“.

Sollte es mit der Rockstar-Karriere doch nicht klappen, hat sich Whitfield Crane eine verlockende Alternative überlegt. „Dann vermiete ich Boote an Touristen in Griechenland“, meint der Sunnyboy, „und lebe davon, daß ich aus Kalifornien bin. „