Grooveteran
Johnny Guitar Watson macht seit über 30 Jahren Platten, hatte jede Menge Hits, war für zig Grammys nominiert und hat - mit James Brown, Sly Stone, Larry Graham und Stanley Clarke - den FUNK erfunden. Trotzdem wollte dem Groove-Veteran in den letzten Jahren niemand einen Plattenvertrag geben, was Johnny zwar deprimierte, aber keinesfalls auf der Stelle treten ließ. Jetzt gibts ein neues Album, und auf Tour kommt er auch.
Solange er Hut und Sonnenbrille aufbehält, könnte man Mr. Watson ohne weiteres für halb so alt halten, wie er wirklich ist. Die 52 Jahre sieht man ihm nur am Haaransatz und den kleinen, tiefliegenden Äuglein an — der restliche Johnny ist rank und schlank, ständig in Bewegung, aufgekratzt und für jede Albernheit zu haben. Die Gier, mit der er seine vergoldeten Schneidezähne in einen zuckerlosen Kaugummi-Streifen schlägt, kommt mir bekannt vor. Rauchen aufgegeben?
Ja, Mann. Ich hab‘ mein ganzes Leben lang geraucht, bis vor drei Jahren. Da gingen in Amerika die ganzen Kampagnen los, mit Krebs und so, das hat mir echt Angst gemacht, da hab‘ ich beschlossen aufzuhören. Seitdem kann ich viel länger Liebe machen. „
Johnny unterbricht sich, um eins seiner Markenzeichen hören zu lassen: die dreckigste Lache jenseits des großen Wassers. „Außerdem war’s superßr meine Stimme, fiir die Intonation. Seit mein Kehlkopf wiederfrei ist, treffe ich jeden Ton — ich war völlig baff, daß das so einen Unterschied macht. „
Trotzdem wollen die großen amerikanischen Plattenfirmen sein volltönendes Breitmaul-Organ nicht mehr hören. Das aktuelle Album STRJKE ON COMPUTERS hat Johnny mit dem früheren Atlantic-Angestellten Hillery Johnson in Eigenregie auf den Markt gebracht, denn in den oberen Geschäfts-Etagen sind die Stimme und Gitarre, die uns Discotheken-Klassiker wie „It’s A Damn Shame“ und ,.A Real Mother For Ya“ bescherten oder Zappas ONE SIZE FITS ALL veredelten, nicht mehr gefragt. Schuld ist letztlich Watsons ehemalige Firma A&M, die ihn 1981 dazu nötigte, mit Disco-Produzent Michael Zager (..Lefs All Chant“) zusammenzuarbeiten, statt wie üblich alles alleine zu machen. Das Albumresultat geriet zum Flop ohne klare Linie, und die Firma brach ihr Versprechen: .“Wenn Michael es nicht schafft, darfst du das nächste wieder selbst produzieren‘, haben sie gesagt“, erinnert sich Watson zähneknirschend (aber nichtsdestotrotz grinsend). „Michael hat es nicht geschafft, über als es dann ans zweite Album ging, haben sie gekniffen. Michael hat ein schlechtes Album geliefert, aber mir haben sie’s in die Schuhe geschoben. „
Das hat die notorische Frohnatur Watson schwer getroffen — so geht man aber auch nicht um mit lebenden Legenden. Schließlich war der Mann jahrelang mit B.B. King fürs Blues-Label RPM im Studio und hat schon 1953 seine erste Single aufgenommen:“.Highway 60″, damals noch als Young John Watson. Und wenn’s um die roots geht, erzählt Johnny Guitar Watson nicht die übliche Gospelchor-Geschichte: seine ist noch besser: „Mein Großvater war Priester und spielte während seiner Gottesdienste Gitarre. Ich kam eigentlich mehr von den Tasten, hatte mir selber Klavierspielen beigebracht, aber nach dem Tod meines Opas gab Oma mir die Gitarre und sagte noch: ,Daß du mir da aber keinen Blues drauf spielst.‘ Das war natürlich das erste, was ich gemacht habe.“
Und ganz schon erfolgreich. In den 50ern und fiOern zupfte sich Watson durch alle wesentlichen Blues Bands der Staaten und hatte diverse Solo-Erfolge. (Von ihm stammt unter anderem „Space Guitar“, 1954 eine der ersten Nummern mit verzerrter Gitarre überhaupt.) Die 70er brachten ihn dann auf die
Plattenteller weißer und schwarzer DJs, aber die 80er sind ihm so auf den Magen geschlagen, daß der „Gangster Of Love“ seinen Schwanz fast ganz eingezogen hat. „Ich steh‘ immer noch sehr auf die Ladies, aber im Moment trete ich da etwas kiiizer. Seit ich das Problem mit dem Plattenverirag habe, stecke ich die meiste Zeit in die Musik. Die Situation zuletzt hat mir sehr weh getan, ganz schön deprimierend, wenn man so verschlafen wird, und ich glaube, das hat mir ein bißchen den Dampf genommen …“
Im Bett vielleicht, auf der Bühne bestimmt nicht, wie er einem johlenden Publikum bei der „Ohne Filter-Aufzeichnung in Baden-Baden bewies. Auf seiner Tour (Ende Mai/ Anfang Juni) soll’s „richtige“ Konzerte geben — nicht wie vor sechs Jahren, als er zuletzt hier war. bloß ein karges halbes Stündchen auf die Bühne kam und den Rest seiner Band überließ.
Immer locker, immer lässig, immer unglaublich cool, ist Watson längst sowas wie seine eigene Karikatur. Um den Hals trägt er nach wie vor die riesige, stilisierte Gitarre mit den Initialen „JGW“ (Gold mit Brillis). Und den silbernen Gitarren-Ring an der linken Hand. Aber Johnny spielt seine Rolle gut, mindestens so gut wie Bruder James Brown. dessen erfolgreiches Comeback ihm Mut macht, auch wenn er längst nicht alle Ansichten des „Godfathers“ teilen kann: „Ich glaube, er weiß gar nicht genau, was er macht, wenn er überall herumposaunt, wie gut er sich mit den Reagans steht. Dazu ist er wahrscheinlich viel zu naiv — der denkt bloß, das würde ihn wichtig und bedeutend machen. Wahrscheinlich wird ihm irgendwann mal jemand stecken, daß sowas nicht bei allen Leuten gut ankommt. „
Wer bei Mr. Watson sehr gut ankommt, ist: „I’RINCL! Ich liebe Prince.“ Da gibt’s natürlich parallele Interessen: „Dem Mann reden sie ja auch nicht rein, den lassen sie alles machen, was er will. Völlig richtig! Das ist genauso wie Haare kämmen!“
Excuse me, Mr. Watson?
„Wie Haare kämmen. Ich könnte doch nie deine Haare kämmen, du weißt doch viel besser, was dir steht. „
Nicht viel.
Nicht viel war zufällig auch das. was von Johnny Guitar Watsons Dollarbündel in der Hosentasche übrigblieb, nachdem das Hotel die „Extras“ abgerechnet hatte. Daß das hauseigene Video-Nachtprogramm in Deutschland harte Taler kostet, hatte ihm keiner gesagt. „400 Dollars fürs Fernsehen, ich faß‘ es nicht, my goodness“