Guano Apes: Dödel Down
Nach Bierzelt-Humoresken und Dünnbrettbohr-Krachern spielen sich die Guano Apes mit ihrem Album "Walking On A Thin Line" wieder einen Schritt nach vorn. Fragt sich nur: Bleibt der große Erfolg, wenn die Dödeleien fehlen?
Sind die nun wirklich so dödel-dämlich wie manche glauben? Gehen wir doch mal zu den Guano Apes ins Studio und sehen nach, hören uns ihr neues Album an und fragen, was das eigentlich alles soll – so ganz allgemein. Das Studio ist unscheinbar in einer Nebenstraße des schnieken Hamburger Stadtteils Eppendorf versteckt. Hier überarbeiten Sängerin Sandra Nasic, Drummer Dennis Poschwatta, Gitarrist Henning Rümenapp und Bassist Stefan Ude seit Wochen das dritte Guano Apes-Album, sie sind inzwischen fast fertig und alle da. Die neuen Stücke klingen wie Lieder der Apes eben klingen, vereinen Härte und Melodie, sind wuchtig und fett. Sandras Stimmvolumen ist hörbar gewachsen, die Band frickelt weniger, spielt punktueller und songdienlicher. „Wir wissen mittlerweile, was wir alles beherrschen, wohin wir gehen und welche Farbtöpfe wir wählen können. Wir versuchen, alles auf den Punkt zu kriegen. Überproduzieren ist Scheiße“, sagt Sandra. Das Album heißt „Walking On A Thin Line“, was programmatisch zu verstehen ist. Waren die Göttinger auf ihr mordserfolgreiches Debüt nämlich noch „Proud Like A God“ (1997), forderten sie nach hämischen Presseberichten und Schelte aus der Szene mit dem Zweitwerk „Don’t Give Me Names“ (2000) und haben nun erkannt, dass sie auf einem schmalen Grat wandern – zwischen albernem Teenie-Pop und ernsthafter Rockmusik. Was die Frage aufwirft: Soll man die jetzt ernst nehmen oder nicht? Das Problem begann mit einer Auftragsarbeit. Die Veranstalter der Snowboard-Europameisterschaft 1998 wünschten eine Hymne von den Guano Apes. Die kam dann auch prompt, hieß „Lords Of The Boards“, war ein voll fetter Hüpfburg-Brecher mit einem Text zum Schreien. Es wurde die bis zu diesem Zeitpunkt bestverkaufte Single der Band, die sich gerade zu einer der erfolgreichsten des Landes mauserte. Das Problem wurde ernsthafter, als im März 2000 das einfallslose Alphaville-Cover „Big In Japan“ erschien, das entgegen der Aussagen der Vier dann doch auf dem darauffolgenden Album landete; Abzocke nannten das einige. Ein Jahr später kam die Single „Dödel Up!“, die mit einem derart sonnigen Pennäler-Humor aufwartete, dass es schlimmer kaum noch werden konnte.
Denkste! Nur drei Monate spater erschien „Kumba Yo“, die Guano Apes duettierten darauf als „Guano Babes“ mit Kalauer-König Michael Mittermeier. Wer das lustig fand, lacht vermutlich auch über DJ Ötzi. „Kumba Yo“ wurde die bis heute erfolgreichste Single der Rocker aus Göttingen mit dem starken Drang, bodenständig zu bleiben. Doch ausgerechnet sie steckten plötzlich mittendrin im schwarzen Loch der deutschen Bierzelt-Humorigkeit, wo Kreativität und Intellekt unter einer dumpfen Decke bräsiger Schlichtheit begraben liegen. Nach vier billigen Liedern, die auch noch die ganze Zeit in Radio und Disse liefen, übersahen nur die wenigsten nicht, dass Sandradennishenningstefan eigentlich technisch versierte junge Musiker sind mit dem hehren Ziel, ehrliche Musik abseits des Mainstream zu machen. Von da an wurden die Guano Apes nur noch von denen nicht belächelt, die ihre Platten kaufen. Und deswegen stecken sie jetzt in der Klemme. Das Bild, was die Öffentlichkeit von ihnen hat, ist verzerrt durch vier dämliche Singles.
Gibt es Lieder, die ihr im Nachhinein bereut?
SANDRA: „Dödel Up!“ fand ich superwitzig. Aber die meisten Leute sehen immer nur das Lied, das im Radio gespielt wird, und kennen nicht den Rest. Deswegen hätte ich den Song nicht als Single veröffentlicht. Das hat die Plattenfirma so entschieden.
Inwieweit könnt ihr denn darauf Einfluss nehmen?
DENNIS: Das sind ja auch Kompromisse innerhalb der Band. Wenn die Hälfte der Band sagt: „Scheiß der Hund auf die Single, wichtig ist das Album“, dann bringt man sie eben raus. Wir würden natürlich lieber Stücke wie „Diokhan“ als Single veröffentlichen, aber da würde uns die Plattenfirma wohl mit dem nackten Arsch ins Gesicht springen.
