Great British Music Weekend
Jonathan King betätigt sich gerne als großmäuliger Kolumnenschreiber fürs Boulevardblatt "The Sun", und dafür wählen ihn seine Leser regelmäßig zum "Idiot des Jahres". Aber diesmal hatte der allseits gehaßte Buhmann der britischen Popszene trotzdem eine gute Idee.
Jonathan King organisierte das „Great British Music Weekend“. Zu diesem Ereignis traten 19 Bands an drei aufeinander folgenden Abenden an, und wie in den Rock-Revues der 60er Jahre stand jeder Gruppe bloß eine halbe Stunde Bühnenzeit zur Verfügung — lediglich die Headliner kriegten 15 Minuten mehr. Freitag war die Rave-Nacht — mit Northside, The Farm, 808 State, James und zum krönenden Abschluß The Happy Mondays. Am Samstag stand der sogenannte lndie-Rock auf dem Programm, mit Ride, Carter, The Unstoppable Sex Machine, Jesus Jones und The Cure, während der Sonntag mit Thunder, Ozzy Osbourne, Wolfsbane und anderen dem harten Rock gewidmet war.
Die 12.000 Seelen fassende Arena war denn auch an allen drei Abenden ausverkauft, wenngleich das Spektakel nicht ohne Kontroverse über die Bühne ging. Wo waren beispielsweise die schwarzen Musiker? Wo blieb die weibliche Hälfte des musikalischen Universums? „Ich mag weder Frauen noch Schwarze“, kommentierte King trocken — und wollte das als Scherz verstanden wissen.
Die schonungslose Beschränkung auf 30 Minuten Auftritt verlangte den jüngeren Combos zu viel ab — Jesus Jones und James hingegen wußten damit prächtig umzugehen. Zweifelsohne waren aber The Happy Mondays und The Cure die unbestrittenen Publikumsmagneten, und sie entpuppten sich auch als souveräne Stimmungs-Reiter. Die Mondays gaben Vollgas — Songs wie „Step On“, „Kinky Afro“ und „Wrote For Luck“ erwiesen sich selbst in der riesigen Wembley-Arena als enorme Groove-Maschinen. In dieser Band schiebt niemand seine Künste über Gebühr in den Vordergrund — sogar der“.Tänzer“ und Maracca-Spieler fällt nicht als Exhibitionist auf, sondern bloß als ein weiteres, mit Sacktüchern behangenes Tanzbein, während Shaun Ryder in der Haltung eines permanent startenden Eisschnelläufers ins Mikrophon brabbelt. Das Publikum ging jedenfalls enthusiastisch mit. Und dann war der Zauber nach 45 Minuten auch schon vorbei. Die Band wanderte einer nach dem anderen von der Bühne — die Menge aber tanzte weiter. Und genau das hatten die Mondays schließlich auch beabsichtigt.
Auch The Cure war am nächsten Abend in unbestrittener Top-Form. Aufgrund des Zeit-Limits konzentrierten sich die Musiker um Robert Smith aufs Wesentliche. Mit der Ankündigung „More pure pop!“ ging der gutgelaunte Robert an den Start — und damit hatte er recht wie noch nie. So fehlten zwar die langen, stimmungsmachenden Gitarrenteppiche der sonstigen Cure-Konzerte, doch dafür kam die mysteriöse Qualität ihrer Melodien voll zur Geltung — gerade weil sie ihr Programm so knapp und konzentriert präsentierten. Dadurch griffen die musikalischen Ideen und ihre Ausführung mit höchster Inspiration ineinander, und der Schluß-Applaus war danach ebenso tosend wie berechtigt. Man sollte The Cure eben doch öfters an den Spruch mit der Kürze und der Würze erinnern.