Fühlt ihr euch als Band verstanden?
SANDRA: Es können nicht alle deine Sachen gut finden. Das ist einfach so.
Aber es gibt doch ein gewisses Bild, das die Öffentlichkeit von euch hat.
DENNIS: Bestimmt denken viele, wir sind total lustige Gesellen, die Dödel-Barden – gerade wegen dem Mittermeier-Ding. Natürlich macht man auch mal ’nen Spaß. Aber die Singles geben eben nicht den kompletten Eindruck der Band wieder. Dafür sind wir zu vielschichtig, zu ernst.
SANDRA: Mir sind diese Leute auch egal. Ich weiß, dass wir unsere Basis-Leute haben, die genau unsere Inhalte kennen – unsere total verfrickelte, aber auch unsere naive Seite. In diesem Business ist es riskant, naiv zu sein. Das sind wir aber.
Was sind Ausprägungen eurer Naivität?
SANDRA: Projekte wie „Kumba Yo“ zum Beispiel.
Schämt ihr euch ruckblickend dafür?
SANDRA: Ich bin kein großer Fan von dem Song, aber das Projekt hat unglaublich viel Spaß gemacht. Von daher ist es okay.
Würdest du das noch mal machen, wenn jetzt zum Beispiel Atze Schröder käme…
SANDRA: Es hatte den Reiz für den Moment, aber ich muss so was nicht nochmal haben.
DENNIS: Es war die erfolgreichste Single, die wir jemals hatten – das könnte ein kleiner Wermutstropfen sein. Insofern könnte man sich falsch verstanden fühlen. Ist aber auch egal. Gerade weil es nur ’ne Projektarbeit war. Deswegen auch die Namensänderung.
SANDRA: In Singles wie „Living In A Lie“, die uns am Herzen liegen, steckt so viel Ehrlichkeit drin, aber es verkauft sich einfach nicht. Ich habe bei „Kumba Yo“ nicht an Verkaufszahlen gedacht. Es war halt witzig, deswegen haben wir’s gemacht. Aber „Living In A Lie“, was mir persönlich sehr wichtig ist, wollen die Leute nicht hören.
Schmerzt das nicht?
SANDRA: Natürlich tut das irgendwo weh. Aber ich weiß, dass nicht die Masse zählt. Es gab genug Fans, die genau wussten, was wir mit „Living In A Lie“ meinten. Du erreichst die Leute damit innerlich, sie öffnen sich dir. Und dazu ist Musik da.
Wäre es dann nicht konsequenter, nur solche Stücke als Singles zu veröffentlichen, zu denen ihr einen besonderen Bezug habt?
DENNIS: Mit einer bestimmten ersten Single würdest du bestimmte Leute gar nicht erreichen. Die finden den jeweiligen Song dann aber auf dem Album.
Aber wer „Kumba Yo“ kauft, kauft sich nicht zwingend auch die LP…
SANDRA: Wer „Living In A Lie“ hört, muss sich fragen, ob das dieselbe Band ist. Deswegen sage ich auch ja zu „Dödel Up!“ und „Kumba Yo“. Das war nicht das Allergeilste, aber es ist ein Gegengewicht zu dem, was wir sonst gemacht haben. Man spielt natürlich immer mit dem Feuer. Aber das macht den Reiz aus. Wir haben eine naive, spielfreudige Seite und eine ernste. Wir sind so stur und ziehen das durch.
Der Umstand, dass die Guano Apes eine Ansammlung von Dickköpfen sind, führte auf ihrer Portugal-Tour übrigens beinahe zum Split: „Nachdem Stefan seinen Bass ins Schlagzeug geschmissen hatte, wollten wir uns auflösen“, erinnert sich Dennis. „Heute sind wir noch die gleichen Sturköpfe wie früher, aber wir finden einen besseren Konsens. Man bildet schneller eine Einheit und raubt sich nicht mehr gegenseitig so viel Kraft“, erklärt Sandra, die es manchmal ziemlich anstrengend findet, ständig von drei Kerlen umgeben zu sein. Und wer’s unbedigt wissen will: Sex innerhalb der Band „gibt’s nicht und wird’s auch nie geben“, so Sandra.
Dann ist aber auch Schluss. Die Apes warten. Darauf, dass die restlichen Interviewer durchgereicht werden und das Album endlich in die Läden kommt, auf dem übrigens kein Stück der Marke „Dödel Up!“ peinlich berührt. Dödel down ist die Devise. Sollte „Walking On A Thin Line“ deswegen nicht wie die Vorgängeralben wochenlang die Charts belagern, muss Dennis bald zum Frisör: „Ich habe nämlich mit dem Plattenfirmenboss gewettet, dass ich mir ’nen Iro scheren lasse, wenn es kein Gold gibt. Bei Platin muss ersieh einen schneiden lassen.“
www.guanoapes.de